Zum Glück gibt’s in Otterndorf auch abseits des Stadtschreibers genug zu erleben. Foto: Palu
Zum Glück gibt’s in Otterndorf auch abseits des Stadtschreibers genug zu erleben. Foto: Palu
Stadtschreiber-Kolumne (2)

Otterndorf lehrt dem Stadtschreiber Daniel E. Palu eine Lektion fürs Leben

20.06.2023

Daniel E. Palu ist Stadtschreiber in Otterndorf. Für unser Medienhaus verfasst der Schriftsteller eine Kolumne. Bemerkenswertes aus seinem Sommerdomizil an der Elbe stellt er darin höchst humorvoll vor. 

Die erste Reaktion auf die Nachricht in meinem Freundes- und Bekanntenkreis auf die Nachricht, dass ich zum Stadtschreiber von Otterndorf ernannt wurde, war Freude. Gefolgt von: "Oh, dann komm ich dich mal besuchen." Grundsätzlich habe ich dafür vollstes Verständnis: Ich beglückwünsche jeden, der sich dazu entschließt, die Stadt, von der ich so schwärme, mit eigenen Augen zu erleben.

Zwei Dutzend Personen haben sich angekündigt, von Freunden aus Bremen bis hin zu meinem Hamburger Frisör, der mit seiner Lebensgefährtin gleich einen Ausflug übers ganze Wochenende hierher machen möchte. Seitdem ich hier lebe, vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht den dezenten Hinweis anbringen muss: Ich arbeite hier.

Otterndorf ist eine Reise wert

Niemand käme auf die Idee, bei seinem Rechtsanwalt aufzuschlagen oder in der Kantine einer städtischen Behöre, nur weil dort zufällig ein Bekannter arbeitet. Nicht falsch verstehen: Otterndorf ist unbedingt eine Reise wert. Einen Tagesausflug von Hamburg oder Bremen aus mindestens, noch besser ein ganzes Wochenende oder gleich einen dreiwöchigen Urlaub.

Aber Arbeit ist Arbeit und Vergnügen ist Vergnügen, wusste schon meine aufgeweckte Oma Giovanna, die es trotz Analphabetismus als fleißige Schneiderin zu einigem Wohlstand brachte. Meine lebenskluge und etwas exaltierte Großmutter habe ich übrigens meinem Kommissar in meinen Büchern ("Tod im Alten Land" und "Mord zur Apfelblüte") als Mutter zur Seite gestellt.

Ein Liegestuhl neben dem Schreibtisch?

Bislang ist auch niemand auf die Idee gekommen, sich in einen Liegestuhl in meinem Arbeitszimmer in Hamburg neben meinen Schreibtisch zu legen und mir beim Schreiben zuzusehen. Abgesehen davon, dass ich das auch etwas merkwürdig fände. Warum sollte sich also jemand in einen Liegestuhl neben meinem Schreibtisch im Gartenhaus am Süderwall platzieren?

Meine Cousine Janine ist Technikerin im Hamburger Musicaltheater "Neue Flora". Die Näherei ist für sie der perfekte Ausgleich zum turbulenten Arbeitsalltag (ihr Instagram-Account heißt: kaffee_stoff_und_meer). Jedes Jahr fährt sie mindestens einmal zu "Stoff Art" nach Otterndorf zum Shoppen, weil sie den Laden so mag. Klar freu ich mich, wenn mich meine Familie in Otterndorf besucht. Nicht umsonst habe ich Janine zum Geburtstag einen Gutschein für den Stoffladen geschenkt, damit sie auch tatsächlich herkommt. Das ist die eine Sache.

Leben und arbeiten, wo andere Urlaub machen

Die andere ist es, Menschen, die man allenfalls flüchtig kennt, während seiner Arbeitszeit bespaßen zu müssen, bloß weil man lebt und arbeitet, wo andere Urlaub machen. Ich bin keineswegs ein Einsiedlerkrebs, der sein Hinterteil in einem Schneckenhaus parkt und am liebsten für sich ist. Aber ich habe ein Ziel vor Augen. Den Traum, mit meiner neuen Krimireihe das Schreiben von Romanen zum Beruf machen zu können. Allerdings muss ich dafür das Buch auch zu Ende schreiben. Und anders als es das Klischee von der tiefenentspannten Arbeitsmoral meiner italienischen Landsleute suggeriert, gedenke ich, den Abgabetermin einzuhalten. Selbst wenn es bedeutet, bis September ohne einen Tag Pause durchzuarbeiten.

Otterndorf lehrt dem Stadtschreiber eine Lektion

Insofern ist meine Zeit als Stadtschreiber von Otterndorf auch eine Lektion im Nein-Sagen, oder eher: "Danke, aber nein danke"-Sagen. Denn "Nein" ist nicht das böse Wort, das man nicht sagen darf. Im Gegenteil: Ein entschiedenes Bekenntnis zu dem Weg, den man gewählt hat und ein entschiedenes "Nein" zu allem, was uns vom Erreichen unserer Ziele abbringt, sind die Grundlage für ein gelungenes Leben. Für mich ist "Nein" eines der wichtigsten, besten, sinnvollsten Wörter überhaupt. Man kann sicher auch anderer Meinung sein.

Deshalb werde ich die nicht so engen Freunde auf einen "Aperitivo" vertrösten, zum Beispiel im Beachclub an der Südsee. Ich bin sicher, sie werden es mir nicht übelnehmen. Zum Glück hat Otterndorf auch ohne Dauerbespaßung durch den Stadtschreiber genug zu bieten. Das ist eine von vielen guten Seiten dieser Stadt, die ich für fünf Monate mein Zuhause nennen darf.

Ort für nächsten Kriminalroman steht bereits

Zum Ende hin ein Anliegen in eigener Sache: Sie sind Krabbenfischer oder kennen einen, der mir von seiner Arbeit erzählen würde? Dann freue ich mich, wenn Sie mir schreiben. Denn so viel sei verraten: Mein nächster Kriminalroman wird an der Küste spielen. Und einige Hintergrundinformationen fehlen mir noch.

Sie wollen mir schreiben? Sie erreichen mich unter der richtigen(!) Mailadresse: stadtschreiber2023@web.de

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