Um dem noch verborgenen oder schon offen zur Schau festgestellten Rechtsextremismus etwas entgegenzusetzen: Kundgebung für Demokratie am 9. März in Cuxhaven. Foto: Reese-Winne
Um dem noch verborgenen oder schon offen zur Schau festgestellten Rechtsextremismus etwas entgegenzusetzen: Kundgebung für Demokratie am 9. März in Cuxhaven. Foto: Reese-Winne
Staatsschutz warnt vor Extremismus

Rechtsradikale in Stadt und Kreis Cuxhaven: "Die wollen den Umsturz"

von Maren Reese-Winne | 01.06.2024

Auch in Stadt und Kreis Cuxhaven wollen Rechtsextreme Staat und demokratische Strukturen unterwandern, wenn nicht zerstören. Aber wie zeigt sich das? Manchmal kommt das Gift als Wolf im Schafspelz daher.

Von Maren Reese-Winne

Cuxhaven. "Freiheit" - summend stimmte das Publikum bei der Feier zum Grundgesetz-Geburtstag in die von Stefan Kirchhoff gesungenen Hymne von Marius Müller-Westernhagen ein. Freiheit, das größte Gut - doch scheinbar nicht für alle. Auch in Stadt und Kreis Cuxhaven wollen Rechtsextreme Staat und demokratische Strukturen unterwandern, wenn nicht zerstören. Aber wie zeigt sich das?

Das Bündnis "Cuxhaven für Respekt und Menschenwürde" wollte am Mittwochabend nicht nur feiern, sondern auch die Verletzlichkeit der Demokratie bewusst machen. Für viele in der voll besetzten Bürgerhalle des Cuxhavener Rathauses war es das erste Mal, dass sie konkret von Bewegungen in ihrer eigenen Umgebung hörten.

Rechtsextremismus zeige sich in verschiedenen Formen, so Sven Hoppmann, Beamter des Fachkommissariats 4 ("Politisch motivierte Kriminalität") der Polizeiinspektion Cuxhaven; eine davon: Parteien wie die gesichert rechtsextreme NPD (inzwischen "Die Heimat"). Diese habe um 2007/2008 begonnen, 15- und 16-Jährige in der Cuxhavener Fußgängerzone zum Flugblatt-Verteilen zu rekrutieren, ohne dass deren Eltern davon geahnt hätten. In manchem Einfamilienhaus im Land Hadeln sei das Entsetzen groß gewesen, als die Polizei die Kinder nach Hause gebracht habe.

Sven Hoppmann (Polizeiinspektion Cuxhaven, Staatsschutz) gab den Gästen Einblicke in rechtsradikale Bewegungen in Stadt und Kreis Cuxhaven. Foto: Reese-Winne

Damals wie heute strebten Rechtsextreme danach, sich verschiedener Subkulturen und Lebensarten (Beispiel: Skinheads) zu bemächtigen und diesen ihren Stempel aufzudrücken. Vereinigungen wie "Sturmvogel - deutscher Jugendbund" versuchten sich in Hitlerjugend-Manier schon Kindern zu nähern. 

Als brave Gemeinschaften getarnt

Rechtsradikale Strukturen beherrschten auch die völkischen Bewegung - Anhänger der "Blut und Boden"-Theorie mit einer "reinrassigen" Landbevölkerung als Vorbild. Anhänger zögen als bäuerliche Lebensgemeinschaften bewusst in wenig besiedelte Landstriche und versuchten dort, schleichend in der Mitte der Gesellschaft anzukommen und dort ihre stramm rechtsextremistische Ideologie weiterzutransportieren.

"Germaniten" lehnen Staatsordnung ab

Allein beim Begriff "Germaniten", wie sich eine Gruppe der Reichsbürgerbewegung nennt, zuckten die Zuhörer schon zusammen. Alle Behörden könnten sich darauf einstellen, eines Tages mit Reichsbürgern zu tun zu bekommen, auch wenn sich die Anzahl bislang auf "Kleinstgruppen" in Stadt und Kreis beschränke, sagte Hoppmann voraus. Die Anhänger lehnten die BRD und ihre Institutionen ab und weigerten sich, Gesetze anzuerkennen.

Rechtsextremistische Einzeltäter kämen der Polizei immer wieder unter, oftmals bis dahin völlig unauffällig, in Wirklichkeit aber fundierte Kenner der Szene. Zu den wiederholt konfiszierten Gegenständen gehörten zum Beispiel T-Shirts mit abgerundeten Hakenkreuzen, verbotenen Parolen und immer wieder CDs mit ebenso volksverhetzenden Texten wie Covern. Erst vergangenes Jahr habe sich auch die Cuxhavener Polizei erfolgreich an einer bundesweiten Razzia gegen die Rechtsrock-Szene beteiligt. "Das Verhalten zieht sich durch alle Bevölkerungsschichten", so Hoppmann.

Einmal im Netz - für immer außer Kontrolle

Ab 2015 habe sich das Geschehen deutlich stärker ins Netz verlegt. Parallel zur Flüchtlingswelle und der Eröffnung der Notunterkünfte in Otterndorf und Altenwalde habe bei Facebook eine "Anti-Flüchtlingsgruppe" die Aufmerksamkeit auch des Staatsschutzes auf sich gezogen. "Dort kommentierten auf einmal ganz viele Personen, die bislang überhaupt nichts mit der Nazi-Szene zu tun hatten."

Inhalte frei erfunden und zur Stimmungsmache gepostet

Populistische Inhalte, nachweislich frei erfunden und zur Stimmungsmache gepostet, seien fleißig kopiert und weiterverteilt worden. Mit verhängnisvollen Folgen: "Das bleibt für immer. Es nicht hinterfragt , sondern hingenommen als bare Münze und geteilt." Auch ein Foto gelangte so in weite Kreise: Das Foto zeigt Adolf Hitler und seinen Stab, möglicherweise über eine Karte gebeugt. Dazu der Satz: "Gut, dass ich wieder da bin. Wir beginnen in Cuxhaven und Otterndorf."

Aus dem Netz sei so etwas nicht mehr herauszubekommen: "Und dabei sind die privaten Whatsapp-Gruppen nicht mal inbegriffen." Vielen sei nicht bewusst, dass sie mit dem Teilen solcher Inhalte Straftaten begingen.

Parolen und Gewaltverherrlichung

Eine zweite signifikante Zäsur habe es in der Corona-Pandemie gegeben: "Plötzlich standen normale Bürger Seite an Seite mit Verschwörungstheoretikern und Nazis auf der Straße." Ein Teil von diesen habe sich radikalisiert und nach der Pandemie nahtlos mit neuen Themen weiter gemacht. Vor allem im Netzwerk "Telegram" wimmele es von rechtspopulistischen Inhalten, nationalsozialistischen und judenfeindlichen Botschaften. "Die wollen den Umsturz", machte Sven Hoppmann deutlich. Rechtspopulisten und -extreme befeuerten die Verschärfung des Umgangstons und die Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft.

Es sei Sache der Zivilgesellschaft, Seite an Seite mit der Polizei dieser Bewegung mit Anstand und Empathie entgegenzutreten.

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Maren Reese-Winne

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

mreese-winne@no-spamcuxonline.de

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