"Darauf können sich alle freuen": Ferlemann blickt nach Abschied aus Bundestag voraus
Die Zeit von Enak Ferlemann (CDU) im Bundestag neigt sich dem Ende entgegen - nach über 20 Jahren als Abgeordneter. Zum Abschied blickt er zurück, erklärt, was sich verändert hat und wie es für ihn weitergehen wird.
Über 20 Jahre lang gehörte der CDU-Politiker Enak Ferlemann dem Bundestag als Abgeordneter an. Auf eine erneute Kandidatur hatte er verzichtet. Über seine Zeit und Arbeit in Berlin sprach NEZ/CN-Redakteur Egbert Schröder mit dem Cuxhavener.
Die letzten beiden Bundestagssitzungen in Berlin hatten ja schon eine ganz besondere Note. Wie haben Sie diese Sitzungen zum Abschluss Ihrer Bundestagstätigkeit erlebt?
Es herrschte bei der vorletzten Sitzung eine sehr aufgeheizte Stimmung. Es gab eine mehrstündige Sitzungsunterbrechung, weil zwischen und in den Fraktionen intensiv gesprochen und verhandelt wurde. Da kam auch schon zügig die Ansage "Sagt alle eure Abendtermine ab, weil es heute länger dauert". Das war eine außergewöhnliche Sitzung. Die letzte Bundestagssitzung war da etwas entspannter. Ich habe es noch mal genossen, die Debatten zu verfolgen und auch die Abschiedsworte der Bundestagspräsidentin zum Abschluss der Wahlperiode zu hören.
War Wehmut dabei?
Nein, eigentlich nicht. Ich habe ja selbst bestimmt, dass ich nicht erneut für den Bundestag kandidiere.
Können Sie sich noch an Ihre erste Rede im Parlament erinnern?
Nein.
Wie hat sich die Debattenkultur im Parlament verändert? Die vorletzte Sitzung des Bundestages war für einen Zuhörer oder Zuschauer ja schon grenzwertig.
Die Debattenkultur hat sich durch den Einzug der AfD in den Bundestag völlig verändert. Es ist eine Gruppierung, mit der alle anderen Fraktionen im Parlament nichts zu tun haben wollen. Die sind sehr häufig neben der Spur mit ihren teilweise abstrusen Argumenten. Noch schlimmer sind aber die, die aus der AfD ausgetreten sind und dann hier im Parlament noch Reden schwingen. Die Debattenkultur ist insgesamt aggressiver geworden und auch menschlich verletzender.

Hat vorwiegend die AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel den Ton verschärft?
Da würde ich mal eher den "Kollegen" Stephan Brandner nennen; für mich ein Brandstifter. Das sind Leute, die eine große Schärfe in die Diskussion hineinbringen. Das kann man schwer ertragen, was er oder auch ein Herr Curio oder eine Frau von Storch von der AfD bringen. Da werden bewusst Ordnungsrufe einkalkuliert, um Stimmung zu machen, aufzufallen und sich für eigene Online-Auftritte dabei auch noch von Fraktionskollegen filmen zu lassen. Ein Unding. Als ich als Abgeordneter begann, war es sachlich manchmal hart, aber menschlich nicht verletzend oder beleidigend. Das politische Klima ist aufgeheizter geworden. Daran hat man sich mittlerweile gewöhnen müssen - leider.
Sie haben in ihrer politischen Laufbahn ja nun schon einige Spitzenpolitiker und -politikerinnen erlebt. Wer hat Sie rückblickend gerade als junger Abgeordneter besonders geprägt oder beeindruckt? Wer sind die "Top 3"?
Meine politischen Vorbilder sind bis heute der ehemalige niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht und der langjährige niedersächsische CDU-Chef Wilfried Hasselmann. Die beiden haben mich bei meinem Eintritt in die Politik sehr geprägt und gefördert. Hier in Berlin waren es der ehemalige CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder und Peter Ramsauer als mein erster Verkehrsminister, aber auch Thomas de Mazière. Bei ihm wusste man, dass man sich immer auch in harten Debatten auf ihn verlassen konnte.
Und die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel?
Sie hatte natürlich eine ganz andere Position. Ohne sie wäre ich ja auch nicht zum Parlamentarischen Staatssekretär berufen worden.

Womit wir bei einem anderen Thema wären. Sie haben als Parlamentarischer Staatssekretär für vier Verkehrsminister gearbeitet. Die Bahn befindet sich aus Sicht vieler Nutzer und in der öffentlichen Wahrnehmung in einem desolaten Zustand. Was ist da schiefgelaufen? Schließlich waren Sie für die Bahn zuständig. Haben Sie Ihren Job nicht richtig erledigt?
Man hat doch die Position des Bahnbeauftragten extra geschaffen, da die Probleme bekannt waren und sind. Ich war der Erste, der jemals diese Position wahrgenommen hat. Die Probleme waren zuvor im Alltagsgeschäft des Ministeriums untergegangen. Ich nehme für mich in Anspruch, dass wir ein tolles Konzept mit dem "Deutschlandtakt" aufgelegt und umgesetzt haben. Ich denke, dass wir damit eine Erfolgsgeschichte geschrieben haben. Aber Fakt ist auch: Das System ist inzwischen völlig überfordert. Es wird viel zu viel Verkehr auf dem Netz gefahren. Es gibt immer mehr Züge und kürzere Takte. Das gibt die vorhandene Infrastruktur nicht her. Man überfordert das System.
Aber es ist doch der erklärte Wille, die Bahn als Verkehrsträger in Anspruch zu nehmen und nehmen zu können.
Ja, natürlich. Aber wenn man das will, muss man eben auch eine entsprechende Infrastruktur haben. Und daran hapert es. Über die vorhandene Infrastruktur kann man eben nur ein begrenztes Maß an Verkehr laufen lassen, wenn er verlässlich und gut sein soll. Das Netz hat sicherlich Schwächen, aber da reden wir dann auch über fehlendes Personal, nicht adäquat besetzte Stellwerke oder zeitlich verzögerte Bereitstellungen von Zügen. Vieles ist bereinigt, aber leider ist das System eben - wie schon erwähnt - überfordert. Und das hat der Vorstand der DB zugelassen. Die Verlässlichkeit der Bahn ist durch die Überlastung leider in den Augen der Bürger nicht mehr gegeben. Das "Deutschlandticket" ist ja gut und schön, aber man hat dabei den dritten vor dem ersten Schritt getan. Oder nehmen wir nur einmal als Beispiel die halbstündige Taktung der Fahrten zwischen Berlin und Hamburg: Das ist doch gar nicht erforderlich. Dafür ist aber nicht die Politik, sondern der DB-Vorstand verantwortlich. Man muss das System vom Kopf auf die Füße stellen.
Sie beenden Ihre Arbeit in Berlin und wollen sich verstärkt der Kommunalpolitik in der Region widmen. Worauf können sich Ihre Parteifreunde freuen und was müssen die politischen Mitbewerber befürchten?
Natürlich wird es meinerseits eine deutlich höhere Präsenz in den Gremien des Stadtrates und des Kreistages geben. Da werde ich sicherlich mehr in die Debatten und Abläufe eingreifen, da ich zeitlich nun nicht mehr in Berlin gebunden bin. Damit muss man rechnen. Zudem bin ich ja auch noch Kreis- und Bezirksvorsitzender der CDU.
Also satt sind Sie in Sachen Politik noch nicht und setzen sich jetzt in den Ohrensessel?
Natürlich nicht. Ich bin und bleibe durch und durch ein politischer Mensch. Die "Profi-Politik" endet jetzt, aber meine große Leidenschaft ist und bleibt die Kommunalpolitik. Darauf können sich alle freuen - oder eben auch nicht …