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Fotos: Wendowski-Schünemann (1), Ralf Braesch (1), Illustration: Gero Klemke
türlich besonders interessant ist, ins Spiel:
Wie sahen die Schiffe aus, mit denen im
frühen Mittelalter Waren über die Nordsee
transportiert worden sind? Und wer
waren die Händler, die in dieser Zeit den
Fernhandel betrieben? Die zweite Frage
ist einfacher zu beantworten: Es waren die
Friesen, die nach dem Zusammenbruch
des römischen Reiches und den Wirren
der Völkerwanderungszeit das vorhandene
Vakuum genutzt hatten, um sich an
der gesamten Nordseeküste als vielseitige
und gut vernetzte Händler zu etablieren.
Mit Dorestad (beim heutigen Utrecht) besaßen
sie an der Rheinmündung einen
Umschlagplatz vom Binnen- zum Seetransport.
Einen solchen Handelshafen im eigentlichen
Sinne gab es im mittelalterlichen
Cuxhaven natürlich nicht. Aber es gibt
Grund zu der Annahme, dass in Altenwalde
so etwas wie ein kleiner Markt- oder
Handelsplatz – vielleicht mit Schiffs-
Anlandestelle - bestanden haben könnte.
Dafür sprechen auch friesische Goldmünzen
aus der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts,
die auf dem Gelände der Altenwalder
Burg gefunden wurden. Die Burg ist
zwar rund 200 Jahre jünger, der Platz aber
scheint auch damals schon bedeutsam gewesen
zu sein.
Die Frage nach den Schiffen der Friesen
kann hingegen heute noch nicht befriedigend
Die jüngst gefundene friesische Goldmünze aus
Altenwalde, 2. Hälfte 7. Jh. n. Chr. Sie stammt
aus der Handelsmetropole Dorestad nahe des
beantwortet werden. Der Schiffstyp
der Kogge, der im Hohen Mittelalter
zu dem Schiff der Hanse wurde, hat sich
nach heutigem Kenntnisstand erst ab dem
späten 12. Jahrhundert entwickelt. Vielleicht
segelten die Friesen einen Vorgängertyp
der Kogge.
Dass die friesischen Händler nicht ohne
Konkurrenz waren, zeigt sich ebenfalls
an archäologischen Funden. So wurde bei
Grabungen z.B. Speckstein entdeckt, der
aus dem skandinavischen Raum stammt.
Und ein in Altenwalde gefundener Schiffsniet
könnte vielleicht ein Hinweis darauf
sein, dass nordische Händler mit ihren
in typisch skandinavischer Art gebauten
Schiffen hier anlandeten.
Nicht nur an dieser Stelle bleiben viele
Fragen offen. Weitere archäologische Grabungen
werden vielleicht noch das eine
oder andere Geheimnis lüften können.
Aber auch die bisherigen Funde und die Erkenntnisse,
die Archäologen daraus gewonnen
haben, sind schon faszinierend genug.
Mit der Errichtung des Hadler Seebandsdeichs
ab dem 12. Jahrhundert wird Altenwalde
als Anlandungsplatz wahrscheinlich
seine Bedeutung verloren haben.
In der Zeit des späten Mittelalters tritt
dann Ritzebüttel mit seinem umwallten
Wohn- und Wehrturm aus dem Schatten
der Geschichte und wird schließlich zum
Machtzentrum der Hamburger, die die
Burg zum heutigen Schloss Ritzebüttel
ausbauten.
Die sehenswerte Sonderausstellung „Cuxhaven
und das Mittelalter“ ist im Museum
„Windstärke 10“ vom 24. November 2019
bis zum 19. April 2020 zu besichtigen. Der
Besuch ist im Eintrittspreis des Museums
enthalten. CJ/JP
So könnte der Reiterkrieger aus dem
Grab vom Galgenberg ausgesehen haben
heutigen Utrecht.
Jüngste Ausgrabungen auf dem Galgenberg. Verschiedene Erdschichten aus der Zeit zwischen
800 und 1000 n. Chr. markieren den mittelalterlichen Burgenbau.