Ausländerfeindliche Gesänge in Otterndorf: Was am Tag danach an den Schulen passierte
Nachdem eine Gruppe junger Schülerinnen und Schüler am Dienstag mit ausländerfeindlichen Parolen in Otterndorf aufgefallen war, ermittelt die Polizei. Jetzt äußern sich auch die Schulleitungen über den Vorfall.
Die Welle ausländerfeindlicher Gesänge, die in der vergangenen Woche mit einem "Party"-Video auf der Insel Sylt begann, hat auch das Cuxland erreicht. Das zeigt der Vorfall am zentralen Omnibus-Bahnhof (ZOB) am Otterndorfer Schulzentrum von Dienstag, bei dem eine Gruppe 15 bis 19-jähriger Schülerinnen und Schüler mit lautstarken ausländerfeindlichen Gesängen aufgefallen war. Eine aufmerksame Schulklasse des Gymnasiums informierte daraufhin die Polizei.
Auch am Tag danach ist das Entsetzen darüber groß. Am Mittwochmorgen fand ein gemeinsames Treffen von Landkreis Cuxhaven, Schulleitungen, Samtgemeinde und Polizei statt, um weiteres Vorgehen abzustimmen.
"Ausländer raus"-Rufe in Otterndorf: Direktorin lobt die Schüler
Dr. Marlies Reincke, Leiterin des Gymnasiums Otterndorf, zeigte sich im Telefonat mit unserem Medienhaus über den Vorfall am Busbahnhof in Otterndorf geschockt. Gleichzeitig lobte sie aber auch das Verhalten der neunten Klasse, die die ausländerfeindlichen Gesänge gehört und umgehend die Lehrkraft beauftragt habe, sich zu kümmern und die Polizei zu informieren. "Courage zu zeigen, dafür steht unsere Schule," lobte Dr. Reincke, "dass unsere Schüler so sensibel sind und reagiert haben." Am Gymnasium in Otterndorf stand erst in der vorigen Woche der von Schülersprecherinnen organisierte Sponsorenlauf ganz im Zeichen von Demokratie und gegen Rassismus.
Alle drei Schulen am Schulzentrum Otterndorf (Gymnasium, Realschule, Hauptschule) hätten gemeinsames Interesse daran, den Vorfall aufzuarbeiten und ihre Schüler gegen Rassismus aktiv zu stärken, damit sie merken, was mit derartigem angerichtet werden könne, sagte Dr. Reincke.
Aktion an der Realschule Otterndorf setzt starkes Zeichen
An der Realschule fand am Mittwoch mit den Schülerinnen und Schüler eine Aktion gegen Rassismus für mehr Courage statt. Arne Gade, Schulleiter der Johann-Heinrich-Voß-Schule, teilte auf Nachfrage unseres Medienhauses am Mittwoch schriftlich mit: "Die [...] rassistischen Äußerungen am ZOB machen uns sehr betroffen. Wir verurteilen das, was passiert ist. Wir sind der Überzeugung, dass unsere Gesellschaft aufstehen und aufklären muss. Als Schulgemeinschaft haben wir dies [am Mittwoch] mit allen Kindern und Jugendlichen getan. Als Johann-Heinrich-Voß-Schule setzen wir ein Zeichen gegen Ausländerfeindlichkeit, für Demokratie, Vielfalt und gegenseitigen Respekt."

Auch Lars Mittelstädt, Dezernent der Außenstelle Cuxhaven des Landesamts für Schule und Bildung Lüneburg äußert sich im Gespräch bestürzt über den Vorfall: "Mich machen die Geschehnisse wie auf Sylt oder am ZOB in Otterndorf fassungslos und traurig. Für dieses Verhalten habe ich kein Verständnis."
Stephan Hertz, Pressesprecher der Polizeiinspektion Cuxhaven teilte am Mittwoch mit, dass es sich bei der Gruppe um Schüler der Realschule, der Hauptschule und anderen Personen, die keine Schüler der Schulen sind, gehandelt habe. "Schulintern einigten sich die Schulleiter auf ein konsequentes Vorgehen gegen die drei an der Tat beteiligten Schüler", heißt es weiter.
"Ausländer raus, Deutschland den Deutschen": Woher kommt der Trend?
In einem Sylter Lokal stimmten feiernde junge Menschen an Pfingsten rassistische Parolen an. Das Video des Vorfalls verbreitet sich seit Donnerstag in den sozialen Netzwerken. Darin zu sehen sind Gäste der Bar, die die ausländerfeindlichen Zeilen "Ausländer raus, Ausländer raus, Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" grölen. Die Melodie gehört zu Gigi D'Agostinos "L'amour Toujours". Ein Mann scheint mit seinen Fingern auf der Oberlippe einen Hitlerbart und den sogenannten Hitlergruß anzudeuten.
"Ausländer raus": Ähnliche Fälle auch in Niedersachsen und Sachsen
Seitdem gibt es weitere Videoaufnahmen von feiernden Menschen an anderen Orten, die die Zeilen skandieren - unter anderem aus Cloppenburg (Niedersachsen) oder dem Erzgebirge (Sachsen). Auch beim Schlagermove in Hamburg soll es am Wochenende zu ähnlichen Szenen gekommen sein.
Sylt-Video basiert auf einem TikTok-Trend aus Mecklenburg-Vorpommern
Auch schon vor dem Sylt-Fall hat es mehrfach Videos solcher Gesänge zu dem Partyhit in Deutschland gegeben. Die Singenden sprangen damit mutmaßlich auf einen TikTok-Trend auf, der seinen Ursprung in einem Dorf in Mecklenburg-Vorpommern haben soll. Die Zeitung "Katapult MV" aus Mecklenburg-Vorpommern hatte im Oktober 2023 darüber berichtet.
Von Wiebke Kramp und Tamina Francke