MFG 3-Standort in Nordholz: "Das findet man nicht noch mal in der Bundeswehr"
In Nordholz spricht Kapitän zur See Matthias Potthoff von seiner tiefen Verbundenheit zum Standort. Besonders die Vielfalt der Waffensysteme, allen voran die Fluggeräte, fasziniert ihn - einzigartig in der Bundeswehr.
Wenn Matthias Potthoff über seine Zeit(en) in Nordholz erzählt, spricht aus ihm die tiefe Verbundenheit mit dem Standort. Besonderheiten? Da fallen ihm gleich mehrere ein, allen voran die Vielfalt der Waffensysteme - in diesem Fall Fluggeräte - an einem einzigen Platz. "So etwas finden Sie nicht noch einmal in der Bundeswehr." In unterschiedlichen Verwendungen begleitete er Meilensteine in der Entwicklung des Geschwaders, dem er heute noch - als Kommandeur des Marineunterstützungskommandos in Wilhelmshaven - dienstlich wie privat verbunden ist.
Nach den Besonderheiten des Standorts gefragt, fällt dem Kapitän zur See als erstes der Stellenwert für die ganze Region ein - als Motor und Antrieb für die gesamte Elbe-Weser-Region. Entsprechend groß falle die Unterstützung der umliegenden Gemeinden aus, die sich sehr um die Soldatinnen und Soldaten und deren Familien bemühten.
Besonders früh sei in Nordholz auch damit begonnen worden, sich zu öffnen und Ausbildungstage zusammen mit Dienststellen wie Polizei oder Feuerwehr zu organisieren. Unvergessen bleibe ihm der Aufbau des Aeronauticums, das sich zu einem einzigartigen Anziehungspunkt für Einheimische und Touristen entwickelt habe. Weitere Beispiele für die gelungene Zusammenarbeit militärischer und ziviler Stellen seien das Deichbrand-Festival und das Zusammenspiel mit der Privatfliegerei.
Nachfolgemodell kam aus den Niederlanden
Zu den prägendsten Ereignissen der Jahre zwischen 2004 und 2013, dem fünften Jahrzehnt der Geschwadergeschichte, gehörte die Außerdienststellung der Breguet Atlantic. "Deutschland konnte für 300 Millionen Euro - das war relativ wenig Geld - acht gebrauchte P 3C Orion von der niederländischen Marine übernehmen", erzählt Matthias Potthoff. Doch das ging nicht ohne Emotionen ab: "Die für die U-Jagd gebaute Breguet Atlantic war beliebt bei den Piloten. Das Flugverhalten der P3C - jetzt mit vier statt zwei Propellern - war komplett anders, auch wenn die Technik und Elektronik natürlich deutlich moderner waren."

Im laufenden Betrieb gelang es, ein Flugzeugmuster außer Dienst und das neue in Dienst zu stellen. "Wir haben gleichzeitig auf dem Platz die Simulatorlandschaft für die P3C Orion und für die Sea Lynx-Hubschrauber aufgebaut. Auch das war nicht selbstverständlich", erklärt Matthias Potthoff. Die Sea Lynx MK 88A sei das erste Luftfahrzeug gewesen, das mit einer elektronischen Dokumentation in die Bundeswehr eingeführt worden sei. "Daran hat selbst die Industrie gelernt. Das war echte Innovation."
Auch die maßgeblichen Vorbereitungen des MFG 5-Umzugs aus Kiel mit dem Hubschrauber "Sea King" fiel in die Zuständigkeit von Matthias Potthoff. "Dabei war sehr viel Skepsis zu überwinden. Kiel war ein beliebter Standort. Es hat lange gebraucht, bis hier eine neue Familie entstanden und Vertrauen aufgebaut worden ist." Gleichzeitig konnte er ein Versprechen einlösen: "Mit der Abgabe der Breguet Atlantic mussten in Nordholz Fachwerkstätten geschlossen werden. Das löste eine enorme Unsicherheit bei den Arbeitskräften aus." Potthoff sorgte dafür, dass viele dieser zivilen Angestellten für ein oder mehrere Jahre nach Kiel wechseln konnten - mit dem Versprechen, dass sie mit dem Umzug des Sea Kings aus Kiel nach Nordholz zurückkehren könnten.

Es war die Zeit, in der bundesweit Munitionsdepots abgebaut und Standorte geschlossen wurden. Dabei war die Bundeswehr längst in internationale Missionen eingebunden. Knapp drei Jahre fuhr Matthias Potthoff mit Fregatten zur See, um zusammen mit den Amerikanern die Einhaltung des Embargos im Jugoslawien-Krieg zu überwachen. "Im Schnitt waren das 286 Seetage im Jahr. Das bedeutete gerade mal vier bis sechs Wochen zu Hause...", erinnert er sich.
Die Operationen "Enduring Freedom" und die erstmals europäisch geführte Operation "Atalanta" führten ihn unter anderem 2008 für sechseinhalb Monate nach Dschibuti am Horn von Afrika, wo er als erster technischer Offizier auch als Befehlshaber agierte.

70 Grad und mehr an der Außenhaut
Stellten diese Einsätze unter extremen klimatischen Bedingungen nicht auch gerade für die Technik eine enorme Herausforderung dar? "Eine gute Frage", freut er sich. Denn das sei tatsächlich eines der größten Anliegen gewesen. "Wir haben unheimlich viel gelernt in dieser Zeit. Die Breguet und die P3 Orion hatten Riesenprobleme mit der Hitze. An der Außenhaut hatten wir Temperaturen von 70 Grad und mehr."
Das musste man wissen, wenn zum Beispiel die Metallleitern benutzt werden sollten. Von Handschuhen bis zu Schuhsohlen musste die gesamte Ausstattung angepasst werden. "Die Schläuche der Kühlaggregate waren einen halben bis einen Meter dick", erklärt Matthias Potthoff, "das Kühlen musste außerdem Stunden vorher passieren, bevor die Elektronik gestartet und die Mannschaften an Bord gelassen wurden." Ein weiteres Risiko stellte die Abrasion, der Abrieb der Rotoren und Propeller durch eingezogenen Wüstensand, dar.
Auch für die Menschen mussten Sonnenschutz-Lösungen her, ganz absehen von der weiteren Gesundheitsfürsorge: Malariaschutz, Impfungen, Ernährung, Unterbringung. Für die zehn Stunden dauernden Überwachungsflüge mussten die Besatzungsmitglieder fit sein. Das bedeutete: eigenes Hotel, eigenes Küchenpersonal, eigene Kühlkette. "Wir haben ins mit der Lufthansa und anderen Airlines über Hygienestandards und Lieferanten ausgetauscht und uns vor Ort die Vertragspartner gesucht. Da lernt man unglaublich." Hier und wie so oft zuvor und danach kam Matthias Potthoff oftmals sein Motto zugute: "Machbares machbar machen."