
Antragsteller machten Eindruck mit Businessplan für zwei Firmen in Geestland
Vor dem Cuxhavener Amtsgericht geht es um die Frage, ob die GmbHs tatsächlich existierten - oder ob sich ein an Geschäftstätigkeit geknüpftes Aufenthaltsrecht erschlichen wurde.
Ein Zweifamilienhaus in der Gemeinde Geestland, gelegen in einem klassischen Wohngebiet. Hier finden sich Doppelgaragen und Buchsbaumhecken, eine Anlegerstraße führt im Bogen durch die Siedlung, in der sich auf den ersten Blick kein Gewerbebetrieb ausmachen lässt. Unter der Hausnummer 12 findet sich jedenfalls kein Firmenschild mehr, die Briefkästen am Haus tragen Familiennamen. Vor neun Jahren sollen unter der fraglichen Adresse gleichwohl zwei GmbHs eingezogen sein: "Nationaler und grenzüberschreitender Handel mit Waren jeglicher Art" ist gemäß einer Auskunftsdatenbank bis heute deren Geschäftsziel.
Haben diese Firmen real existiert? Handelte es sich um Scheingebilde? Letztgenannte Auffassung teilt man bei der für Korruptionssachen zuständigen Staatsanwaltschaft in Verden; vor dem Amtsgericht Cuxhaven haben die Ermittlungsführer Anklage gegen einen seit Jahrzehnten in Deutschland lebenden Syrer erhoben. Dem Mann wird vorgeworfen, eine größere Gruppe ehemaliger Landsleute bei der Beschaffung von womöglich zu Unrecht erlangten Aufenthaltstiteln unterstützt zu haben. Ein früherer Fachgebietsleiter der Kreis-Ausländerbehörde - so der Ausgangsverdacht - könnte in diesem Zusammenhang eine strafrechtlich problematische Rolle gespielt haben.
Obwohl der Genannte im vorliegenden Verfahren nicht auf der Anklagebank sitzt, ging es auch am jüngsten Verhandlungstag wieder um diesen mutmaßlichen "Lebemann", von dem sich seine Untergebenen mehr und mehr im Stich gelassen fühlten. Das legten Zeugenaussagen ehemaliger Mitarbeiter nahe, die vormaligen Kollegen wurden von Amtsrichter Stefan Redlin auch nach dienstlichen Gepflogenheiten (speziell im Umgang mit spendabel auftretenden Kunden) befragt. In diesem Zusammenhang kam die Rede auch auf ein bekanntes orientalisches Süßgebäck: Kostproben davon hatten offenbar der Beklagte und die unter seinen Fittichen stehenden Antragsteller bei einem ihrer vielfachen Besuche mit ins Amt gebracht.
Kostproben waren womöglich nicht als Bestechung gedacht
Ob man wirklich über jedes Stückchen Baklava diskutieren wolle, hatte sich Strafverteidiger Andreas Meyn bereits vor zwei Wochen erkundigt. Obwohl es sich um mindestens zwei Schachteln Gebäck gehandelt haben dürfte, schienen sich diesbezügliche Verdachtsmomente in der Zeugenvernehmung zu relativieren. Aus anderen Kulturkreisen stammende Besucher - so hieß es - seien zu einem nicht geringen Teil so sozialisiert, sich über persönliche Aufmerksamkeiten erkenntlich zeigen zu wollen. Gleichzeitig ließen die vor Gericht gehörten Verwaltungsmitarbeiterinnen wenig Zweifel daran, dass sie Grenzen zu ziehen wussten. Die möglicherweise in einem Graubereich liegende Baklava-Situation soll gelöst worden sein, indem die Süßigkeiten der Gesamtbelegschaft zur Verfügung gestellt beziehungsweise an eine Hilfsorganisation weitergegeben wurden. Auch glaubte sich eine Zeugin daran zu erinnern, dass die Kuchenstücke weniger als Geschenk, sondern eher als Beleg für die beabsichtigte Geschäftstätigkeit kredenzt wurden.
Was die Glaubwürdigkeit ihrer unternehmerischen Absichten anging, vermochten die Antragsteller offenbar auch über einen Businessplan zu überzeugen: Der ausgefeilteste, der ihr in ihrer Funktion vorgelegt worden sei, bekannte die Verwaltungsangestellte. Dennoch kamen anscheinend Zweifel auf, als die auf Grundlage von Paragraf 21 (zum Zweck selbstständiger Tätigkeit) erteilten Aufenthaltstitel verlängert werden sollten. Ein Nachfolger des ins Zwielicht geratenen Fachgebietsleiters erkannte Diskrepanzen zwischen vollmundig formulierten Geschäftszielen und tatsächlichen Aktivitäten. Die Frage, inwieweit möglichen Unstimmigkeiten nachgegangen wurde, könnte Gegenstand des nächsten Verhandlungstermins sein.