Auch das Hotel Peter in Wingst-Höftgrube stand unter Wasser. Die Fluten überschwemmten die Bundesstraße 73. Der Hauptverbindungsweg zwischen Stade und Cuxhaven war damit unterbrochen. Foto: CN/NEZ-Archiv
Auch das Hotel Peter in Wingst-Höftgrube stand unter Wasser. Die Fluten überschwemmten die Bundesstraße 73. Der Hauptverbindungsweg zwischen Stade und Cuxhaven war damit unterbrochen. Foto: CN/NEZ-Archiv
Wassermassen

Sturmflut 1962: Die Chronologie der Katastrophe in Cuxhaven und Hadeln

16.02.2022

KREIS CUXHAVEN. Land unter in Cuxhaven und Hadeln: Wir erinnern an die Ereignisse vor, während und nach der Sturmflut 1962 im Überblick.

KREIS CUXHAVEN. Manche Ereignisse brennen sich tief ins Gedächtnis ein: Die Sturmflut im Februar 1962 war für viele Cuxhavener und Hadler so ein Ereignis. Wir geben die dramatischen Tage und Stunden in chronologischer Reihenfolge wieder.

Montag, 5. Februar: Sturm mit Windstärke 6 bis 7 lässt das Deichvorland überschwemmen.

Dienstag, 6. Februar: Erneut tobt ein Sturm mit Böen von Windstärke 10 über der Deutschen Bucht. Die Arbeiten auf den auf dem Großen Vogelsand gestrandeten Schiffen "Ondo" und "Fides" werden eingestellt.

Montag, 12. Februar: Wieder tobt ein schwerer Sturm über der Nordsee. Die Böen erreichen in Cuxhaven die Windstärke 12. Das Abendhochwasser steigt auf 3,50 Meter über NN und überflutet die Alte Liebe, die Kaianlagen im Kutterhafen und das Vordeichgelände. In der Oste steigt das Wasser so hoch, dass sämtliche Deichlücken geschlossen werden müssen. Das Feuerschiff "Elbe 1" meldet Windstärke 9. Bei der Cuxhavener Wetterwarte reicht die Skala des Windmessers nicht aus, um die Geschwindigkeit der Orkanböen zu messen. Die Fluttore am Slippen werden geschlossen, da das Nachthochwasser bereits in die Deichstraße läuft. In der Nacht wird der auf moorigem Untergrund stehende Ostedeich beim Nindorfer Schöpfwerk weit überflutet. Das Wasser greift den Deich von der Binnenseite an und reißt große Löcher in das Erdreich.

Dienstag, 13. Februar: In Cuxhaven sind das Deichvorland und die Kaianlagen des Kutterhafens wieder überschwemmt, jedoch erreicht die Flut nicht die Heftigkeit des vorhergehenden Abends. Der Sturm war in der Nacht allmählich abgeflaut. Im Gebiet Laumühlen-Nindorf stehen rund 800 Hektar Weide- und Wiesenland unter Wasser. Mit eigenen Kräften versucht der Deich- und Schleusenverband, die Schäden notdürftig zu beheben.

Mittwoch, 14. Februar: Die Cuxhavener Wetterwarte erklärt, dass die Sturmflutgefahr vorüber sei. Das Wetter soll aber unbeständig bleiben.

Donnerstag, 15. Februar: Am 15. Februar wird um 21 Uhr erstmals eine Sturmwarnung mit Stärke 9 über Norddeich-Radio verbreitet.

Freitag, 16. Februar: Am Vormittag wird eine Orkanwarnung ausgesprochen.

8.10 Uhr: Dr. Müller, der Leiter der Cuxhavener Wetterwarte, fügt einer Sturmwarnung an, dass nach seiner privaten Auffassung mit einer besorgniserregenden Situation zu rechnen sei.

Gegen 9 Uhr: Im Sturm reißt die Ankerkette des Feuerschiffes "Elbe 3".

Gegen 11 Uhr: Kreisbaurat Beier trifft mit seinem Sachbearbeiter Wettwer beim Nindorfer Schöpfwerk am Ostedeich ein, um sich von dem Fortgang der Sicherungsarbeiten zu überzeugen. Nach Rücksprache mit Oberkreisdirektor Büning wird beschlossen, für Laumühlen und Nindorf in der Bevölkerung den Notstand auszurufen und Deichschutzgruppen zu den Gefahrenstellen zu beordern. Das geschieht gegen 14 Uhr.

16 Uhr: Oberkreisdirektor Büning lässt von Otterndorf aus sämtliche Bürgermeister, Deichgrafen und Brandmeister im Elbe- und Ostegebiet warnen. Man hat zu dieser Zeit einen voraussichtlichen Wasserstand von fast drei Metern über Normalhochwasser errechnet. Die Deichschutzgruppen müssen sich - auch im Hinterland - in Bereitschaft halten. Um 18 Uhr werden die ersten Freiwilligen Feuerwehren am Deich eingesetzt.

Gegen 19 Uhr: Die Wetterwarte am Cuxhavener Seedeich gibt eine Sturmwarnung heraus. Der Amtmann Michel erhält nur Minuten später die Meldung, dass das Wasser auf 7,30 m PN gestiegen ist. Das ist 0,9 m höher als das Mittlere-Tide-Hochwasser.

Gegen 19.55 Uhr: Für die gesamte Bundeswehr im Standort Cuxhaven wird Voralarm gegeben.

20.20 Uhr: Für das gesamte Kreisgebiet Land Hadeln wird der Notstand verkündet.

20.35 Uhr: Das Wasser ist auf über 8,80 m PN gestiegen. In Cuxhaven wird Alarmstufe II gegeben. Die Einsatzleitung trifft im Polizeigebäude in der Friedrich-Carl-Straße zusammen.

Gegen 20.50 Uhr: Alarmstufe III. Deichwachen beziehen ihre Posten. Die Bundeswehr wird zur Einsatzbereitschaft aufgerufen, während sich Feuerwehr, Rotes Kreuz und Technisches Hilfswerk bereits im Einsatz befinden.

Gegen 20.55 Uhr: In Cuxhaven geht ein erster Hilferuf ein. Mehrere Personen müssen mit dem Schlauchboot in Sicherheit gebracht werden.

100 000 Sandsäcke gekauft

Gegen 21 Uhr: Bei der Kreiseinsatzleitung in Otterndorf treffen die ersten Meldungen über Deichüberflutungen ein, die um 16 Uhr im Kreishaus aus Beamten und freiwilligen Helfern gebildet worden war. Die Kreiseinsatzleitung bemüht sich laufend um den Ankauf zusätzlicher Sandsäcke in Hamburg und Bremen. Es gelingt noch in der Nacht 100 000 Säcke zu kaufen, die bis zum Morgengrauen, zum Teil mit Fahrzeugen der Bundeswehr, herangeschafft werden.

21.05 Uhr: In Cuxhaven wird das Schleusentor am Slippen geschlossen. Als sich das Ausmaß der Sturmflut abzeichnet, packen viele Cuxhavener die Koffer. Die Stadt verlassende Pkw behindern die anrollenden Einsatzfahrzeuge der Bundeswehr.

21.20 Uhr: Für die Cuxhavener Bevölkerung wird durch Sirenenalarm die Alarmstufe I gegeben.

22.05 Uhr: Der Sirenenalarm in Cuxhaven wird wiederholt. Der Deich an der Deichstraße wird überflutet. Keller laufen voll Wasser.

Gegen 22.10 Uhr: Die Wassermassen überfluten die Deichkrone in der Deichstraße in breiter Front. In der Neuen Reihe bricht ein Kabelbrand aus.

Gegen 22.15 Uhr: In Cuxhaven fehlen nur noch wenige Zentimeter bis zu Überlaufen der Tore am Slippen. Schaulustige am Slippen sind vom Wasser eingeschlossen.

22.32 Uhr: Der Rundfunk unterbricht sein Programm auf der Kurz- und Mittelwelle für folgende Durchsage: "Für Cuxhaven besteht Deichbruchgefahr. Die Bevölkerung wird dringend gebeten, die höheren Stockwerke aufzusuchen oder sich in Sicherheit zu bringen." Ab 22.50 Uhr verbreitet der Norddeutsche Rundfunk eine vom Oberkreisdirektor durchgegebene Warnung an die Bevölkerung in regelmäßigen Abständen.

22.40: Der Wasserstand steigt immer noch beängstigend. In der Einsatzleitung überschlagen sich die Meldungen. Bei der Kugelbake ist der Döser Seedeich angeschlagen, in Duhnen ist er gebrochen, die Wassermassen überfluten weite Gebiete. Zu diesem Zeitpunkt hat die Sturmflut ihren Höhepunkt erreicht, ohne dass sich die 44 000 Einwohner der Stadt Cuxhaven darüber bewusst sind, in welcher Gefahr sie schweben.

22.50 Uhr: In Oberndorf strömt das Wasser schon seit Stunden über den Deich und die Mauer. Plötzlich gibt das Mauerwerk an mehreren Stellen fast gleichzeitig nach: "Der Deich bricht - das Wasser kommt." Wenig später ist die gesamte Ortsmitte überflutet. Nach und nach brechen weitere Deichabschnitte rechts und links der Oste, bei Geversdorf, Bentwisch, Warstade, Basbeck und Nindorf.

23 Uhr: Auch in Neuhaus (Oste) fließt das Wasser schon seit zwei Stunden über den Deich oder sickert durch ihn hindurch. Jetzt läuft es vor der bereits überfluteten Schiffswerft Dodegge durch die eingesetzten Lückenbohlen in der Deichdurchfahrt auf die Bundesstraße 73. Der Hauptverbindungsweg zwischen Stade und Cuxhaven ist unterbrochen.

23.14 Uhr: Der Höhepunkt der Flut ist überschritten, in Cuxhaven sinkt das Wasser.

23.30 Uhr: In der Gemeinde Basbeck bricht der Deich in einer Breite von fast 110 Metern. Im letzten Augenblick gelingt es,den Bewohner des neben der Bruchstelle liegenden Hauses, den 81-jährigen früheren Deichgeschworenen Hellemann, zu retten. 50 Jahre hat er als Geschworener den Deich beobachtet, aber eine solche Flut noch nicht erlebt.

Sonnabend, 17. Februar, gegen 1 Uhr: Noch in der Nacht beginnt in Cuxhaven das Auspumpen von über 300 vollgelaufenen Kellern.

Zahlreiche Helfer im Einsatz

2 Uhr: Die Stadt Cuxhaven zieht Bilanz: Mehr als 25 000 Sandsäcke wurden verbraucht. Im Einsatz befanden sich 100 Leute des Deich- und Schleusenverbandes, 80 Angehörige der Stadtverwaltung, 464 Luftwaffenangehörige und 270 Mariner. Die Polizei bot 53 Beamte auf, der Zollgrenzdienst 18. THW, Feuerwehr und Rotes Kreuz waren mit insgesamt 251 Helfern vertreten.

7.45 Uhr: Auf dem Frachter "Ondo" befinden sich vier Besatzungsmitglieder in höchster Gefahr, als das Schiff im Sturm auf 70 Grad Schlagseite gedrückt wird. Es ist nicht möglich, die Ondo mit einem Rettungsboot zu erreichen.

Vormittag: Die Bahnverbindung nach Hamburg ist unterbrochen. Zwischen Basbeck-Osten und Warstade hat die Flut den Bahndamm unterspült, die Schienen hängen meterweit in der Luft. Im Kreis Land Hadeln stehen rund 8000 Hektar Land unter Wasser. Im Raum rechts der Oste dehnt sich eine Wasserwüste in breiter Front aus.

Gegen 16.30 Uhr: Der niedersächsische Ministerpräsident trifft im Cuxhavener Katastrophengebiet ein. Er informiert sich in der Einsatzleitung im Polizeigebäude über das Ausmaß der Schäden und besichtigt anschließend die Kuranlagen in Duhnen und Döse. Seine Ansicht: "Cuxhaven kam trotz der großen Schäden noch verhältnismäßig glimpflich davon."

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