Immobilienkredite: Traum vom Eigenheim rückt für viele im Kreis Cuxhaven in die Ferne
Kreis Cuxhaven. Hohe Zinsen, Energiekrise, steigende Baukosten - viele Bauwillige rücken vom Traum eines Eigenheims ab. Welche Auswirkungen hat das auf die Erschließung neuer Baugebiete in den Kommunen? Und wie reagieren die Banken und Sparkassen?
Aus der Traum von den eigenen vier Wänden: Auch im Cuxland schlägt die Kombination aus den steigenden Bauzinsen und -kosten, der Inflation und der Unsicherheit hinsichtlich der Kosten für die Energieversorgung voll durch. Der Bau eines Eigenheims ist für viele Menschen mehr und mehr ein Ritt auf der Rasierklinge. Und auch die Kreditinstitute schauen noch genauer hin, ob ein potenzieller Kunde überhaupt in der Lage ist, die monatlichen Raten zu stemmen. 2023 dürfte sich - so befürchtet es die Bauwirtschaft - die Situation noch verschärfen.
Die Zeiten, in denen die Interessenten für Bauplätze in vielen Kommunen Schlange standen, sind vorbei. Und das Aufatmen bei jenen, die ihr Haus noch vor Beginn der Krisensituation bezogen haben, dürfte groß sein. Sie hatten das Glück, wenn sie nicht das notwendige Eigenkapital für eine Komplettfinanzierung hatten, dass sie Kredite erhielten, bei denen eine "1" vor dem Komma stand.
Davon kann man heute nur noch träumen: "Aktuell liegen die Zinsen für 10 Jahre bei rund 4 Prozent", so Ninia Käckenmester (Pressesprecherin der Weser Elbe Sparkasse / WESPA). Das bestätigt auch ihr Kollege von der Volksbank Stade-Cuxhaven, Jens Drexler. "Durch die rasante Zinssteigerung auf rund 4 Prozent stellt sich natürlich die Frage, ob auch angesichts der allgemeinen Teuerungsraten eine Finanzierung überhaupt noch möglich ist", sagt er.
Die Spielräume werden enger
Eine Frage, die auch bei der Kreditgewährung durch eine Bank oder Sparkasse noch schärfer in den Fokus genommen wird. Drexler verweist auf den Aspekt der sogenannten "Lebenshaltungskosten-Pauschale". Dabei handelt es sich um den Betrag, über den der Kreditnehmer nach Abzug der monatlichen Immobilienkreditzahlung noch verfügen kann. In vielen Fällen nehmen die vermeintlichen Kreditnehmer den Kreditinstituten die Entscheidung ab. "Bauherren prüfen in der aktuellen Situation sehr genau, ob das geplante Neubauvorhaben auch unter diesen Bedingungen langfristig bezahlbar ist. Vor dem aktuellen Hintergrund nehmen unsere Baufinanzierungsexperten einen deutlichen Rückgang bei der Nachfrage nach Baufinanzierungen wahr. Sie spüren eine Zurückhaltung bei den Kunden. Eine Reihe von Bauwilligen hat ihre geplanten Vorhaben erst einmal zurückstellt. Trotzdem ist das Baufinanzierungsgeschäft nicht zum Erliegen gekommen", erläutert Ninia Käckenmester (WESPA). Einem "angemessenen Eigenkapitaleinsatz" komme inzwischen aber "eine noch größere Bedeutung" zu. Die Spielräume bei der Kreditfinanzierung werden also enger ...
Dagegen lässt der "Run" auf so manches neue Baugebiet, das gerade erschlossen worden ist oder schon wurde, angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen für "Häuslebauer" nach. In Hemmoor vermarktet die "IDB" der Weser-Elbe Sparkasse zurzeit unter anderem das neue "Hamfeld"-Baugebiet mit mehreren Dutzend Flächen für Ein- und Mehrfamilienhäuser: "Die Planungen laufen unverändert weiter", so Käckenmester. Dort stehen zurzeit die Erschließungsarbeiten an.
Der Pressesprecher der Stadt Cuxhaven, Marcel Kolbenstetter, zieht eine Bilanz für den gewerblichen Bereich: "Für die Stadt Cuxhaven, die Verwaltung und die Agentur für Wirtschaftsförderung ist es so, dass in der Abschnede Groden die gewerblichen Flächen aktuell zu fast 100 Prozent veräußert sind. Für das Gewerbegebiet am 'Am Böhlgraben' läuft derzeit eine Abfrage unter allen Interessenten, ob weiterhin Interesse an einem Bauplatz besteht." Das Ergebnis stehe noch aus. Sorgen bereitet die aktuelle und sich wohl noch verschärfende Entwicklung beim Neubau von Immobilien der Firmen, die im Baubereich tätig sind.
Kein zeitlich begrenztes Problem
Ist die Zeit der vollen Auftragsbücher und nörgelnder Kunden, die oft monatelang auf die Erledigung kleinerer Reparaturen oder Sanierungsmaßnahmen gesetzt haben, vorbei? Dr. Jan-Peter Halves (Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Elbe-Weser) zur aktuellen Situation in der Branche: "Auf unserer Innungsversammlung der Bau- und Zimmerer-Innung haben wir genau dieses Thema besprochen. Die Preise sind deutlich gestiegen. Die Vorprodukte sind ja nicht aus der Region und unterliegen den bundesweiten und auch europäischen Steigerungen. Die Preissteigerungen werden auch nicht so kleinteilig erhoben - zum Beispiel auf Landkreisebene. Die Löhne steigen auch in der Baubranche. Noch haben die Baubetriebe eine auskömmliche Auftragslage, die Anzahl der Anfragen und die Anzahl der Baugenehmigungen ist aber rückläufig. Wenn die Rezession länger andauert, werden die Aufträge weiter zurückgehen und dies wird naturgemäß auch Auswirkungen aus das Bauhauptgewerbe haben." Und genau das passiert nach Ansicht von Branchenexperten; der Höhenflug bei den am Bau beteiligten Unternehmen dürfte vorbei sein. So hatte der Präsident des "Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen", Dirk Salwski, bereits im September gewarnt: "Das ist keine Delle beim Neubau, das ist eine Vollbremsung einer ganzen Branche." Auch der Bauindustrieverband warnt, dass es sich nicht um ein zeitlich begrenztes Problem handelt. Vielmehr würden etliche gewerbliche und private Projekte "auf den Prüfstand gestellt und erst einmal verschoben". Eine "Entspannung" - insbesondere für den Wohnungsmarkt - sei nicht in Sicht.
Bereits seit dem Frühjahr beobachtet das Münchner IFO-Institut eine Stornierungswelle. Die Größenordnung sei vergleichbar mit dem "Corona-Schock" im Frühjahr 2020: "War damals am häufigsten der gewerbliche Bau betroffen, sehen wir heute besonders im Wohnungsbau Stornierungen", teilte das Institut noch vor dem zum Teil massiven Anstieg der Energiekosten für Ein- und Mehrfamilienhäuser mit. Der Verband gibt auch keine Entwarnung, sondern spricht vielmehr von einer "Baukrise im kommenden Jahr".
Pressesprecher Jens Drexler (Volksbank Stade-Cuxhaven) verfällt jedoch nicht in Schwarzmalerei für die Branche. Er sieht vielmehr einen Trend, dass sich Hauseigentümer nach Jahren oder Jahrzehnten um eine Sanierung und energiesparende Maßnahmen in den bereits vorhandenen und abbezahlten Immobilien kümmern: "Die Investition in das eigene Haus und die damit - gerade im Energiebereich - verbundenen Maßnahmen gewinnen in dieser Zeit an Bedeutung."