Um nicht in Konflikt mit den Norwegern zu geraten, hat die DFFU ihre beiden Flaggschiffe "Berlin" und "Cuxhaven" derzeit unter Ostgrönland im Einsatz. Die Cuxhaven fischt dort Kabeljau (Frischfisch), die "Berlin" Schwarzen Heilbutt und Rotbarsch und verarbeitet beides vor Ort zu Frostware. Foto: Sassen
Um nicht in Konflikt mit den Norwegern zu geraten, hat die DFFU ihre beiden Flaggschiffe "Berlin" und "Cuxhaven" derzeit unter Ostgrönland im Einsatz. Die Cuxhaven fischt dort Kabeljau (Frischfisch), die "Berlin" Schwarzen Heilbutt und Rotbarsch und verarbeitet beides vor Ort zu Frostware. Foto: Sassen
Konflikt mit Norwegen

Eskalation im Fischereistreit: Große Verluste für Cuxhavener DFFU und Kutterfisch-Zentrale?

15.07.2021

BRÜSSEL/CUXHAVEN. Norwegen bedient sich derzeit einseitig an der EU-Quote und droht EU-Fischern mit Arrest bei Kabeljau-Fischerei vor Spitzbergen. Davon betroffen ist auch die Fischerei aus Cuxhaven.

Bei den deutschen Hochseefischern werden gerade Erinnerungen an den Kabeljau-Krieg mit Island in den 1970er-Jahren wach. Diesmal ist es Norwegen, das die Muskeln spielen lässt und den EU-Fischern mit Arretierung und Strafverfolgung droht, falls sie die ihnen eigentlich zustehende Quote von Kabeljau in den Gewässern rund um dem zu Norwegen gehörenden Spitzbergen befischen sollten. Hintergrund sind die Einschränkungen, die sich für die Norweger wegen des Brexit in britischen Gewässern ergeben.

Norwegen hat sich außerdem im Alleingang eine Makrelenquote zulasten der EU um rund 100.000 Tonnen genehmigt. Der Deutsche Hochseefischerei-Verband ist auf der Palme, der DFFU (Deutsche Fischfang-Union) in Cuxhaven drohen empfindliche Verluste, falls die EU die Norweger gewähren lässt. Verlangt werden von der deutschen Fischereilobby Strafzölle auf Fischimporte aus Norwegen als Antwort.

Eigene Fangquoten erhöhen?

Die norwegische Regierung nutze zurzeit das Momentum nach dem Ausscheiden von Großbritannien aus der Europäischen Union aus und versuche, die eigenen Fangquoten zu erhöhen, lautet der Vorwurf des Hochseefischerei-Verbandes, der für Donnerstag zu einer Pressekonferenz auf einen aus Spitzbergen einlaufenden Trawler in Bremerhaven eingeladen hat. Ziel ist es, den Druck auf die Politik zu erhöhen.

Auf lokaler Ebene hat sich der Cuxhavener SPD-Fraktionsvorsitzende Gunnar Wegener in den Konflikt eingeschaltet, da er negative Auswirkungen für die DFFU, einen der größten Steuerzahler in der Stadt, und für die Kutterfisch-Zentrale befürchtet. Wegener hat sowohl die SPD-Europaabgeordneten Tim Wölken aus Osnabrück und Bernd Lange aus Hannover sowie Oberbürgermeister Uwe Santjer und Wirtschaftsförderer Marc Itgen über die Zusammenhänge informiert und gefordert, Position für die Interessen der Hochseefischerei zu beziehen.

Gefahr für Arbeitsplätze

"Wenn es dort zu Problemen kommt, sind etliche Arbeitsplätze in Gefahr", warnte Wegener am Mittwoch in einem Gespräch mit unserem Medienhaus. Die meisten Politiker schätzen aus seiner Sicht das Problem nicht richtig ein, wenn sie auf die Brexit-Ausgleichszahlungen für betroffene Branchen hinwiesen. Dieser Ausgleich komme nur den direkt Betroffenen zugute, also den Fischern, die nicht mehr in britischen Gewässern fischen dürfen, nicht aber den indirekt Betroffenen, wie in diesem Fall. Zum Hintergrund: Während die EU ein grundsätzliches Abkommen mit Norwegen über den Zugang und die Quotenverteilung aushandeln konnte, scheiterten die Verhandlungen der Norweger mit den Briten. In dieser Situation habe Norwegen unter Betonung seiner Hoheitsansprüche über die Region Spitzbergen die Kabeljauquote der EU einseitig um 7000 Tonnen gesenkt, heißt es vom Verband. Außerdem habe Norwegen verkündet, seine Makrelenquote einseitig um 106 456 Tonnen zu erhöhen.

Wehret den Anfängen

"Andere Anrainerstaaten im Nordatlantik wie die Färöer-Inseln und Grönland haben bereits ähnliche Maßnahmen angekündigt", sagte der Generalsekretär des Verbandes der Deutschen Hochseefischerei, Dr. Peter Breckling. Da im Rahmen einer nachhaltigen Bewirtschaftung die Gesamtfangmengen aber nicht steigen, würde daraus eine dauerhafte Verringerung der Fischereimöglichkeiten der EU-Fischereiflotten resultieren.

Die Lage für die EU-Fischer aus Deutschland, Spanien, Portugal, Frankreich und Polen werde spätestens Ende August dramatisch, weil sie dann ihre Kabeljau-Quote ausgeschöpft hätten, die ihnen Norwegen noch zugestehen will.

Deshalb macht der Verband mobil und versucht, sich über die Politik in Stellung zu bringen. Schließlich fühlen sich die EU-Fischer im Recht.

Nachdem der Austausch über die unterschiedlichen Standpunkte bisher keine Lösung gebracht hat, stehe nun die Drohung Norwegens im Raum, die Fahrzeuge aus fünf EU-Ländern festzusetzen, falls sie in der zweiten Jahreshälfte im besagten Gebiet um Spitzbergen Kabeljau fischen sollten.

Dieses Szenario wird immer wahrscheinlicher, meint Breckling. Sollte die EU in dieser Situation "die legitimen Rechte der EU-Bürger nicht verteidigen", drohten dauerhafte Verluste von Fangrechten mit einem Gesamtwert von mehreren hundert Millionen Euro pro Jahr. Der DFFU, die regelmäßig unter Spitzbergen fischt, würden nach Informationen Wegeners rund 1000 Tonnen Kabeljauquote verloren gehen, was etwa zwei Fangreisen und einem Wert von rund 10 Millionen Euro entspricht.

Dammbruch befürchtet

Es könnte zu einem Dammbruch führen, so die Befürchtung Brecklings, wenn der geltende Verteilungsschlüssel für die Befischung des Nordatlantiks durch einseitige Aktion wie die der Norweger infrage gestellt würde. Breckling: "Falls die EU nicht mit Nachdruck ihre Interessen wahrt, würde es im internationalen Raum als ein Signal der Schwäche aufgefasst". Das könnte weitere Staaten ermutigen, sich zulasten der EU Vorteile in anderen Meeresgebieten zu verschaffen. Auch Norwegen könnte es als Bestätigung seiner einseitigen Maßnahmen sehen und sich in weiteren Schritten zusätzliche Quotenanteile in Spitzbergen nehmen.

Für die europäische Fischerei steht viel auf dem Spiel. Mit ihrem Vorgehen stellten die Norweger das Prinzip der nachhaltigen Fischerei infrage. "Weil der zu verteilende Fischbestand nicht größer wird, muss irgendjemand für diese Selbstbedienungsaktionen am Ende die Zeche zahlen. Breckling: "Es kann nicht sein, dass die EU das reaktionslos hinnimmt. Am Ende müssen wir dann den Fisch von Norwegen kaufen, den wir vorher selber gefangen haben."

Folgen des Brexit

5,5 Milliarden Euro stellt die EU für alle vom Brexit direkt betroffenen Fischer als Ausgleich zur Verfügung. Die deutschen Fischer können mit rund 580 Millionen Euro aus dem Topf rechnen.

Norwegen als Drittland hat sich mit den Briten über Fangrechte nicht einigen können und verwehrt infolgedessen der EU-Flotte bisher angestammte Fangrechte für Kabeljau unter Spitzbergen, wofür es bisher keinen Ausgleich gibt.

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