Philipp Schulze/dpa
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Kreißsaal zum Wohlfühlen: zwei Hebammen bei der Geburt

22.09.2025

Franziska Pfeil hat die erste Geburt im neu eröffneten hebammengeleiteten Kreißsaal im Klinikum Lüneburg betreut. Die Entbindung in der Gebärwanne des hell gestrichenen Raumes Anfang September ist rundum gelungen - Mutter und Sohn seien wohlauf. «Das war wie im Bilderbuch», erzählt die 49-Jährige. Weil sie über 25 Jahre Berufserfahrung verfügt, konnte sie gut die Verantwortung für das erste Mal übernehmen. 

Das Besondere: Wenn nichts dazwischenkommt, betreut eine Hebamme die werdende Mutter so lange, wie der Prozess dauert - zum Schluss wird eine zweite Hebamme dazugerufen. Das aufwendige Projekt wurde ein Jahr für alle Eventualitäten geplant und mit personeller Verstärkung angegangen. «Lieber gut vorbereiten als hinterher schlecht abbrechen», erklärt Professor Peter Dall die Devise des Vorhabens. Die Sicherheit stehe an oberster Stelle.

Schichtsystem mit mehr Personal 

17 Hebammen seien inzwischen neu eingestellt, am Klinikum arbeiten insgesamt 38 plus sieben unterstützende Mitarbeiterinnen für die Administration. Mit dem Schriftverkehr sollen die Geburtshelferinnen nicht belastet werden. 

In jeder der drei Schichten rund um die Uhr arbeiten vier Hebammen zusammen. «Das genieße ich sehr», sagt Pfeil. In kleineren Häusern sei manchmal nur eine Kraft im Dienst, auch das habe sie schon erlebt: «Da bin ich viel erschöpfter nach Hause gegangen.» 

Das Angebot richtet sich an werdende Eltern, die bei der Geburt ausschließlich von Hebammen begleitet werden möchten, aber auf die Sicherheit einer Klinik im Hintergrund nicht verzichten wollen. «Infrage kommen vor allem werdende Mütter, die einen unauffälligen Schwangerschaftsverlauf haben», erklärt die leitende Hebamme Antje Kuhrau. «Ich bin schon lange ein Fan dieses Projekts, wir haben viel Gutes von ähnlichen Stationen aus Süddeutschland gehört.»

Weniger Schmerzmittel bei Hebammen-Coaching

Sollten medizinische Maßnahmen oder starke Schmerzmittel erforderlich werden, steht ein Arzt bereit. «Die Ruhe ist für unsere Patientinnen unheimlich wichtig», beschreibt Pfeil das neue Konzept des begleitenden Coachings. Studien wie von der Uni-Klinik Bonn hätten ergeben, dass bei ständiger Betreuung weniger Schmerzmittel verabreicht werden müssen, ergänzt Dall: «Ich bin sehr zuversichtlich, dass es eine Erfolgsgeschichte wird.»

Die Nachfrage ist da: 40 bis 50 Anmeldungen verzeichnet das neue Modell derzeit pro Monat. Vor der Geburt gibt es zwei ausführliche Gespräche mit den Müttern. Die Kriterien sind streng - so sind Frühgeburten besser mit einem Arzt anzugehen. 

Neue zentrale Geburtskliniken entstehen

Derzeit arbeitet das medizinische Personal noch in einem in die Jahre gekommenen, zu klein gewordenen Gebäude - bis etwa 2030 soll ein neues Eltern-Kind-Zentrum für 70 Millionen Euro gleich nebenan fertig sein. Ende September ist die offizielle Grundsteinlegung. «Da können wir die sieben Kreißsäle schön gestalten», erzählt Kuhrau. Im vergangenen Jahr gab es im Lüneburger Klinikum 1.900 Entbindungen. 

«Wir sind in einer Luxussituation, aber für eine Geburt bekommen wir weniger Geld als für eine Blinddarm-OP, das ist katastrophal unterfinanziert», sagt Dall. Das führe zu einer Zentrierung der Geburtshilfe, kleinere Häuser müssten ihre Abteilungen schließen. 

Zum Vergleich: Anfang Oktober soll in Hannover die größte Geburtsklinik Norddeutschlands eröffnet werden. Kostenpunkt: 60 Millionen Euro. Im neuen Gebäude am Kinderkrankenhaus Auf der Bult gibt es sogar neun Kreißsäle.

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