Vom Cuxland nach Cannes: Die Geschichte des Filmproduzenten Lasse Scharpen
Vom norddeutschen Cuxland zu den Filmfestspielen in Cannes - die beeindruckende Karriere des Filmproduzenten Lasse Scharpen zeigt, dass große Träume auch in kleinen Orten beginnen können.
Von einem kleinen Jungen aus dem Cuxland, der mit einer Kamera im Gemeindehaus Osten experimentierte, zu einem preisgekrönten Filmproduzenten in Berlin: Lasse Scharpen hat geschafft, wovon viele träumen. Heute produziert er mit seinem Team bei Studio Zentral Filme und Serien, die auf der ganzen Welt Beachtung finden - und manchmal denkt er dabei immer noch an die Deiche seiner Kindheit in Osten.
Als Kind zog Lasse Scharpen nach Osten in der Samtgemeinde Hemmoor, wo er seine gesamte Schulzeit verbrachte. "Die Deiche, die Nordsee und das flache Land fehlen mir schon", sagt er, wenn er heute an seine Heimat denkt. Schon mit 14 Jahren wusste er, was er werden wollte: Filmproduzent. Nicht Regisseur, nicht Drehbuchautor - Produzent. "Es war immer mein Traumberuf." Im Gemeindehaus von Osten drehte er mit zwei Freunden seinen ersten Kurzfilm, inspiriert von unzähligen Filmabenden mit seinen Eltern. "Wir haben jedes Wochenende Filme ausgeliehen - Unmengen davon."
Hollywood - ein Zufall mit Folgen
Der Weg in die Filmwelt begann buchstäblich auf der anderen Seite des Atlantiks. Während seines Austauschschuljahres in Los Angeles lernte Lasse Scharpen zufällig jemanden kennen, der bei den NBC Universal Studios arbeitete - der Beginn einer außergewöhnlichen Laufbahn. Er ergatterte sein erstes Praktikum - viele weitere sollten folgen. In Hollywood arbeitete er bei Agenturen, an klassischen Filmsets und sogar im Vorzimmer berühmter Produzenten. Er sammelte Erfahrungen bei großen Projekten wie "The Ring", "American Pie" oder "Hangover" und bekam so einen Einblick in das Herz der Filmindustrie. "In L.A. habe ich viel gelernt."
Vom ZDF zum ersten eigenen Film
Nach dem Abitur ging es zum ZDF, wo Lasse Scharpen eine Ausbildung zum Kaufmann für audiovisuelle Medien machte. Dort betreute er Sportübertragungen und große Shows wie "Wetten, dass..?". "Ich war ständig unterwegs. Einmal stand ich in einem Raum mit Angela Merkel und Barack Obama, ein anderes Mal traf ich Sylvester Stallone oder war bei der Reunion von Take That dabei."
Zum Ende der Ausbildung entschied sich der 38-Jährige, zusätzlich in Babelsberg Produktion zu studieren - und gründete schon währenddessen seine erste eigene Firma. Es entstanden drei Kinofilme: "Echolot", "At Home" und "Wir sind die Flut", die alle auf der Berlinale zu sehen waren. "Ich bin damals ganz unglamourös mit dem Zug von Osten über Hamburg nach Berlin gefahren", erinnert er sich. Die Gründung der Produktionsfirma sei zwar ein Risiko gewesen, aber es hat sich gelohnt, wie Lasse Scharpen heute weiß. "Dass alle drei Filme es zur Berlinale geschafft haben, war ein riesiges Privileg - und mein Startschuss."
Preisgekrönte Serien
Nach dem Studium arbeitete Lasse Scharpen in Köln für die Produktionsfirma "Bantry Bay" und tauchte mitten in den Serienboom ein. Er war beteiligt an Erfolgsformaten wie "Club der roten Bänder" (VOX) und "Druck" (ZDF), einer deutschen Adaption des norwegischen Formats "Skam", das mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde. Auch die ZDF-Serie "SOKO Potsdam" stammt aus seiner Idee. "Es ist toll, eine so lange laufende Serie zu haben und dem Nachwuchs dadurch eine Chance zu geben."
Goldene Palme und Oscar-Rennen
Im April 2020 gründete Lasse Scharpen gemeinsam mit Lucas Schmidt Studio Zentral. Heute arbeiten dort mehr als 40 Kreative in Berlin und München - mit Fokus auf zeitgenössische, anspruchsvolle Stoffe. Das bislang erfolgreichste Projekt: "In die Sonne schauen" von Regisseurin Mascha Schilinski. Der Film feierte 2025 Premiere bei den Filmfestspielen in Cannes und gewann den Preis der Jury - als erster deutscher Beitrag seit über 40 Jahren. "Als es in den Nachrichten kam, dass wir die Goldene Palme gewonnen haben, ist mein Handy explodiert", erinnert sich der 38-Jährige. "Es ist ein unglaubliches Glück, so einen Moment zu erleben - ein Once-in-a-lifetime-Moment." Der Erfolg wirft weite Schatten: Der Film ist Deutschlands offizieller Vorschlag für die Oscars - die Shortlist-Entscheidung steht noch aus. "Cannes war aber schon das Größte für mich - über 3.000 Einreichungen, und wir gewinnen."
Übrigens: Lasse Scharpen schaut seine Filme nicht bis zum Schluss. "Ich bleibe die ersten fünf Minuten im Saal sitzen, dann gehe ich raus. Ich will wissen, ob jemand das Kino verlässt - und warum." Seine Neugier und sein Wunsch zur Verbesserung sind ungebrochen. Und manchmal, wenn der Terminkalender so richtig überquillt, scherzt er: "Vielleicht ist jetzt der richtige Zeitpunkt, nach Osten zurückzugehen und Postbote zu werden."
Filme in der Heimat gedreht
Trotz internationaler Erfolge kehrt Lasse Scharpen tatsächlich hin und wieder zurück ins Cuxland. Einen Film drehte er hier mit Jan Böhmermann. Was noch fehlt? "Science-Fiction habe ich noch nicht gemacht", sagt er mit einem Lächeln. "Und ich möchte irgendwann einen Film drehen, der meiner Heimat ein Denkmal setzt - eine Art Liebeserklärung ans Cuxland." Eins seiner aktuellen Herzensprojekte ist die ZDF-Serie "Jenseits der Spree" mit Jürgen Vogel und Aybi Era. "Ich liebe diese Serie. Wir bereiten gerade die siebte Staffel vor." Die fünfte Staffel läuft freitags um 20.15 Uhr im ZDF.
Man muss sich einfach trauen
Auch wenn der Produzent auf der ganzen Welt unterwegs ist, vergisst er dabei nicht, wo er angefangen hat. Deshalb hat er für den Nachwuchs aus seiner alten Heimat einen klaren Rat: "Film ist eine Quereinsteigerbranche. Ob Set-Runner, Fahrer oder Kameraassistenz - es gibt kaum ein Berufsbild, das es nicht gibt. Man muss sich trauen, Geschichten suchen und mal selbst einen Kurzfilm drehen. Ich komme auch gerne in Schulen und erzähle was über unsere Branche." Das sagt Lasse Scharpen nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe. Er möchte Mut machen, Fragen beantworten, zeigen, dass große Wege auch in kleinen Orten beginnen können.