
Fotos: dpa/Fassbender (1), Stadtarciv Cuxhaven (1)
schirm, der sich als echte Attraktion erwies. Und das erst
recht, wenn der Kölner Karneval oder „Wer gegen wen?“
mit Hans-Joachim „Kuli“ Kulenkampff ausgestrahlt wurden.
„150 bis 160 Leute saßen bei diesen Sendungen bei
mir vor der Röhre“, so Donner.
1954 wackelte sogar der Saal des „Seepavillons“, als
Deutschland und Ungarn um die Fußballweltmeisterschaft
kickten. Donner: „Die Begeisterung kannte keine Grenzen.
Wildfremde Leute fielen sich um den Hals, weil unsere Elf
Weltmeister geworden war.“ Wen störte es da schon, dass
das Bild zeitweise kontrastarm und störungsanfällig war –
Hauptsache, man war live dabei.
Ein anderer Gastwirt machte damals die gleichen Erfahrungen:
Ernst Schumacher aus Altenbruch, früherer Wirt
der Gaststätte „Zur Linde“, hatte sich rechtzeitig auf das
neue Medium eingestellt, weil es für die Bevölkerung noch
unerschwinglich war. Schumacher rückblickend: „Das hat
sich tausendfach bezahlt gemacht.“ Ein Vierteljahr vor der
Weltmeisterschaft war er der erste Altenbrucher, der sich
ein Fernsehgerät – 36er Bildröhre, 1000 Mark teuer – zulegte.
Auf der Gaststätte musste eine zehn Meter hohe Antenne
aufgebaut werden, „ein Riesending mit Halteseilen, das
schon bei Windstärke fünf gefährlich ins Schwanken kam“.
Den Anstoß für den Kauf gaben junge Fußballer des TSV
Altenbruch, die den Gastronomen drängten, zur Weltmeisterschaft
einen Fernseher ins Wirtshaus zu stellen. Schumacher
ließ sich nicht lange bitten und sorgte so für eine
handfeste Sensation im Ort: „Die Leute rannten mir die
Gaststube ein, weil sie endlich einmal in die Röhre gucken
wollten.“ Wenn Peter Frankenfeld auf dem Bildschirm kasperte
oder die „Schölermanns“ trautes Familienleben mimten,
war Ernst Schumachers Lokal gerammelt voll. An den
Fenstern durfte er die Vorhänge nicht zuziehen: Draußen
standen weitere Zuschauer. Zur Fußballweltmeisterschaft
musste der Wirt den Apparat in den großen Saal stellen
und sich einen zweiten leihen, denn halb Altenbruch war
auf den Beinen. Schumacher: „Die Nebenstraßen waren
dicht von Fahrrädern. Autos besaßen damals nur die wenigsten.“
Als Helmut Rahn den Ball zum Siegtreffer ins
Netz der Ungarn schoss, wackelten in der „Linde“ die Wände.
Bierflaschen flogen zur Decke, und sogar Sektkorken
knallten zur Feier des Tages.
Später flaute das Interesse spürbar ab: Das TV-begeisterte
Volk war auf den Geschmack gekommen und legte jede
Mark auf die hohe Kante, um sich ein eigenes Fernsehgerät
in die gute Stube zu stellen. „Bis Ende der 50er-Jahre“, resümierte
Alfred Donner 1972 in einem Rückblick, „gingen
die Leute noch in die Gastwirtschaft, um dort fernzusehen.
Dann hatte das Heimkino seinen Durchbruch geschafft.“
1958 flammte die Fernsehbegeisterung noch einmal auf,
als in Cuxhaven die erste Live-Sendung ausgestrahlt wurde:
Redakteur Eberhard plauderte in der Sendung „Nordschau“
mit einem Fischauktionator, den „Bückeburger
Jägern“ und mit Kurdirektor Peter Schreiber. Und wieder
spielte der „Seepavillon“ eine entscheidende Rolle – das
Hotel an der Alten Liebe wurde als Fernsehstudio genutzt.
Sternstunden der Cuxhavener Fernsehgeschichte.
Jens-Christian Mangels
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