
Fotos: Stadtarchiv Cuxhaven, Gedenkstätte Westerbork
Nicht ohne Grund thematisiert die Ausstellung
am Ende auch die über weite Strecken
unwürdige Diskussion um die 1992
dann endlich realisierte Gedenktafel zur
Erinnerung an die Cuxhavener Juden.
Wenig später wird das zu trauriger Berühmtheit
gelangte Foto von der Anprangerung
des Kinobesitzers Oskar Dankner
und seiner angeblichen Geliebten Adele
Edelmann die Cuxhavener daran erinnern,
was hier bereits 1933 geschah. In der
ZDF-Reihe „Bilder, die Geschichte machten“
ist es Thema eines Dokumentarfilms.
Vor die Kamera traten schließlich nur zwei
Zeitzeugen, die gesehen hatten, wie die
beiden durch Cuxhavens Straßen getrieben
wurden. Einer der noch lebenden Täter
des SA-Rollkommandos war hingegen
zu einem Interview nicht bereit.
Dies alles und noch sehr viel mehr ist
nachzulesen in der 42-seitigen Dokumentation
zur Ausstellung. Wie sie trägt sie
den Titel „Ernas Welt – Die Cuxhavenerin
Erna Asch-Rosenthal und ihre Familie. Integration,
Verfolgung, Versöhnung“. Herausgegeben
wurde die Dokumentation vom
Förderverein Cuxhaven e. V. und auch
das nicht ohne Grund. Denn in der Reihe
seiner Veröffentlichungen erschienen bereits
die beiden Bücher Frauke Dettmers
zur Geschichte der Cuxhavener Juden:
1988 „Juden in Cuxhaven“ und 2011 „Cuxhavener
Juden 1933 bis 1945“. So war die
Herausgabe dieser Dokumentation nur
folgerichtig.
Und weil sie die komplette Ausstellung
mit ihren Thementafeln dokumentiert,
ist sie ein wichtiges Stück Forschungsergänzung.
Das gilt für die Komplexe der
Verfolgung, der Emigration wie für die
Jahre Erna Asch-Rosenthals und ihres
Mannes Rudolf Asch im Lager Westerbork,
wie für das Ende der Familie Ernas
in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten.
Auf den letzten beiden Seiten
der Dokumentation lenkt Frauke Dettmer
den Blick auf das Kapitel „Antisemitismus
vor 1933“ – mit knappen Texten, die man
aufmerksam lesen sollte. Da setzen sich
zum Beispiel schon 1904 Antisemiten
in der Döser Kirchengemeinde mit dem
Verbot der Mitwirkung der gleichfalls im
Kirchenchor singenden Jüdinnen für ein
Konzert am Totensonntag durch. Und da
führt das Gaststättenverzeichnis für Nationalsozialisten
1931 die Gaststätte Lütt’s
Ecke in der Schillerstrasse 47 auf. Juden
und Jüdinnen wird von einem Besuch dort
abgeraten.
Doch nicht umsonst findet sich im Titel
der Ausstellung „Ernas Welt“ und nun
auch auf dem Titelfoto der Dokumentation
der Begriff „Versöhnung“. Für Erna
Asch-Rosenthal war er von Bedeutung,
was keineswegs selbstverständlich war,
wie andere Beispiele zeigen. Mit ihren
1992 ausgesprochenen Einladungen an
die wenigen noch lebenden jüdischen Mitbürger
macht die Stadt Cuxhaven dann
endlich auch einen Schritt in Richtung
dieser Versöhnung. Einzig der in den USA
lebende Alfred Wallach folgt im Juli 1993
der Einladung. Wiederum dauert es Jahrzehnte,
bis es ein deutliches, auf dauerhafte
Erinnerung bedachtes Zeichen geben
wird: Ab 2012 werden die Cuxhavener
Stolpersteine für jüdische Opfer, Opfer der
Euthanasie und für politische Opfer verlegt.
Träger dieser Aktion ist der Förderverein
Cuxhaven e. V. in Zusammenarbeit mit der
Stadt.
Zu Recht wurde während der vierwöchigen
Ausstellungszeit, die die bemerkenswerte
Zahl von 1060 Besuchern anzog,
wiederholt betont, dass allein dank der
Forschungen Frauke Dettmers eine Ausstellung
wie „Ernas Welt“ in Cuxhaven
möglich wurde. Als Projekt im Rahmen
des bundesweiten Jubiläums „1700 Jahre
jüdisches Leben in Deutschland“ kommt
ihr zudem eine besondere, herausgehobene
Bedeutung zu. Das Konzept der
gebürtigen Cuxhavenerin und ehemaligen
Leiterin des Jüdischen Museums
Rendsburg hat die Initiatorinnen und
Initiatoren des Festjahres überzeugt. Die
Projektförderung, um die sich die Regionale
Arbeitsgruppe des Vereins „Gegen
Vergessen – für Demokratie e.V.“ unter ihrer
Sprecherin Erika Fischer beworben
hatte, wurde gewährt. Und ohne die von
Frauke Dettmer geleistete intensive Vorarbeit
gäbe es keine Ausstellung und keine
Dokumentation.
Letztere soll das bewahren und dem interessierten
Zeitgenossen dauerhaft zugänglich
machen, was die nach wie vor an
diesem Thema forschende Kuratorin für
die Ausstellung zusammengetragen hat –
eine Fülle neuer, bislang unveröffentlichter
Dokumente, darunter Briefe und Fotos.
So manche sind erst in jüngerer Zeit
aufgetaucht – ein Erfolg des Internets,
das die Historikerin abgesehen davon jedoch
durchaus kritisch sieht, wie sie seinerzeit
bei der Eröffnung der Ausstellung
betonte. Doch da war dann urplötzlich der
Koffer, mit dem sich Erna Rosenthal einst
auf den Weg nach Holland machte, die
Überraschung. Er war sozusagen übers
Internet nach Cuxhaven gelangt. Robert
Pappie, als Junge Nachbar von Erna Asch-
Rosenthal in Hilversum, war im Internet
auf die Ausstellung „Ernas Welt“ gestoßen
und brachte den originalen Koffer pünktlich
zur Eröffnung nach Cuxhaven zurück.
So schließt sich der Kreis. Sicher auch
im Sinne von Erna Asch-Rosenthal, für
die ihr Lebensabschnitt in Cuxhaven bis
ins hohe Alter stets präsent war. Mit Cuxhaven
verband sie viel, vor allem mit der
Cuxhavener Familie Pawlowski. Mit ihr
war sie ein Leben lang befreundet, hatte
durch alle Zeiten hindurch Kontakt gehalten
wie Pawlowskis auch. Noch in einem
Brief Erna Aschs aus dem Jahre 1992 heißt
es unter anderem: „… und fühle ich mich
noch stets als Cuxhavenerin“.
Ilse Cordes
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Rosenthals in der Großen Hardewiek.
Gefangenen „Boulevard des Misères“ genannt.