
Der Otterndorfer Stadtschreiber Palu und sein Traum vom eigenen Buch
Daniel E. Palu ist Stadtschreiber 2023 in Otterndorf. Im dritten Kolumnenteil verrät der Schriftsteller, wie er zum Schreiben kam, wer ihn inspiriert und wer ihn motiviert.
"Wie wird man eigentlich Stadtschreiber von Otterndorf?", ist eine der meistgestellten Fragen der letzten Wochen. Immer wieder erzähle ich dann vom Auswahlprozess, dem man sich überhaupt nur stellen darf, wenn man bereits ein Buch veröffentlicht hat. Und ein neues Projekt in Arbeit, denn als Stadtschreiber soll man hier ein Buch verwirklichen - und nicht bezahlten Urlaub machen, auch wenn das bei all den verlockenden Ablenkungen sehr reizvoll wäre.
Fast immer kommt dann von den Fragestellern der Kommentar: "Ach, ich wollte ja auch schon immer ein Buch schreiben." Und damit sind sie nicht allein. Einer repräsentativen Umfrage zufolge träumt jede und jeder Dritte hierzulande davon, ein eigenes Buch zu schreiben. Aber wie kann der Traum vom eigenen Buch gelingen? Dieser Frage gehe ich in diesem Jahr auch auf dem "Kulturstrand Otterndorf" nach. Am 12. August spreche ich mit der Lektorin Stefanie Rahnfeld darüber, wie aus einer Idee ein Buch werden kann.
Bei mir fing es damit an, dass ich schon als Kind alles gelesen habe, was mir in die Finger kam. Meine Eltern kamen gar nicht hinterher, Nachschub zu organisieren. Also fing ich an, deren Bücher zu lesen, obwohl ich dafür eigentlich zu jung war. Salingers "Fänger im Roggen" las ich mit elf, Hesses "Narziss und Goldmund" mit dreizehn. Später las ich "Die Welt ist so, wie man sie sieht" von Friedrich Dönhoff und verliebte mich beim Lesen in dessen Großtante, Marion Gräfin Dönhoff. Sie war sowohl Mitbegründerin als auch Mitherausgeberin der Wochenzeitung Die Zeit und eine der bedeutendsten Publizistinnen der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte. Ihr Humor, ihre Streitlust und Neugierde sind in jeder Zeile dieses Buchs spürbar. Auch dann, wenn sie über ihre ostpreußische Heimat erzählt. Ich habe das Buch oft gelesen, noch öfter verschenkt und es während einer Island-Umrundung noch einmal als Hörbuch gehört, eingelesen vom Autor. Deshalb werde ich bei der "Otterndorfer Nacht der Kultur" am 25. August im Johann-Heinrich-Voß-Literaturmuseum unter anderem auch meine Lieblingsstellen daraus lesen.
Mischung aus Lokalkolorit und anspruchsvollen Themen
Später, als Friedrich Dönhoff Kriminalromane schrieb, die in Hamburg spielten, war nicht nur mein Interesse als Leser geweckt, sondern auch mein professioneller Wissensdurst. Wenn ich jemals meinen Traum vom Buch verwirklichen würde, dann so wie Dönhoff es in seinen Kriminalromanen tat: mit einer Mischung aus Lokalkolorit und anspruchsvollen Themen, spannend und ohne exzessive Gewalt.
Vor einigen Jahren sah ich ihn in einem Hamburger Café sitzen. In neun von zehn Fällen hätte ich nicht im Traum daran gedacht, ihn aus seiner Zeitungslektüre zu reißen. Ich sprach ihn an, ohne groß zu überlegen. Er bat mir den anderen Platz an seinem Tisch an. Und als ich das nächste Mal auf die Uhr sah, waren sechs Stunden vergangen. Seitdem treffen wir uns regelmäßig. Falls der Rowohlt-Verlag den Titelvorschlag für meine neue Krimireihe übernimmt, die im Frühjahr nächsten Jahres erscheinen wird und deren Auftakt ich aktuell hier in Otterndorf zu Ende schreibe, dann geht das auch auf das Konto von Friedrich Dönhoff. Denn der Titel entstand in einem gemeinsamen Gespräch.
Warum ich Ihnen das erzähle: Wer ein Buch schreiben will, sollte viel gelesen haben, wissen, was für ein Buch er oder sie schreiben möchte und sich mit Menschen austauschen, die diese Leidenschaft teilen. Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich gleich zwei solcher Menschen in meinem Leben habe. Neben Friedrich Dönhoff ist das vor allem meine Freundin Meike Werkmeister. Mit ihr teilte ich jahrelang den Traum vom eigenen Buch. Ihr erstes Manuskript ist nie erschienen. Das zweite wurde immerhin als E-Book veröffentlicht. Weitere Ideen landeten unveröffentlicht in der Schublade. Bis sie die richtige Agentin fand, die an sie und ihre neue Buch-Idee glaubte. Ihr Roman "Sterne sieht man nur im Dunkeln" wurde ein Riesenerfolg. Seitdem schreibt sie jedes Jahr mindestens einen Roman, und jeder, wirklich jeder, stürmt auf die vordersten Plätze der Spiegel-Bestsellerliste.
Meike ist es, die mich bestärkt hat, meinen Traum vom eigenen Buch nicht aufzugeben. Denn zwischenzeitlich hatte ich mich entmutigen lassen von den Rückmeldungen der Verlage, denen meine Idee entweder zu humorvoll war oder zu politisch - oder beides. Bis ich entschied, einfach das Buch zu schreiben, das mir seit fast zehn Jahren durch den Kopf waberte. Nur so konnte ich mich neben einem Vollzeitjob dazu aufraffen, Zeit zu investieren, statt in Hamburg am Elbstrand zu sitzen oder mit Freunden ins Kino zu gehen. Meike hatte ich bei diesem langwierigen Prozess immer an meiner Seite. Ohne sie hätte es Hauptkommissar Berlotti nicht gegeben, beide Bücher wären nicht erschienen und ich wäre heute nicht Stadtschreiber von Otterndorf.
Schreiben Sie Ihr Buch, wenn Sie diesen Traum hegen
Also: Schreiben Sie Ihr Buch, wenn Sie diesen Traum hegen. Aber schreiben Sie es für sich selbst, nicht, um reich und berühmt zu werden. Letzteres können Sie nicht beeinflussen. Das Gefühl, den eigenen Traum verwirklicht zu haben, lässt sich mit Geld ohnehin nicht aufwiegen. Meike Werkmeister können Sie übrigens in diesem Jahr auf dem "Kulturstrand Otterndorf" erleben - völlig kostenlos. Sie liest dort am 12. August aus ihrem aktuellen Spiegel-Bestseller "Am Horizont wartet die Sonne", einem wunderbaren Sommerroman. Niemand erzählt Geschichten über Familie, die Liebe und das Meer schöner und leichter als sie. Und wer weiß: Vielleicht fühlt sich Meike in Otterndorf so wohl, dass sie ihr nächstes Buch hier spielen lässt? Denn vier ihrer sechs bisher erschienenen Liebesromane sind an der Nordsee angesiedelt. Zum Verlieben taugt Otterndorf allemal.