Gruppenbild vor dem Gedenkstein: Einige der Besucher sind in ostpreußischer Tracht gekommen. Dazu kamen auch Frauen aus Hemmoor in der dortigen Tracht. Foto: Domke-Feiner
Gruppenbild vor dem Gedenkstein: Einige der Besucher sind in ostpreußischer Tracht gekommen. Dazu kamen auch Frauen aus Hemmoor in der dortigen Tracht. Foto: Domke-Feiner
Gedenkfeier

Seit 50 Jahren in Otterndorf: Wie ein Stein an die Heimat in Ostpreußen erinnert

08.09.2025

In Otterndorf steht ein Gedenkstein, der seit 50 Jahren an die Heimat der Geflüchteten aus Ostpreußen erinnert. Bei einer Feierstunde kamen Menschen zusammen, um Erinnerungen zu teilen und die Verbindung zur früheren Heimat zu pflegen.

Vor 50 Jahren wurde der große Gedenkstein in Otterndorf direkt vor dem Amtsgericht auf einer kleinen Grünfläche errichtet. "Im Gedenken an unsere Heimat Kreis Labiau/Ostpreußen", ist darauf zu lesen. Diese Worte wurden nun wieder einmal mit Leben gefüllt.

Anlässlich der "Goldenen Steinlegung" hatte die Kreisgemeinschaft Labiau/Ostpreußen zu einer Feierstunde am Stein und anschließendem Programm eingeladen. Die Begrüßung übernahm die Kreisvertreterin Brigitte Stramm. Vor gut 50 Besuchern ging die Tochter von Geflüchteten aus Ostpreußen auf die Gründe für das Gedenken in Form dieses großen Feldsteines ein: "Dieser Stein erinnert an unsere Heimat. Dieses Bekenntnis ist so unverwüstlich und für die Ewigkeit wie dieser Stein."

"Es gibt nur eine Heimat"

Danach sprach der stellvertretende Landrat Friedhelm Ottens zu den größtenteils älteren Besuchern und fand dabei persönliche Worte: "Heimat prägt uns alle. Du kennst den Geruch, die typischen Gerichte, die Landschaft. Man kann noch so viel gereist sein, es gibt nur eine Heimat."

Otterndorfs Bürgermeister Claus Johannßen erinnerte an die nach dem Zweiten Weltkrieg geflüchteten Familien, die nach Otterndorf kamen. "Otterndorf ist ungefähr so groß wie die Kreisstadt Labiau. Viele Menschen sind hier geblieben, weil die Landschaft der Heimat ähnelte und auch eine starke Wesensverwandtschaft zu spüren war."

Der Kontakt zu den heute in Ostpreußen lebenden Menschen wird von der Kreisgemeinschaft aktiv aufrechterhalten. Regelmäßige Besuche gehörten bis vor einiger Zeit dazu. Zunächst habe die Pandemie und nun der von Russland geführte Krieg diese Besuche erschwert. Jedoch sei man telefonisch und schriftlich sehr regelmäßig beieinander, freut sich Brigitte Stramm. "Die Völkerfreundschaft über die etwa 1000 Kilometer Entfernung ist tief."

"Ostpreußenlied - Land der dunklen Wälder"

Nach den Begrüßungsreden wurde gemeinsam das "Ostpreußenlied - Land der dunklen Wälder" gesungen, das mit der Beschreibung der Landschaft dieses Landstrichs beginnt. Nach der Feierstunde am Gedenkstein ging die Gruppe die wenigen hundert Meter zum Torhaus Otterndorf. Darin befindet sich ein Museum, mit einer spannenden Sammlung aus Labiau/Ostpreußen. Zu sehen sind dort Modelle verschiedener Gebäude, Schiffe, Alltagsgegenstände, Wappen, Karten und vieles mehr.

Nach einem kleinen Umtrunk ging es dann in die Stadtscheune zu einem gemeinsamen Mittagessen. Dort wurden, wie bei alljährlichen Treffen, Erinnerungen ausgetauscht und gemeinsam der alten Heimat oder der Heimat der Vorfahren gedacht.

"Erinnerungen in Ehren halten", das wollen Anja und Martina Losch (rechts). Foto: Domke-Feiner

Mit dabei waren die 31-jährige Anja Losch und ihre Mutter Martina. "Meine Oma hat immer sehr viel von Ostpreußen erzählt. Sie hat auch Gerichte aus ihrer Heimat gekocht", erinnert sich die angehende Grundschullehrerin in Gedenken an die Großmutter, die vor einiger Zeit im hohen Alter verstarb. Das Tochter-Mutter-Duo hatte eine Mappe dabei. Darin befinden sich Fotos von der Oma, die bei der Flucht 17 Jahre alt gewesen war. Auf den, teilweise sehr kleinen, Bildchen, die mit der Zeit verblasst sind, sind Menschen zu sehen, die notgedrungen ein neues Leben fern der Heimat beginnen mussten. Eines der Fotos, das noch aus Ostpreußen stammt, zeigt mehrere Personen. Dazu erklärt Anja Losch: "Da wissen wir gar nicht, wer das ist."

"Alles aufgeschrieben, woran sie sich erinnern konnte"

Dann holt die junge Frau noch einen Stapel DIN A 4-Blätter hervor. Diese sind in akkurater Handschrift eng beschrieben. "Als meine Oma Anfang 90 war, hat sie alles aufgeschrieben, woran sie sich noch erinnern konnte. Diese Aufzeichnungen halten wir in Ehren." Das ist auch der Grund, weshalb die junge Frau gemeinsam mit ihrer Mutter weiterhin zu den Treffen geht. "Diese Geschichten sollen nicht vergessen werden." Damit spricht die junge Frau allen Anwesenden aus der Seele.

Auch die Kreisvertreterin Brigitte Stramm und ihre Mitstreiter setzen sich engagiert dafür ein, dass die Erinnerungen wachgehalten und mit Leben gefüllt werden. So ist für das kommende Jahr eine Sonderausstellung zum Thema "Flucht und Vertreibung des gesamten Patenkreises" im Torhaus geplant.

Von Myriam Domke-Feiner

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