
Angriff mit Messer in Cuxhaven-Duhnen: "Wir töten dich"
Es ging um Leben und Tod: Der Mann, der vor zwei Jahren vor einer Cuxhavener Kneipe mit Stichen und Schlägen traktiert worden war, schilderte am zweiten Verhandlungstag im Stader Landgericht den ungleichen Kampf.
Aber hat sich tatsächlich alles so zugetragen, wie es der 24-Jährige beschrieb? Einer der insgesamt fünf Verteidiger der drei Angeklagten versuchte, Zweifel zu säen. Doch das Opfer blieb dabei: "Sie wollten mich töten."
Kurz vor Mitternacht war es vor einem bekannten Lokal im Stadtteil Duhnen zu der verhängnisvollen Auseinandersetzung gekommen. Zwei Brüder und ein Freund - so lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft - hätten den Mann mit heftigen Schlägen und Stichen traktiert und sich des versuchten Mordes und der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht. Die drei Iraker stehen seit der vergangenen Woche vor Gericht (wir berichteten über den Prozessauftakt).
"Ich habe die
Beherrschung verloren"
Dass es zu dieser gewalttätigen Auseinandersetzung gekommen ist, steht fest. Aber wer hat mit dem Messer zugestochen? Der ältere der beiden Brüder nahm in der Verhandlung die Schuld auf sich und erklärte, dass er - beeinflusst durch Alkohol und Medikamente - im Laufe des Streits das Messer gezogen und den Mann "angestochen" habe: "Es konnte niemand ahnen, dass ich ein Messer dabeihatte. Ich habe die Beherrschung verloren. Aber ich wollte ihn nicht töten", ließ er in einer Erklärung über seinen Anwalt mitteilen. Er entschuldigte sich bei dem Opfer und bot die Zahlung von 15.000 Euro Schmerzensgeld an, das seine Familie aufbringen werde.
Aber hatte er das Messer tatsächlich in der Hand? Das Opfer belastete nämlich nicht ihn, sondern vielmehr seinen Bruder. Dieser habe nicht nur - wie die beiden anderen Angeklagten auch - zugeschlagen, sondern auch auf ihn eingestochen.
Hintergrund des Streits waren angebliche Äußerungen des Opfers über die Schwester der beiden Brüder. In seiner Zeugenvernehmung schilderte er, dass ihn das Trio nach draußen vor die Kneipe gelockt habe. Er sei völlig ahnungslos gewesen, was ihn erwartete. Seine Frage, was man dort denn besprechen wolle, sei draußen erst mit den Äußerungen "Du weißt schon, worum es geht" und "Wir töten dich, du Hurensohn" sowie danach mit dem ersten Faustschlag beantwortet worden.
Zahlreiche
Erinnerungslücken
Alle drei hätten auf ihn minutenlang eingeprügelt. Schließlich sei auch das Messer zum Einsatz gekommen, mit dem er unter anderem im Bereich der Nieren, der linken Hand, des Rückens und des Kopfes Verletzungen erlitten habe. Er habe versucht, die Angreifer mit einem Stuhl abzuwehren. Es sei ihm gelungen, die Flucht zu ergreifen und sich in die Kneipe zu retten: "Ich habe stark geblutet und konnte auch nicht mehr richtig atmen." Von dort aus sei er dann ins Cuxhavener Krankenhaus und später ins Stader Klinikum gebracht worden, damit seine Verletzungen behandelt werden konnten. Durch die Stiche sei übrigens auch seine linke Hand dauerhaft verletzt worden, die er nach Auskunft von Ärzten nie mehr so wie in der Vergangenheit bewegen könne. "Mein Arzt hat mir noch in dieser Woche gesagt: Das wird nichts mehr", so der junge Mann.
Auf einzelne Nachfragen seitens der Verteidiger gab es im weiteren Verlauf der Zeugenvernehmung keine oder ausweichende Antworten. So gab er mehrfach an, sich nicht mehr an jedes Detail des überfallartigen Angriffs und auch nicht an jede Äußerung gegenüber der Polizei erinnern zu können. "Ich kann mich daran nicht genau erinnern", gab er mehrfach zu Protokoll und begründete dies mit der extremen Situation durch den plötzlichen Faustschlaghagel und die Messerstiche sowie die daraus resultierenden Folgen. Als "ungewöhnlich" bezeichnete einer der Verteidiger die vielen angeblichen Erinnerungslücken. Er behielt sich vor, die erneute Befragung des Mannes im weiteren Prozessverlauf zu fordern.
Fortgesetzt wird das Gerichtsverfahren am Freitag um 9.30 Uhr unter anderem mit der Befragung zweier Zeuginnen. Angesetzt sind für das Verfahren noch rund zehn weitere Verhandlungstage, die sich bis Ende Januar kommenden Jahres erstrecken.