Bundeskanzler Friedrich Merz' Stadtbild-Aussage: Reaktionen aus dem Kreis Cuxhaven
Ein Satz des Bundeskanzlers Friedrich Merz über Migration und das Stadtbild entfacht Diskussionen - von Berlin bis Cuxhaven. Vor Ort betonen Politikerinnen und Politiker, wie wichtig Zusammenhalt, Integration und gegenseitiger Respekt sind.
Die Frage, wie Migration das öffentliche Stadtbild beeinflusst, sorgt bundesweit für Diskussionen. Am 14. Oktober 2025 äußerte sich Bundeskanzler Friedrich Merz in Potsdam dazu.
"Bei der Migration sind wir sehr weit. Wir haben in dieser Bundesregierung die Zahlen August 24, August 25 im Vergleich um 60 Prozent nach unten gebracht, aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen. Das muss beibehalten werden, das ist in der Koalition verabredet." (Zitat im Wortlaut)
Auf Nachfrage, wie er dies gemeint habe, antwortete er: "Fragen Sie mal ihre Töchter." Später konkretisierte Merz, dass es um Menschen gehe, die keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus hätten, nicht arbeiteten und sich "auch nicht an unsere Regeln halten". Diese würden teilweise das öffentliche Bild in Städten, etwa an Bahnhöfen, Parkanlagen oder ganzen Stadtteilen bestimmen und auch der Polizei große Probleme machen.
Äußerungen lösten Debatte aus
Seine Äußerungen lösten eine breite öffentliche Debatte aus. Auch aus den eigenen Reihen erntete er nicht nur Zuspruch. In Berlin gingen Tausende auf die Straße, um zu protestieren. Zudem startete die Online-Petition "Wir sind die Töchter", die innerhalb von 24 Stunden rund 100.000 Unterschriften sammelte. Merz wies die Kritik zurück und erklärte: "Ich habe gar nichts zurückzunehmen." Er betonte die Notwendigkeit von Einwanderung für den Arbeitsmarkt und bezeichnete Menschen mit Migrationshintergrund als "unverzichtbaren Bestandteil unseres Arbeitsmarktes".

Lokale Perspektiven aus Land Hadeln
Frank Thielebeule (SPD), Samtgemeindebürgermeister (Land Hadeln) merkte an, dass Merz ja für eine sehr scharfe Rhetorik bekannt sei, er die Aussagen sehr wohl zu interpretieren wisse und seinen Sprachgebrauch nicht weiter kommentieren möchte. "Wenn ich diese Stadtbild-Aussage aber auf die Mitgliedsgemeinden der Samtgemeinde Land Hadeln beziehe, muss ich sagen, dass ich in allen 14 Mitgliedsgemeinden Gemeinschaften wahrnehme, dass sie geprägt sind von Gemeinsinn und Zusammenhalt, Toleranz und Vielfalt sowie Würde gegenüber allen zu uns Geflüchteten. Eine Problematik auf unserer Ebene erkenne ich also nicht."
Wenn Herr Merz den Kommunen allerdings etwas Gutes tun möchte, würde Frank Thielebeule sich freuen, wenn die Kommunen finanziell stärker entlastet würden, um so die Selbstständigkeit der kommunalen Ebene zu stärken und so befähigt zu sein, auch mit den vom Bundeskanzler gemeinten Problemlagen besser umzugehen. "Insbesondere Sprache, Bildung und Betreuung sind Schlüsselmerkmale für eine bessere Integration und ein gelingendes Miteinander."

Auch die erste Samtgemeinderätin (Land Hadeln), Irene Wischhusen, machte deutlich, dass die Situation in der Samtgemeinde nicht mit der in städtischen Ballungszentren zu vergleichen sei. "Die Gründe sind oft vielschichtig und können aus meiner Sicht nicht nur auf das Aussehen reduziert werden. Es wäre gut, wenn wir hier zu einer sachlichen Diskussion kommen und gleichwohl auch Maßnahmen zum Tragen kommen, die ein friedliches und integriertes Miteinander gewährleisten", so Wischhusen.

Patrick Pawlowski (CDU) Bürgermeister der Wingst, schob eins vorweg: "In der beschaulichen Wingst kennen wir die besagten Probleme nicht. Das liegt zum einen an den gefestigten dörflichen Strukturen, aber insbesondere an einem professionellen und vordergründig sehr aktiven ehrenamtlichen Netzwerk in der Begleitung von Migranten." Das bedeute aber nicht, dass die Äußerungen des Bundeskanzlers automatisch falsch seien. "Er zielt schließlich auf die Probleme in Ballungszentren ab, in denen es vielleicht nicht so einfach ist, negative Einflüsse der Migration abzufangen. Ich finde, es muss auch erlaubt sein, negative Auswirkungen beim Namen zu benennen, ohne gleich einen Sturm der Entrüstung zu ernten." Pawlowski hat den Eindruck, dass sich leider schnell die falschen, nicht gemeinten und gut integrierten Gruppen angesprochen fühlen. Zudem gebe es Gruppen, die die Äußerungen missverstanden haben, und andere, die sie wohl absichtlich falsch verstehen.
"Ich glaube, der Kanzler hat verdeutlicht, wen er gemeint hat und wen nicht." Persönlich fügte er hinzu, dass sich das Sicherheitsgefühl zu gewissen Zeiten selbst im nicht weit entfernten und recht überschaubaren Bahnhofsbereich in Stade verschlechtert hätte. "Es ist aber auch klar, dass eine deutliche Minderheit ein schlechtes Licht auf viele sich korrekt verhaltende Menschen wirft."

Cuxhaven setzt auf ein gelebtes Miteinander
Oberbürgermeister Uwe Santjer (SPD) wies darauf hin, dass das Herausgreifen einzelner Aussagen Spannungen verstärke. "Meine Aufgabe ist es, den Zusammenhalt in der Stadt Cuxhaven zu stärken und den respektvollen Umgang miteinander zu fördern", betonte er.
Bürgermeister Marc Gerdes (SPD) betonte, dass er naturgemäß als Sozialdemokrat viele Ansichten von Merz nicht teile. Er hält es nicht für zielführend, auf einzelne zugespitzte Aussagen aus der Bundespolitik mit Gegenpositionen zu reagieren. Solche Debatten würden die gesellschaftlichen Gräben weiter vertiefen. Cuxhaven lebt vom gelebten Miteinander, so Gerdes. "Integration fördern, Chancen schaffen und auf Augenhöhe miteinander umgehen. Pauschale Urteile oder Schuldzuweisungen helfen da nicht weiter - sie gefährden das Miteinander in unserer Stadt", so Gerdes.

Lüdingworths Ortsbürgermeister Thomas Brunken kämpfte von 2008 bis 2010 selbst für ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht einer "toll integrierten Familie in Lüdingworth" die abgeschoben werden sollte. In Cuxhaven gebe es sehr viele Menschen, die positiv zur Stadtentwicklung, Wirtschaft und kulturellen Vielfalt beitragen.
Richtig sei aber auch, dass es große Probleme insbesondere um die Herausforderungen von irregulärer Migration gebe. Diese müsse man ansprechen dürfen, ohne sofort in die rechte Ecke gestellt zu werden. In Großstädten gebe es große Probleme mit irregulärer Migration und jungen Männern. Integration müsse von denen kommen, die nach Deutschland kommen oder hier leben, nicht nur vom Staat. "Wir haben ein Grundgesetz und kulturelle Werte, in die man sich integrieren muss. Wer das nicht möchte, kann gehen."

"Worte können verbinden - oder spalten"
Christine Babacé (Bündnis 90/Die Grünen), Bürgermeisterin von Cuxhaven, zeigte sich tief erschüttert von Merz' Äußerungen. Ihrer Ansicht nach verletzen die Aussagen Menschen, die täglich zeigen, "was gelebte Integration bedeutet". Sie betonte: "Cuxhaven ist eine Stadt des Zusammenhalts. Hier leben Menschen unterschiedlicher Herkunft friedlich miteinander, sie arbeiten, engagieren sich in Vereinen, erziehen ihre Kinder und tragen dazu bei, dass unsere Stadt stark und lebenswert bleibt."
Babacé warnte davor, dass pauschale und abwertende Aussagen das Vertrauen in die Gesellschaft untergraben. "Worte können verbinden - oder spalten. Wenn führende Politiker Begriffe und Denkweisen übernehmen, die an die Sprache der AfD erinnern, dann ist das gefährlich. Es schwächt unsere Demokratie und stärkt die Kräfte, die sie spalten wollen", so die Bürgermeisterin. Sie stellte klar, dass sie fest an der Seite all jener stehe, "die sich in unsere Gesellschaft eingebracht und unsere Gemeinschaft bereichert haben. "Cuxhaven steht für Respekt, Vielfalt und Zusammenhalt - und dafür werde ich mich weiter mit aller Kraft einsetzen."