Voß-Preisträger Joachim Gauck dankt seiner Laudatorin Helga Trüpel herzlich für deren Rede. Foto: Kramp
Voß-Preisträger Joachim Gauck dankt seiner Laudatorin Helga Trüpel herzlich für deren Rede. Foto: Kramp
Voß-Preisverleihung

Laudatorin Helga Trüpel würdigt das Wirken Joachim Gaucks: Ein Humanist und Realist

von Ulrich Rohde | 16.05.2025

Joachim Gauck, Voß-Preisträger und ehemaliger Bundespräsident, wird als Fixpunkt in turbulenten Zeiten gefeiert. Seine Mischung aus Humanismus und Realismus setzt Maßstäbe für eine wehrhafte Demokratie.

Joachim Gauck sei ein sicherer Kompass in erschütternden Zeiten, ein Fixpunkt der Orientierung. Diese Zuschreibung maß Helga Trüpel dem Geehrten bei. Die Bremer Politikerin und ehemalige Abgeordnete des Europaparlaments für die Grünen hielt die Laudatio für den diesjährigen Voß-Preisträger, der sich damit einreiht in die Riege der Geehrten, die im Jahr 2000 mit dem Lyriker Peter Rühmkorf ihren Anfang nahm. Es folgten Bundespräsident a. D. Richard von Weizsäcker, die Autorin Sarah Kirsch, Bundesaußenminister a. D. Hans-Dietrich Genscher, Intendant Jürgen Flimm und Bundesminister Wolfgang Schäuble.

Helga Trüpel stellte eine aus den Fugen geratene Welt der Konflikte der offenen Zivilgesellschaft, in der wir leben, gegenüber. Es gehe heute um nicht mehr und nicht weniger darum, den "politischen Westen" zu verteidigen und damit auch dessen Freiheit und seine regelbasierte Ordnung. Und dafür brauche es Menschen wie Joachim Gauck als Vorbild und Anker.

Gauck ist "Citoyen", kein "Bourgeois"

Der ehemalige Bundespräsident sei einfühlsam, aber mache sich nicht gemein. Er leiste geistige Führerschaft, die sich aus seiner Lebensgeschichte aber auch aus seinen gelebten Überzeugungen speist. Joachim Gauck sei "selbstreflektiv und reflektierend", Eigenschaften, die im politischen Alltagsgeschäft nicht mehr im Übermaß anzutreffen sind. Und er sei ein "Citoyen", kein "Bourgeois", also jemand, der als Staatsbürger seine staatsbürgerlichen Pflichten wahrnimmt und nicht nur seine eigenen Interessen schützt.

Joachim Gauck hat sich selbst einmal als "linken liberalen Konservativen" bezeichnet, was ihn letztlich für eine Parteimitgliedschaft ungeeignet macht, ihm aber die Freiheit verleiht, unabhängig zu denken und zu handeln. "Eine lebendige und wehrhafte Demokratie braucht mündige Bürger und eine intakte Zivilgesellschaft", sagte Helga Trüpel. Joachim Gauck gebe das Beispiel dafür, dass man sich "von der Macht der anderen nicht dumm machen lassen" dürfe.

Gauck sorgt sich um mentale Schwäche Deutschlands

Der Tausch der Freiheit in der Demokratie gegen die Sicherheit in der Autokratie ist kein gutes Geschäft. Dennoch werde genau dieses von unterschiedlichen Kräften in Deutschland betrieben. Gaucks Sorge gelte daher der aktuellen mentalen Schwäche Deutschlands, der politisch-moralischen Insuffizienz. Der Alt-Bundespräsident sei stets auf der Höhe der Zeit, vertrete mit Nachdruck seine humanistische Position, aber er sei kein "Traumtänzer".

Der von ihm als Bundespräsident in der Debatte während der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 geprägte Satz "Unser Herz ist weit. Doch unsere Möglichkeiten, sie sind endlich" ist Ausdruck jener reflektierenden Ratio, die Humanismus mit Realismus vereint.

"Ein Land der Zuversicht"

Am Schluss seiner Rede, die Gauck im Herbst vor zehn Jahren in Mainz gehalten hat, sagt er folgendes: "Wenn wir Probleme benennen und Schwierigkeiten aufzählen, so soll das nicht, so soll das niemals unser Mitgefühl - unser Herz - schwächen. Es soll vielmehr unseren Verstand und unsere politische Ratio aktivieren. Wir werden also weiter wahrnehmen, was ist - ohne zu beschönigen oder zu verschweigen. Wir werden weiter helfen, so wie wir es tun - ohne unsere Kräfte zu überschätzen. So werden wir bleiben, was wir geworden sind: Ein Land der Zuversicht." Und der Hoffnung. Helga Trüpel zitierte dazu den früheren tschechischen Präsidenten Václav Havel: "Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn macht, egal wie es ausgeht."

Konrad Feldmann sorgte für die musikalische Begleitung der Preisverleihung. Foto: Kramp

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

(1 Stern: Nicht gut | 5 Sterne: Sehr gut)

Feedback senden

CNV-Nachrichten-Newsletter

Hier können Sie sich für unseren CNV-Newsletter mit den aktuellen und wichtigsten Nachrichten aus der Stadt und dem Landkreis Cuxhaven anmelden.

Die wichtigsten Meldungen aktuell


Bild von Ulrich Rohde
Ulrich Rohde

Redaktionsleiter
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

urohde@no-spamcuxonline.de

Lesen Sie auch...
Täterbeschreibung veröffentlicht

Faustschlag ins Gesicht: Polizei sucht Fahrraddieb nach Angriff in Otterndorf

von Redaktion

Ein Überfall in Otterndorf sorgt für Aufsehen: Ein 31-Jähriger wurde laut Polizei Cuxhaven am Mittwoch angegriffen und bestohlen. Die Ermittler suchen nun nach Zeugen.

Einsatzkräfte zweimal alarmiert

Blaulicht am Sportplatz in Otterndorf: Feuerwehr sichert Hubschrauberlandung

Zwei Einsätze innerhalb weniger Stunden hielten die Rettungskräfte in Otterndorf in Bewegung. Während zunächst ein Rettungshubschrauber für einen dringenden Patiententransport landen musste, wurde die Feuerwehr kurz darauf erneut alarmiert.

In St. Severi

Hansjörg Albrecht und Chor begeistern in Otterndorf: Mozart-Abend wird zum Ereignis

Ein unvergesslicher Abend in Otterndorf: Hansjörg Albrecht entfesselt mit dem Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chor und dem Ensemble Schirokko die volle Kraft von Mozarts Meisterwerken und begeistert das Publikum restlos.

Kranichhausgesellschaft

Vortrag in Bülkau: So pompös war die Eröffnung des Nord-Ostsee-Kanals vor 130 Jahren

von Christian Mangels

Wenn die Otterndorfer Kranichhausgesellschaft zur Versammlung ruft, dann kommen die Mitglieder und Gäste in Scharen. Das liegt unter anderem an den spannenden Festvorträgen. In diesem Jahr stand der Nord-Ostsee-Kanal im Fokus.