
9
Hilfestellungen für Reh und Hase
Fotos: Koppe
Das nächste Feld liegt einen Steinwurf
entfernt, ein Ackerschlepper zieht auf
monotonem Grün seine Bahnen.
Die über viele Generationen
hinweg bewirtschaftete
Plantage könnte Reimer
Esselborn vermutlich
mühelos verpachten
– gerodet und umgepfl
ügt ließe sich mit
dem Areal ein monatliches
Zubrot verdienen.
Stattdessen hat
sich Esselborn dazu entschieden,
so viele Gehölze
wie möglich stehen zu lassen.
Er investiert nicht nur Zeit,
sondern auch Geld in die Idee, das Gelände
in einen großen Park zu verwandeln.
Mit Rückzugsmöglichkeiten und einem
gedeckten Tisch für das dort vorkommende
Niederwild. „Das hier zum Beispiel ist
Rotklee“: Er deutet auf einen der von ihm
angelegten Blühstreifen, der nicht nur als
Magnet für Bienen und Hummeln fungiert.
Hasen wie Rehe äsen im Klee; für
sie bieten Blühstreifen obendrein einen
Sichtschutz.
Eine ähnliche Aufgabe erfüllen die sogenannten
Hegebüsche. In der deckungsarm
gewordenen Kulturlandschaft schirmen
sie nicht nur das Wild ab, sondern
bieten darüber hinaus Nistmöglichkeiten
oder gar Nahrung
– sofern es sich um fruchttragende
Büsche wie
Vogelbeere, Schneeball,
Kornellkirsche
oder Liguster handelt.
Liguster gehört
dabei zu Esselborns
Lieblingspflanzen:
Er blüht relativ spät
(nämlich Ende Mai und
im Juni) und trägt noch
in diesen Tagen schwarze,
für unsereins nicht zum Verzehr
geeignete Beeren. Die Vegetationszyklen
der unterschiedlichen Gehölze zu kennen,
ist elementar für die Hege: Es geht um die
Frage, was sich wo pfl anzen lässt, um dem
Wild am Ende einen möglichst vielseitigen
Mix anbieten zu können.
Ähnliche Ziele verfolgt die Jägerschaft,
wenn sie Streuobstwiesen anlegt. In Stinstedt
und Mittelstenahe ist das in den letzten
Jahren entlang von Wirtschaftswegen
in der Feldmark passiert. Streuobstwiesen,
so erläutert Reimer Esselborn, bestehen
in der Hauptsache aus hochstämmigen
Obstbäumen. In früheren Zeiten
habe man darunter Getreide oder Gemüse
angebaut. Heutzutage spielen sie den Ertrag
betreffend eine untergeordnete Rolle.
Naturschützer sehen in ihnen in erster Linie
eine wichtige Nahrungsgrundlage für Vögel
und für Insekten. Aber auch das Wild profi
tiert in futterarmen Zeiten von herabgefallenen
Äpfeln. Oder knabbert die Rinde
von am Boden liegenden, abgeschnittenen
Ästen.
Sofern sich Zweige in Reichweite befi nden,
äst das Wild aber auch am „lebenden
Objekt“: Verbissspuren sind für den Laien
kaum auszumachen, ein Jäger erfasst
sie mit einem Blick: Immer wieder weist
Reimer Esselborn auf seinem Rundgang
auf entsprechende Stellen hin, zeigt
auch Bäume, an denen die Rehböcke ihr
Gehörn „fegen“ oder eine unscheinbare
kleine Sandkuhle, in der Fasane „hudern“
– das heißt, ein Staubbad nehmen. Ohne
ein einziges Stück Wild gesehen zu haben,
weiß man am Ende doch, dass die ehemalige
Obstplantage belebt ist. So etwas wie
den auch für Nicht-Waidmänner identifi -
zierbaren Beweis dafür liefert am Ende
eine frische Fährte in schwarzer Erde:
Nicht weit vom Haus entfernt hat ein Reh
ein Trittsiegel hinterlassen. Kai Koppe