Das Pressehaus nach einer Modernisierung der Schaufensterfront, aber noch vor der Umgestaltung des Kaemmererplatzes. Die zwei Parkplätze vor der Tür waren begehrt, denn dort war die Parkdauer unbegrenzt und das Parken kostete nichts. Foto: CNV-Archiv
Das Pressehaus nach einer Modernisierung der Schaufensterfront, aber noch vor der Umgestaltung des Kaemmererplatzes. Die zwei Parkplätze vor der Tür waren begehrt, denn dort war die Parkdauer unbegrenzt und das Parken kostete nichts. Foto: CNV-Archiv
Eine Epoche endet

Wie am Kaemmererplatz Cuxhavener Stadt- und Pressegeschichte geschrieben wurde

von Maren Reese-Winne | 28.10.2025

100 Jahre Pressegeschichte am Kaemmererplatz 2 in Cuxhaven sind es nicht ganz geworden. Sieben Jahre, bevor es zu diesem Jubiläum gekommen wäre, werden im Pressehaus die letzten Kisten gepackt. Doch das neue Kapitel beginnt nicht ohne Blick zurück.

93 Jahre nach dem Bezug des für die sozialdemokratische Zeitung "Alte Liebe" errichteten Backsteinbaus im Herzen der Stadt werden im Pressehaus die letzten Kisten gepackt. Es geht an die Abschnede. Bevor dieses neue Kapitel beginnt, schauen wir nochmals auf die Geschichte dieses traditionsreichen Gebäudes.

Es war das letzte Großprojekt der 1922 gegründeten "Bauhütte Cuxhaven", die als soziale Wohnungsbaugesellschaft in nur wenigen Jahren das Stadtbild nachhaltig verändert hatte. Ihr Geschäftsführer war seit 1925 der Sozialdemokrat  Karl Olfers. Klinker und gerade Linien prägten die neuen Wohn- und Geschäftsgebäude wie die um den heutigen Karl-Olfers-Platz, das Hotel Atlantic (heute Gewerkschaftshaus) am Bahnhof, das Gesellschaftshaus "Zur Sonne" in der Nordersteinstraße und das am 25. Juni 1932 eingeweihte Pressehaus, bereit für den Einzug des im Jahr 1919 gegründeten sozialdemokratischen "Volksblatts Alte Liebe". In großen Lettern stand der Zeitungsname auf der Fassade.

Das Pressehaus im Jahr 1932 ganz kurz nach der Fertigstellung. Der Schriftzug "Volksblatt Alte Liebe" prangte nicht mal ein Jahr an der Fassade, nach der Machtergreifung verboten die Nazis fast umgehend die sozialdemokratische Zeitung.

Luxuswohnungen und exquisite Geschäfte

Neben den Zeitungsräumen (Redaktion und Buchhaltung) befanden sich im Neubau 45 topmodern mit Zentralheizung und Badewanne ausgestattete Wohnungen und zwei Geschäfte: In den Schaufenstern am Kaemmererplatz (heute Oliva-Buchhandlung und CNV-Kundencenter) präsentierten die Zigarrenhandlung Lorenzen und die Hutmacherin Hilda Langenow ihre Waren. Hilda Langenow und ihre Schwester boten in ihrem Hut- und Modegeschäft exquisite handgefertigten Kreationen an. Erst in den 60er-Jahren kam die Geschäftszeile in der Rohdestraße hinzu, zu der eine Milchbar, ein Pelzgeschäft und das Schuhgeschäft Fiedler gehörten.

Nach der Machtergreifung vertrieben die Nazis die sozialdemokratische Presse, etablierten im Pressehaus ihr "Cuxhavener Tageblatt" und benannten den Platz in "Adolf-Hitler-Platz" um. Foto: Stadtarchiv

Druck und Verbot nach der Machtergreifung

Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung (30. Januar 1933) geriet Wilhelm Heidsiek - Redakteur, Vorstandsmitglied und Schriftsetzer des Volksblatts "Alte Liebe" - umgehend ins Visier der neuen Machthaber. Er wurde mehrfach verhaftet und durfte nicht mehr als Journalist arbeiten. Die Familie wohnte weiterhin im Pressehaus; Heidsiek (über dessen Schicksal noch zu berichten sein wird) blieb nichts anderes übrig, als zum Broterwerb als Handelsvertreter von Tür zu Tür ziehen.

Der Schriftzug "Cuxhavener Tageblatt" und das Hakenkreuz geben einen Hinweis auf den Entstehungszeitpunkt dieses Fotos - vor dem 11. Juni 1943. Die Hauptpost im Hintergrund (mit Flakturm) ist noch unversehrt. Foto: Stadtarchiv

Am 15. März 1933 erschien die letzte Ausgabe der "Alten Liebe". Der Schriftzug an der Fassade wurde ausgetauscht. Als Parteiblatt der NSDAP erschien das "Cuxhavener Tageblatt" erstmals am 1. August 1933. Der Kaemmererplatz -  fortan "Adolf-Hitler-Platz" - war wie geschaffen für symbolträchtige Aufmärsche, bei denen sich die Nazi-Größen auf dem Balkon des Hotels Dölle präsentierten.

Bei Alarm mussten Bewohner, Belegschaft und wertvolle Maschinen in den Keller

Schon vor Kriegsbeginn waren im Pressehaus zwischen den Kellern Verbindungsgänge geschaffen worden, um Verschütteten im Fall eines Bombentreffers die Flucht durch den Nachbarkeller zu ermöglichen. Wenn bei der Flak auf der Hauptpost nebenan die Klappen runtergingen, war klar, dass binnen fünf bis zehn Minuten Alarm zu erwarten war. Eilig wurden dann im Keller auch die wertvollen Buchungs- und Schreibmaschinen gesichert.

Nach dem Bombentreffer am 11. Juni 1943: Die Fassade und der vordere Teil des Gebäudes waren schwer in Mitleidenschaft gezogen, sämtliche Scheiben zersprungen.

Bombentreffer beim Pfingstangriff

Und am 11. Juni 1943 passierte es tatsächlich: Ein Treffer riss Teile des Gebäudes weg, alle Fensterscheiben zersprangen. Aber alle hatten überlebt - anders als an anderen Stellen im Stadtgebiet, wo bei dem Pfingstangriff 39 Menschen starben. Von Luxus war in dieser Zeit sowieso schon lange keine Rede mehr. Die Zentralheizung war ausgefallen. Wärme spendete eine Brennhexe in der Küche, mit der abends Mauersteine erhitzt wurden, die dann als Wärmflaschenersatz ins Bett kamen.

Druckerei befand sich im Innenhof

Die Zeitungsdruckerei befand sich in einem Flachdachbau im Innenhof. Regelmäßig wurden große Rollen mit Zeitungspapier angeliefert und durch die Toreinfahrt bis ins Lager gerollt. Die Johannes-Gutenberg-Straße gab es noch nicht, das Grundstück grenzte direkt an die Holzhandlung Hagenah und Borcholte. Danach kam Botzbach (heute Fleischhut).

Essenausgabe in der Druckerei

Nach Kriegsende soll nach Zeitzeugenaussagen das Druckereigebäude im Innenhof anfangs von Amerikanern besetzt gewesen sein: "Da wurde Essen und heiße Schokolade ausgegeben und wir sind immer hin und haben gesagt: ,Have you chewing gum, have you chocolate, have you cigarettes?'", berichten Pressehaus-Kinder von damals. Englische Besatzungssoldaten sollen erst später eingezogen sein. Den Deutschen wurde die Gewalt über Medien und Druckmaschinen erst mal entzogen.

1948 das Pressehaus zurückgegeben

Später wurde in der Grüter'schen Druckerei am Grünen Weg ein zweiseitiges Anzeigenblatt gedruckt und von 1947 bis 1949 kamen lokale Nachrichten vom "Hamburger Echo" (sozialdemokratische Zeitung an der Unterelbe). Nach der Rückgabe des Pressehauses an die "Cuxhavener Volksblatt GmbH" der SPD etablierte sich im August 1949 die "Cuxhavener Presse" (Teil der "Hannoverschen Presse") am Kaemmererplatz.

Am 1. November desselben Jahres ging Grüters "Cuxhavener Zeitung" vom Grünen Weg aus an den Markt und zehn Jahre später wuchs die Presselandschaft um die "Cuxhavener Allgemeine", eine Stadtausgabe der Otterndorfer Niederelbe-Zeitung aus dem Zeitungsverlag Hottendorf KG.  

Am 1. Mai 1976 erschien die erste Ausgabe der Cuxhavener Nachrichten. Aus diesem Anlass wurden vom Vordach des Pressehauses aus Schokoladenmaikäfer und Freiexemplare an die erwartungsvolle Bevölkerung verteilt. Foto: CNV-Archiv
Am 1. Mai 1976 erschien die erste Ausgabe der Cuxhavener Nachrichten. Aus diesem Anlass wurden vom Vordach des Pressehauses aus Schokoladenmaikäfer und Freiexemplare an die erwartungsvolle Bevölkerung verteilt. Foto: CNV-Archiv

Zwei Fusionen in den 70er-Jahren

1970 schlossen sich die "Allgemeine" und die "Cuxhavener Zeitung" zur "Neuen Cuxhavener Zeitung" im Zeitungsverlag Grüter und Huster KG zusammen und am 1. Mai 1976 wurde die Fusion der "Cuxhavener Presse" und der "Neuen Cuxhavener Zeitung" zu den "Cuxhavener Nachrichten" vollzogen. Vor dem Pressehaus wartete eine dichte Menschentraube auf die Verteilung der ersten Ausgabe.

In fast fünf Jahrzehnten ist die Zeitung seither mehrmals neu erfunden worden. Zu den Meilensteinen zählen die Umstellung von Blei- auf Fotosatz (1978), die Umstellung von der Mittags- auf eine Morgenzeitung (1992), mehrere Layout-Anpassungen, die Einführung immer neuer Publikationen und die Entwicklung breit aufgestellter digitaler Auftritte. Seit der Fusion der Verlage von Cuxhavener Nachrichten und Niederelbe-Zeitung im Jahr 2005 geschieht dies mit vereinten Kräften als Cuxhaven-Niederelbe-Verlagsgesellschaft.

Das CN-Medienzentrum war ein "elektronisches Labor" der norddeutschen Zeitungsverlegerverbände und des Bundesverbands, vornehmlich auf Initiative des Verlegers Herbert Huster. Dass das lokale Fernsehen nicht so richtig in Gang kam, lag unter anderem an fehlenden Sendegenehmigungen. Das Projekt wurde nach knapp zehn Jahren (1979 bis 1989) eingestellt. Foto: CNV-Archiv

Das Gebäude den Anforderungen immer wieder angepasst

Viele Jahre lang produzierte die Redaktion in den oberen Etagen noch Tür an Tür mit Mieterinnen und Mietern. Das Gebäude wurde den Anforderungen immer wieder angepasst, es kamen Räume dazu, vieles wurde eingebaut und manches wieder ausgebaut. Schreibmaschinen, Fernschreiber, Dunkelkammern und Faxgeräte haben sich erübrigt, manchmal sogar ganze Berufsgruppen.

Dölles Hotel am Kaemmererplatz mit Pressehaus und Postgebäude (1963). Foto: Sammlung Bussler
Das bei der Schneekatastrophe 1979 entstandene Foto zeigt neben dem Panzer der Bundeswehr, der die Wege für die wichtigsten Versorgungsfahrten wieder frei machte, auch die in den 60er-Jahren entstandene Geschäftszeile in der Rohdestraße. Foto: CNV-Archiv

Für alle, die hier gearbeitet haben, war das Pressehaus natürlich ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt - inklusive des Ausblicks. Der Kaemmererplatz als lebhaftes Eintrittstor zur Nordersteinstraße mit regem Autoverkehr und sogar zwei kostenlosen (!) Parkplätzen vor der Tür - das haben einige Verlagsbeschäftigte noch miterlebt.

Zu ihren Füßen entstand ein Butt

Mit dem Städtebauförderprojekt "Kaemmererplatz, Sanierungsgebiet Ritzebüttel" (1975-2007) sollte die lange geforderte Verkehrsberuhigung erreicht werden. Im Sommer 1984 wurde die Konrad-Adenauer-Allee als Innenstadt-Umgehung dem Verkehr übergeben, dann ging es um die Zukunft des Kaemmererplatzes. Am Ende blieben die Verkehrsverbindungen von der Rohde- zur Deichstraße und zur Poststraße bestehen, aber die Bahnhofstraße wurde abgebunden und Autoverkehr ausgesperrt. Die Zeitungsbelegschaft hatte den Logenblick, als schließlich zu ihren Füßen ein Butt auf den Platz gepflastert wurde.

Zum 40-jährigen Jubiläum baute die Bäckerei Tiedemann das Pressehaus als Torte nach, die im Kundencenter ausgestellt und am Ende natürlich auch verspeist wurde.
Das 40-jährige Jubiläum feierten die CN 2016 zusammen mit ihrer Leserschaft auf dem Kaemmererplatz. Foto: Reese-Winne
Nach dem Abriss des Karstadt-Hauses wurde auf dem Grundstück und dem früheren Karstadt-Parkplatz die Nordsee-Galerie gebaut. Foto: Schröder
Das Pressehaus im Lichterglanz an einem verkaufsoffenen Sonntag. Auch die Nordsee-Galerie war da schon gebaut. Foto: Reese-Winne

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Maren Reese-Winne

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

mreese-winne@no-spamcuxonline.de

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