
Votum ohne Wert? Irritation nach Abstimmung in Lamstedt
Die Börde Lamstedt soll eigentlich politisch eine "Einheitsgemeinde" werden. So der Plan. Doch es gibt Probleme. Hinter einem Votum des Lamstedter Gemeinderates stehen dicke Fragezeichen. Zerbröselt das ambitionierte Projekt in seine Einzelteile?
Mit dem Begriff "historisch" sollte man bekanntlich sparsam umgehen. Doch in dieser Woche geschah tatsächlich etwas Historisches: Der Rat der Gemeinde Lamstedt stimmte dafür, politisch und verwaltungstechnisch die gesamte Börde Lamstedt mit den übrigen Mitgliedsgemeinden in einer"Einheitsgemeinde" aufgehen zu lassen. Damit schaffte sich der Gemeinderat mittelfristig quasi selbst ab. Oder doch nicht? Am Tag nach der Abstimmung wurden Zweifel an der formalen Rechtmäßigkeit der Abstimmung laut.
"Strukturveränderung" - dieser Begriff schwebt - wie ausführlich berichtet - über dem Prozess der Entscheidungsfindung der Politik in der Samtgemeinde Börde Lamstedt sowie in den Mitgliedsgemeinden Lamstedt, Armstorf, Hollnseth, Mittelstenahe und Stinstedt. Bislang sind diese Kommunen noch selbstständig unter dem Dach einer Samtgemeinde unterwegs. Hinsichtlich der Auf- und Ausgaben gibt es zwischen Gemeinden und Samtgemeinde zahlreiche Verflechtungen, die ein Außenstehender oft nur schwer erkennen kann. Wie ein roter Faden verbindet die Kommunen aber die Existenz einer mehr oder minder ausgeprägten Finanznot.
Um die Schlagkraft eines solchen kommunalen Konstruktes zu erhöhen, Verwaltungsabläufe zu verschlanken und zusätzliche Finanzmittel - zum Beispiel für die Sanierung des Schwimmbades "Lambada" - zu generieren, verfolgt der neue und parteilose Samtgemeindebürgermeister Frank Springer einen klaren Kurs hin zu einer Einheitsgemeinde. Diese Vorgehensweise ist ist mit Kreis und Land und auch in Gesprächen mit führenden Börde-Politikern eigentlich weitgehend abgesteckt.
Plötzlich gibt es
Sand im Getriebe
In diesen Tagen erfolgt jedoch der Praxis- und Belastungstest: Wie reagieren die einzelnen Räte in den Mitgliedsgemeinden, bevor dann - so jedenfalls der eigentliche Fahrplan - der Samtgemeinderat eine Empfehlung für die Einheitsgemeinde ausspricht? Noch vor Weihnachten sollten die Vorbereitungen eigentlich abgeschlossen sein. Doch jetzt gibt es reichlich Sand im Getriebe.
Aus der Deckung sollte sich mit einem Ja oder Nein zur Einheitsgemeinde eigentlich der Hollnsether Gemeinderat in der vergangenen Woche wagen. Doch dort ist die Entscheidung vertagt worden. Dadurch lag der Ball am Montagabend im Feld des Rates der Gemeinde Lamstedt. Die Gemeinde galt jahrzehntelang als leistungsstarker Motor der Samtgemeinde.
Eben in dieser Gemeinde sollte der Rat die Marschroute vorgeben, ob der Daumen für eine Einheitsgemeinde nach oben gerichtet ist oder sich senkt. Am Montagabend um 21.21 Uhr gab Bürgermeister Manfred Knust dann das Ergebnis einer geheimen Abstimmung über die "Umwandlung der Samtgemeinde Börde Lamstedt in eine Einheitsgemeinde" bekannt: 10 Ratsmitglieder votierten dafür; es gab vier Gegenstimmen.
Abstimmung: Jetzt
geht es um Formalien
Doch das Aufatmen bei den Befürwortern einer Einheitsgemeinde war nur von kurzer Dauer. Denn am nächsten Tag wurden Zweifel laut, ob es formal eigentlich eine korrekte Abstimmung war. Der Grund: die eigene Geschäftsordnung des Rates. Darin ist in dem Paragrafen 8 folgender Passus verankert: "Auf Verlangen von mindestens einem Drittel der anwesenden Ratsmitglieder ist offen unter Namensnennung oder geheim mit Stimmzetteln abzustimmen. Ein Verlangen nach geheimer Abstimmung ist vorrangig vor einem Verlangen nach namentlicher Abstimmung zu behandeln."
Doch "ein Drittel" hat gar nicht eine geheime Abstimmung beantragt, sondern nur das Ratsmitglied Jan Bornemann. Eine Bagatelle? Kann sein, muss aber nicht: Es wäre wahrlich nicht das erste Mal, dass eine solche Abstimmung aus formalen Gründen wiederholt werden müsste. "Wir werden das verwaltungsseitig prüfen", erklärte am Dienstag ein überraschter Samtgemeindebürgermeister und Verwaltungschef Frank Springer auf Nachfrage unserer Redaktion.
Ob das - und eventuell eine neue Abstimmung - aber überhaupt noch notwendig sein werden, zeigt sich spätestens in der kommenden Woche. Dann stehen Ratssitzungen in Armstorf (Montag), Stinstedt (Dienstag) und Mittelstenahe (Donnerstag) an. Eine Zustimmung zur Einheitsgemeinde ist dort - ebenso wie in Hollnseth - alles andere als sicher. Möglicherweise kann mit der Abstimmung am Montagabend in Armstorf das Kapitel schon wieder geschlossen werden, ohne dass es in der Börde eigentlich geöffnet worden ist. Das "Einheitsprojekt" wäre dann Geschichte.