Was für ein Auftrag: Cuxhavener unterzeichnete vor 75 Jahren das Grundgesetz mit
In der Bürgerhalle des Cuxhavener Rathauses wurde es bei der Feier des Grundgesetz-Geburtstags am Mittwoch eng. Das Bündnis "Cuxhaven für Respekt und Menschenwürde" hatte mit seiner Themenmischung scheinbar einen Nerv getroffen.
Insbesondere die Aussicht, vom Staatsschutz etwas über Rechtsradikale in Stadt und Kreis Cuxhaven zu erfahren, interessierte viele Gäste, doch zunächst ging es darum, an die Unterzeichnung des Grundgesetzes und die hieraus resultierende Bedeutung und Verpflichtung zu erinnern. Bündnissprecher Oberbürgermeister Uwe Santjer begrüßte als neueste Mitwirkende die "Omas gegen Rechts"-Gruppe aus Cuxhaven.
Das vor 75 Jahren von vier Frauen und 61 Männern unterzeichnete Grundgesetz bezeichnete er als "Meisterwerk". In einer Zeit, in der das Land zerstört und die Moral am Boden waren, sei mit dem Grundgesetz eine Verabredung für eine bessere Zeit getroffen worden.
Einer der Unterzeichner war Karl Olfers
Einer der Unterzeichner war Cuxhavens Oberbürgermeister Karl Olfers, langjähriger niedersächsischer Landtagspräsident - "was hat das für eine Strahlkraft", so Santjer. Aber das Grundgesetz sei der Gesellschaft nicht gegeben worden, um automatisch für immer zu bleiben: Es müsse verteidigt werden.
Das 2017 in Cuxhaven gegründete Bündnis mit rund 100 Institutionen und etwa 250 Einzelpersonen zeige Gesicht für demokratische Rechte und Pflichten, hob Landrat Thorsten Krüger in der Festrede hervor. Die Menschenwürde sei das höchste Gut in der Bundesrepublik, Maxime der Entscheidungen und des Handelns in allen politischen und gesellschaftlichen Bereichen.
Hass und Angst stellen einen Angriff auf die Demokratie dar
Doch Menschenwürde, Freiheit und Gerechtigkeit seien auch schutzbedürftig. Angriffe auf Politikerinnen und Politiker, Sicherheits- und Rettungskräfte und sogar Forschende befeuerten Hass und Angst und stellten einen Angriff auf die Demokratie dar.
Meinungsfreiheit ende da, wo andere Rechte verletzt würden. Krüger: "Jeder hat das Recht auf seine eigene Meinung, aber nicht die eigenen Fakten." In einer Zeit, in der selbst in Europa, dem "größten Friedensprojekt aller Zeiten", einzelne Regierungen versuchten, die richterliche Unabhängigkeit und die Meinungsfreiheit einzuschränken, sei es umso wichtiger, gemeinsam für die Verfassung einzustehen.
"Die Beste aller Gesellschaftsformen"

Bei allen Herausforderungen halte er die parlamentarische Demokratie für die beste aller Gesellschaftsformen und er kennen auch niemanden, der dazu schon eine annehmbare Alternative angeboten habe, so Krüger, der mit dem Satz endete: "Die Zukunft hängt davon ab, was wir heute tun." Musiker Stefan Kirchhoff (Der Steve) leitete mit einer nachdenklich machenden Liederauswahl zum Vortrag von Sven Hoppmann vom Fachkommissariat 4 (zuständig für politisch motivierte Kriminalität) der Polizeiinspektion Cuxhaven über.
Brutalität und Verachtung offen zur Schau gestellt
Angesichts dessen, was nicht erst seit gestern inmitten in der kleinstädtischen und ländlichen Umgebung passiert und angesichts der Deutlichkeit und Brutalität der zur Schau gestellten Parolen (wie der auf T-Shirts präsentierte Satz "Irgendwann würdet Ihr Euch wünschen, wir hätten nur Musik gemacht") stockte vielen der Atem.
"In Cuxhaven gibt es all das, was es auch überall gibt", sagte Sven Hoppmann, "wir müssen alle wachsam sein."
Er berichtete über Erscheinungsformen des Rechtsradikalismus und große Zäsuren. Rechtsextreme versuchten, sich verschiedener Subkulturen und Lebensarten zu bemächtigen und diesen ihren Stempel aufzudrücken. Zu finden sei Rechtsradikalismus in allen gesellschaftlichen Schichten.

Ab 2015 Inhalte verstärkt im Netz und damit quasi außer Kontrolle
Ab 2015 habe sich das Geschehen deutlich erkennbar stärker ins Netz verlegt. Populistische Inhalte, die nachweislich frei erfunden und zur Stimmungsmache ins Internet gestellt worden waren, seien fleißig kopiert und weiterverteilt worden. "Das bleibt und wird geteilt, nicht hinterfragt, sondern hingenommen als bare Münze."
Die Einladung und den Appell Sven Hoppmanns, mit Anstand und Empathie zusammenzuwirken und bei Zweifeln und konkreten Übergriffen die Polizei anzusprechen, bekräftigte Veranstalter Gunnar Wegener für das Bündnis: "Das ist unsere Polizei, ihr gebührt unser Respekt", sagte er unter Beifall.