
Friedhofskapellen vor dem Aus: Warum die Börde Lamstedt Standorte aufgeben will
Wenn Emotionen ins Spiel kommen, gelten in der Politik andere Spielregeln, als der Blick auf die Finanzen. So auch in der Börde Lamstedt: Dort hat die Verwaltung vorgeschlagen, in vier von zehn Friedhofskapellen nicht mehr zu investieren.
Die Überprüfung der Friedhofskapellen-Struktur ist Mitte Januar seitens der Verwaltung geschehen - und zwar bei einer Friedhofsbereisung, um festzustellen, wo ein kurz-, mittel- oder langfristiger Bedarf bei der Sanierung der insgesamt zehn kommunalen Friedhofskappeln besteht. Das Ergebnis: Die Palette der bevorstehenden Investitionen in Armstorf, Hollen, Lamstedt, Hackemühlen/Wohlenbeck, Nindorf, Mittelstenahe, Nordahn, Varrel, Stinstedt und Moorausmoor summiert sich insgesamt auf mehr als 350.000 Euro.
Kaum genutzt, aber hohe Kosten
Die Nutzungstage der Kapellen sind - ähnlich wie bei den Sanierungskosten - äußerst unterschiedlich. In Lamstedt waren es im vergangenen Jahr zwölf Fälle, in denen die Kapelle in Anspruch genommen wurde; in Stinstedt gab es gerade einmal einen Fall für eine Trauerfeier. Völlig unterschiedlich ist auch der Sanierungsbedarf. In Lamstedt stehen rund 67.500 Euro zu Buche, in Nindorf sind es 18.600 Euro und in Nordahn 6000 Euro. Dabei geht es unter anderem um die Erneuerung von Fenstern und Türen, die Dächer, die Elektroinstallation oder auch um Malerarbeiten.
Aber wer springt dafür finanziell ein - bei einem prognostizierten Gesamtvolumen von über 350.000 Euro? Klare Antwort der Verwaltung: "Die Kosten der Kapellen sind über die Nutzungsgebühren zu erwirtschaften. Durch die Investition in den nächsten Jahren in die Kapellen werden deutlich höhere Kosten auf die zum Teil sehr geringe Anzahl an Nutzern umzulegen sein", steht in einer Vorlage für den Samtgemeinderat.
Andere Bestattungskultur
Bekanntlich hat sich die Bestattungskultur geändert. Auf vielen Friedhöfen sind etliche Grabstellen abgeräumt worden und es wird zunehmend auf andere Möglichkeiten - wie Urnengräber, Ruheforste oder Seebestattungen - gesetzt. Doch die Kosten für die Kommunen, Friedhofsgemeinschaften oder Kirchen für die Pflege eines Areals bleiben.
Die Ausgaben für die Kapellen sind über die Nutzungsgebühren zu erwirtschaften. Die Börde-Verwaltung: "Durch die Investition in den nächsten Jahren in die Kapellen werden deutlich höhere Kosten auf die zum Teil sehr geringe Anzahl an Nutzern umzulegen sein. Um diesem Trend entgegenzuwirken, ist es notwendig, die Anzahl an Kapellen zu reduzieren, um anstehende Kosten zu begrenzen, die von den Nutzern zu tragen wären. Auch kann hiermit einer geänderten Bestattungskultur Rechnung getragen werden, da immer mehr Bürger sich für eine alternative Trauerfeier entscheiden. Die deutlich angespanntere Haushaltslage der letzten Jahre sowie der zukünftig zu erwartenden Jahre lässt auch nicht zu, dass die Samtgemeinde freiwillig Kosten von Kapellen trägt. Aus den vorgenannten Gründen wird die bauliche Unterhaltung für alle Standorte als künftig nicht weiter möglich eingeschätzt. Vorgeschlagen wird verwaltungsseitig, je 1000 Einwohner einen Kapellenstandort vorzuhalten."
Sechs statt zehn Standorte?
Und die Verwaltung unterbreitet einen Vorschlag, der im politischen Raum umstritten ist: Vier der bisherigen zehn Kapellen-Standorte sollen entfallen. Konkret werden Orte und Ortschaften nicht genannt, aber zur Kostenreduzierung steht dieser Vorschlag im Raum. Eine Schließung von vier Kapellen sollte demnach bereits zum 1. Januar erfolgen, "um weitere Kosten zu begrenzen". Ein Rückbau "der aus der Nutzung zu nehmenden Kapellen ist vorerst nicht geplant", heißt es weiter.
Ein weiterer Punkt in dieser Diskussion: die deutliche Diskrepanz zwischen den Gebühren für die Nutzung der Friedhofskapellen: Diese reicht von 150 Euro in Nindorf bis 710 Euro in Nordahn. Die Verwaltung schlägt eine einheitliche Gebühr von 285 Euro für alle Kapellen vor.
Das ging den Mitgliedern im Samtgemeinderat bei der Vorgehensweise dann doch etwa zu schnell, Heino Klintworth zeigte sich "überrascht" angesichts der konkreten Vorschläge und forderte angesichts der auch emotionalen Seite der Diskussion, die Bürgerinnen und Bürger stärker einzubinden. Axel Quast sah das ähnlich: "Wir dürfen den Bürger nicht vor den Kopf stoßen." Daher ist jetzt ein mehrstufiges Verfahren mit der Gründung eines Arbeitskreises vereinbart worden, um vielleicht zum Jahresende eine Lösung präsentieren zu können. Wie die aussehen könnte? Noch völlig ungewiss.
Springer: "Kompromissvorschlag"
Verwaltungschef Frank Springer wehrte sich allerdings gegen die Kritik, dass die Politik von dem Verwaltungsvorschlag angeblich "überrascht" worden sei. Schließlich sei der Anstoß aus dem Samtgemeinderat selbst gekommen. Ein halbes Jahr später liege nun ein Konzept vor: "Es handelt sich um einen Kompromissvorschlag." Erst einmal werde es keine Veränderungen geben. Was später passiert? "Darüber entscheidet die Politik", so Springer und spielte dabei den Ball ins Feld des Samtgemeinderates zurück.