
Bis zu 1000 Flüchtlinge in Cuxhavener Kaserne: Das planen Land und Kreis
Cuxhaven-Altenwalde. Das Ziel, möglichst alle Flüchtlinge im Landkreis Cuxhaven in Wohnungen unterzubringen, ist an seine Grenzen geraten. Nun soll die Altenwalder Kaserne reaktiviert werden. Bis zu 1000 Plätze wollen Land und Landkreis schaffen.
Seite an Seite - Oberbürgermeister, Kreis-Dezernent, Ortsbürgermeister - dieses Bild war am Freitag bei der Informationsveranstaltung in der Altenwalder Kreuzkirche auch ein Symbol für den Zusammenhalt, der nötig sein wird, um eine der größten Herausforderungen der vergangenen Jahrzehnte zu bewältigen. Nicht nur in Ortsbürgermeister Ingo Grahmann weckte der Anblick der Bürgerinnen und Bürger in der Kirche - unter ihnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, viele Aktive der Notunterkunft von 2015/16 und der Initiative "Offenes Herz Altenwalde" - Erinnerungen an die Zeit vor sieben Jahren.
Weitere 2000 Menschen angekündigt
Alle warteten gespannt auf das, was schon zu ahnen war: Friedhelm Ottens, Sozialdezernent und Leiter des Krisenstabs Ukraine beim Landkreis, sprach deutliche Worte. Im Kreis seien weit und breit keine alternativen Einrichtungen in Sicht, um derartig viele Personen unterzubringen, wie es nötig ist. Knapp 3200 geflüchtete Personen habe der Kreis bereits aufgenommen (davon fast 800 in der Stadt Cuxhaven, d. Red.). Wohnungen zu finden, sei nun fast unmöglich geworden, die Gemeinden könnten einfach nichts mehr bieten. Für die kommenden sechs Monate sei aber dem Kreis die Ankunft weiterer 2000 Schutzsuchender angekündigt worden - nicht nur aus der Ukraine, sondern auch aus anderen Teilen der Welt, unter anderem aus Afghanistan, wo die Evakuierung der Ortskräfte (der lokalen ehemaligen Beschäftigen des Bundes) weiterlaufe .
Kehrtwende bei der Unterbringung
"Den Anspruch, die Menschen in Häusern und Wohnungen unterzubringen, was der Schlüssel zur Integration ist, können wir nicht mehr erfüllen", so Ottens. "Wir müssen eine Kehrtwende vollziehen." Die längerfristige Unterbringung der Menschen in Einrichtungen sei nun unumgänglich. Im Ankunftszentrum in Sahlenburg (früheres Helios-Seehospital) sei dies inzwischen auch schon so - "und so wird es auch in Neuhaus sein", prophezeite Ottens mit Blick auf das ehemalige Kinderheim in Neuhaus, das jetzt als Unterkunft an den Start geht. "Und wir werden weitere große Einrichtungen benötigen", so Ottens.
Land und Landkreis wollen kooperieren
In der Bredouille befindet sich aber auch das Land Niedersachsen, dessen Erstaufnahmestellen aus allen Nähten platzen. Deshalb hätten sich Land und Landkreis am Freitag darauf geeinigt, die Einrichtung in Altenwalde gemeinsam zu betreiben, berichtete Ottens. Ziel sei der Ausbau der Kapazität auf bis zu 1000 Personen - jeweils 500 der in der Zuständigkeit des Landes und des Kreises. Schon im Januar zu beginnen, sei ein sehr anspruchsvolles Ziel. Bis dahin seien die schon 2015/16 für die Notunterkunft genutzten Gebäude keineswegs saniert. Es werde provisorische Lösungen brauchen. Für den Start rechnete Ottens mit etwa 100 Personen.
Marode Leitungen sind ein Problem
Die Gebäude seien nicht schlecht erhalten. Probleme bereiteten jedoch die Leitungen für Strom, Wasser und Heizung. Die Sporthalle (damals Kantine) sehe nicht schön aus, sei aber wiederherzustellen. Die Abstimmung mit dem Bund (Eigentümer der Immobilie) übernehme federführend das Land, während er die Hilfsorganisationen angesprochen habe. Der Landkreis könne die Einrichtung aufgrund vieler anderer Verpflichtungen, vor allem im Schulbau, nicht selbst betreiben.
Enge und Neid bergen Konfliktpotenzial
1000 Personen auf engem Raum, traumatisiert und verunsichert, ohne Arbeit und Möglichkeit, ein privates Leben zu gestalten - das birgt sowieso schon Konfliktpotenzial. Als größte Schwierigkeit wurde aber - gerade aus dem Publikum - der unterschiedliche Status der Schutzsuchenden ausgemacht: Wenn einige nur wenige Wochen blieben und andere über Monate, drohe dies Neid, womöglich sogar Wut zu erzeugen. "Die Verweildauer wird auf jeden Fall lange sein", kündigte Friedhelm Ottens an. Dies den Betroffenen zu verdeutlichen, sei eine große Herausforderung. "Wir können uns ja mal fragen, wie wir das in einer Kaserne in einem fremden Land finden würden. Deshalb müssen wir uns besonders gut um diese Menschen kümmern."
"Keiner soll hier überfahren werden mit irgendwelchen Tatsachen"
Unterstützung und Verständnis aus der Bevölkerung seien dafür unerlässlich. Und das sei eine hohe Zumutung in einer Zeit, die allen gerade sowieso schon so viel abfordere, gestand Oberbürgermeister Uwe Santjer ein. "Ihr fühlt Euch sicher und geborgen in Altenwalde und das soll auch so bleiben", versicherte er und bat: "Lasst uns Eure Sorgen und Ängste wissen. Keiner soll hier überfahren werden mit irgendwelchen Tatsachen. Bitte redet nicht im Ort oder bei Facebook herum." Für den Austausch solle die Tradition der Treffen in der Kirche, in die auch die die Polizei eingebunden sei, wieder aufleben. Auch öffentliche Einladungen zur Besichtigung der Kaserne werde es geben. "Lasst uns zusammenrücken und zusammenbleiben", bat Santjer. Er machte aber auch die Lage der Menschen deutlich, die keine Wahl hätten, wohin sie kämen. "Jetzt ist unser oberstes Ziel, zu helfen."