Kerzen und Blumen werden nach dem Amoklauf mit elf Toten und einem Dutzend teils lebensgefährlich Verletzten vor der Grazer Schule niedergelegt.  Foto: dpa/Scheriau
Kerzen und Blumen werden nach dem Amoklauf mit elf Toten und einem Dutzend teils lebensgefährlich Verletzten vor der Grazer Schule niedergelegt. Foto: dpa/Scheriau
Nach der Bluttat

Amoklauf in Graz: So sieht Prävention an Schulen in Cuxhaven und Otterndorf aus

von Wiebke Kramp | 11.06.2025

Graz trauert. Der Amoklauf eines 21-Jährigen an einem Gymnasium mit zahlreichen Toten und Verletzten hinterlässt Fassungslosigkeit. Ein Blick in Schulen in Cuxhaven und Otterndorf zeigt, wie hier präventiv mit Wut, Frust und Stress umgegangen wird.

Wolfgang Deutschmann, Schulleiter des Amandus-Abendroth-Gymnasiums in Cuxhaven, ist entsetzt über die Bluttat in Graz - und dies nicht nur aus beruflicher, sondern aus privater Sicht. Die Cousine einer Freundin seiner Tochter erlitt bei diesem Amoklauf eine Schussverletzung. Die Hintergründe der Schreckenstat und der im Raum stehende Mobbingvorwurf müssten jetzt erst ganz genau aufgearbeitet werden, aber der Schulleiter weiß auch: "Es muss jedem leider bewusst sein, so etwas kann überall auf der Welt passieren - auch in Cuxhaven."

So eine Tat wie der Amoklauf werde in den Klassen des AAG dann thematisiert, wenn der Wunsch aus der Schülerschaft heraus kommt, erläutert Schulleiter Deutschmann auf Nachfrage.

In Niedersachsen sei es verboten, das Verhalten bei Amoklagen zu üben, aber auch an seiner Schule selbst, so Deutschmann, existieren vorsorgliche Handlungsempfehlungen gemeinsam mit der Polizei bezüglich der Raumgestaltung oder des Verhaltens in einer solchen Lage.

"Jede neue Kraft wird über das Konzept informiert"

Jede neue Lehrkraft, jeder Referendar, werde über dieses Konzept informiert. Zwar gebe es keine ausdrücklichen Antiaggressionstrainings für die Schüler, aber am AAG werde bereits seit vielen Jahren das Lions-Quest-Programm für Lebens- und Sozialkompetenzen durchgeführt. Es vermittelt auch, wie besser mit Wut, Frust und Stresssituationen umzugehen ist.

 An Deutschmanns Gymnasium nimmt man die Besonderheiten der Kinder und Jugendlichen gezielt in den Fokus. "Es gibt eine Koordinatorin, die für alle besonderen Schüler zuständig ist."  Und mehr noch: In einer speziellen Liste seien von ADHS, Diabetes, Allergien bis hin zu sozialen oder häuslichen Problemen sämtliche Besonderheiten von Schülern aus jeder Klasse erfasst. "Jede Lehrkraft, die in einer Klasse unterrichtet, hat sich darüber zu informieren und weiß um diese Besonderheiten der einzelnen Schüler", erklärt Deutschmann. Diese hochsensible Datensammlung hält er für wichtig, nicht zuletzt, um bei Bedürfnissen reagieren und gegebenenfalls weitere Hilfe und Unterstützung - auch gemeinsam mit dem gut vernetzten Landkreis - geben zu können.

Sonja Pochert ist Schulsozialpädagogin an der Johann-Heinrich-Voß-Realschule in Otterndorf. Sie teilt auf Nachfrage, mit: "Aktuelle Themen aus Deutschland und der gesamten Welt werden durch die Klassen- oder Fachlehrer - je nach Thematik - immer im Unterricht mit aufgegriffen." 

Die Realschule setzt stark auf Prävention. Zur Vermeidung von Vorfällen gebe es an der Johann-Heinrich-Voß-Schule ein umfangreiches Präventionskonzept von Klasse 5 bis 10 mit Themen von Mediensicherheit, (Cyber-)mobbing, Gewalt- und Suchtprävention bis zum Selbstbehauptungskurs. Pochert erläutert:  "Hierbei arbeiten wir eng mit externen Kooperationspartnern wie dem Präventionsteam der Polizeiinspektion Cuxhaven, der Erziehungsberatungsstelle des Landkreises Cuxhaven sowie dem ehemaligen Polizisten Uwe Sandrock zusammen."

Besonders hebt Sonja Pochert in dem Zusammenhang das Gewaltpräventionskonzept "Wir sind stark" hervor. Es werde seit vielen Jahren an ihrer Schule jeweils im 7. Jahrgang an zwei vollen Schultagen hintereinander durchgeführt und setzt sich mit Themen von Antigewalt bis Zivilcourage auseinander. Das Projekt biete den Schülern und Schülerinnen einen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung, Stärkung von Selbstbehauptung und fördere vor allem die Klassengemeinschaft, das Teamgefühl und Vertrauen ineinander.

Schon intensive Schulung in Klasse 5 und 6

Die Schulsozialpädagogin weiß: "Streitereien und Aggressionen stehen, wie an jeder anderen Schule, auch bei uns auf der Tagesordnung." Besonders in Klasse 5 und 6 gebe es daher durch die Klassenlehrkräfte oder die Schulsozialpädagogin regelmäßig Unterrichtseinheiten und Einzelgespräche zu Konfliktbewältigung, alternative Handlungsstrategien oder Entspannungstechniken. "Durch gezielte Maßnahmen und Projekte zur Stärkung der Klassengemeinschaft, zeigen wir ein ganz klares Nein zu Mobbing und Ausgrenzung. Sollte es trotzdem bei Schülerinnen und Schülern zu Konflikten, Aggressionen oder Unwohlsein innerhalb der Schule kommen, steht die Schulsozialpädagogin beratend oder vermittelnd in Einzelgesprächen zur Seite", beschreibt die Pädagogin Maßnahmen zur Krisenintervention.

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Wiebke Kramp

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

wkramp@no-spamcuxonline.de

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