
Nach Inferno im Kreis Stade: Nachbar verhindert eine noch größere Brandkatastrophe
Es ist eine Nacht, die Dollern nicht vergessen wird. Als ein Anwohner in den frühen Morgenstunden erwacht, sieht er, wie sich ein Feuer über die Straße frisst. Ohne zu zögern alarmiert er die Feuerwehr und rennt los - um Nachbarn zu warnen.
Es ist Mittwochabend, und das Inferno naht. Uwe Edeler ist in seinem Dollerner Wohnhaus vor dem Fernseher auf dem Sofa eingeschlafen. Kurz nach Mitternacht wacht er auf. Er will sein TV-Gerät ausschalten, blickt durch das Fenster und sieht Flammen aus dem Fachwerkhaus auf der gegenüberliegenden Straßenseite schlagen.
Edeler wählt sofort den Notruf. Sein Herz pocht. "Ich war ein bisschen aufgeregt", sagt der Imker. Er rennt los und klopft an Türen und Fenster des reetgedeckten Nachbarhauses. Ein vorbeifahrender Golf hält an, die Insassen helfen ihm, die Bewohner zu wecken. Gerade noch rechtzeitig habe die fünfköpfige Familie das Haus verlassen können, es wird kurze Zeit später auch in Flammen stehen.
Nachdem die Familie in Sicherheit ist, rennt Edeler weiter. Funken und brennendes Reet fliegen durch die Luft, und auch hier laufen ihm couragierte Nachbarn über den Weg. Sie helfen ihm, Lisa Tamcke in ihrem Reetdachhaus zu wecken. Ein Funkenregen geht auf das Dach nieder. Sie schnappen sich einen Gartenschlauch und löschen. Wenige Minuten später rücken die Feuerwehrleute vor und setzen immer wieder das Dach unter Wasser. Der Hof Tamcke mit dem Haupthaus von 1793/1850 wird gerettet.
Gemeindebrandmeister Torben Schulze ist voll des Lobes für Uwe Edeler: "Er hat sofort reagiert und damit nicht nur Menschenleben gerettet, sondern auch die umliegenden Häuser." Gleichwohl: Als Held sieht sich Edeler nicht: "Ich habe meine Bürgerpflicht getan, so wie es gute Nachbarn eben tun." Er lobt vielmehr die Dorfgemeinschaft.

An Tag zwei nach der Feuersbrunst blicken Uwe Edeler und seine Frau Anja am Freitag wehmütig auf die Ruinen. In der Dämmerung hätten sie von ihrer Terrasse regelmäßig eine Waldohreule beobachten können, die aus einer Öffnung des Fachwerksgiebels schaute. Das sogenannte Eulenloch diente vor Einführung des Schornsteins als Rauchabzug. Auch dieses Detail zeuge vom Alter des ortsbildprägenden Denkmals, das nach dem Großen Brand von 1793 errichtet wurde. Auch Edeler hofft, dass zumindest das kleine Fachwerkhaus wieder aufgebaut wird. Die schmucken Denkmäler prägen das Dorf.
Verletzter Feuerwehrmann hat Elbe Klinikum verlassen
Mehr als 200 Feuerwehrleute waren in der Nacht zu Donnerstag im Einsatz, unterstützt von DLRG und DRK. Schulze lobt die Einsatzkräfte: "Die Zusammenarbeit der Feuerwehren aus dem Landkreis Stade hat hervorragend funktioniert." Die gute Nachricht: Der verletzte Feuerwehrmann hat das Elbe Klinikum wieder verlassen können. Er hatte Brandverletzungen an der Hand erlitten. Die Hitze an der Brandstelle war enorm, erklärt Schulze. Die Schutzausrüstung half in diesem Fall nicht. Im Feuersturm platzten noch 50 Meter weiter die Scheiben der früheren Sparkasse.

Durch das gute Zusammenspiel sei die Wasserversorgung sehr schnell hergestellt worden. Der Schutz der umliegenden Häuser habe für ihn die Priorität gehabt, so Schulze - insbesondere der Schutz des Hofs Tamcke. Hier galt es, das Reet nass zu kriegen. "Zehn Minuten später, und es wäre ein drittes Reetdachhaus abgebrannt." Unter dem Strich seien in dieser Nacht "die richtigen Entscheidungen getroffen" worden.
Mobiler Wasserspeicher der Feuerwehr zahlt sich aus
Ausgezahlt habe sich auch die vorgezogene Beschaffung des mobilen Wasserspeichers. Dieser sollte eigentlich erst im kommenden Jahr mit dem neuen Mittleren Löschfahrzeug für Agathenburg kommen. Doch Schulze hatte Politik und Verwaltung überzeugen können, das 10.000-Liter-Reservoir vorher zu kaufen.
Dank der Neuanschaffung konnten Tanklöschfahrzeuge den Speicher auf der voll gesperrten B73 im Pendelverkehr füllen und das Hydrantennetz entlasten. Zusätzlich holten sie Wasser aus dem Buschteich. "Der Wasserbedarf ist bei diesen Brandlasten enorm", sagt Schulze.

Feuerwehrleute waren noch bis zum frühen Donnerstagabend mit Nachlöscharbeiten beschäftigt. Die Samtgemeinde Horneburg hat den Brandort mit Bauzäunen gesichert, die Brandermittler der Polizeiinspektion haben ihre Arbeit aufgenommen.
Die fünfköpfige Familie ist bei den Eltern im Alten Land aufgenommen worden. Ihr Vermieter wird ihnen ein Ersatzhaus im Dorf zur Verfügung stellen, sagt Samtgemeindebürgermeister Knut Willenbockel. Er dankt den Einsatzkräften, couragierten Nachbarn und Menschen, die der Familie beistehen.
Zwischenzeitlich hat Anna Möller-Bruhn aus Dollern ihr Ukrainehilfe-Netzwerk aktiviert und eine weitere Spendenaktion bei PayPal gestartet. Eine läuft seit Donnerstag bei gofundme und in der örtlichen Kita, um der Familie nach diesem schrecklichen Schicksalsschlag zu helfen.
Von Björn Vasel