Reichlich Strom im Kreis Cuxhaven - aber wohin damit?
Es ist schon eine gewisse Konkurrenzsituation: Investoren für Wind- und Solarparks treiben ihre Projekte voran, doch Vorrang genießt die Planung des Netzausbaus durch Stromleitungen in den Süden der Republik. Wie passt das zusammen?
Wenn der Wind weht und die Sonne scheint, ist alles in Ordnung - könnte man meinen. Doch die Produktion "grüner Energie" ist nur die eine Seite, der Stromtransport bis zum Abnehmer die andere. Die Leitungskapazität beim Netzausbau ist häufig nämlich zu gering. Ist der Vorrang für den Leitungsausbau gegenüber den regionalen Wind- und Solarparkplanungen gerechtfertigt? "Ja", sagt Enak Ferlemann.
In dieser Woche wurde - wie berichtet - im Kreistagsausschuss für Regionalplanung, Wirtschaft und Digitalisierung über den Netzausbau für die Wechsel- und Gleichstromtrassen in Teilbereichen des Kreises Cuxhaven sowie über die Planung für Wind- und Solarparks diskutiert. Der Cuxhavener CDU-Bundestagsabgeordnete Enak Ferlemann ist Vorsitzender des Ausschusses und verteidigt die Prioritätensetzung für den Netzausbau. "Wir brauchen die Netzverbindungen als Grundlage, um zukünftig die zu erwartenden noch größeren Strommengen aus der Region und Offshore-Anlagen auch zum Abnehmer leiten zu können", so Ferlemann auf Nachfrage unserer Redaktion.
"Kann nicht Sinn
und Zweck sein"
Bereits heute sei es leider Fall, dass die von Biogas- oder Windkraftanlagen erzeugte Energie in Spitzenzeiten wegen einer möglichen Überlastung nicht ins Netz eingespeist werden könnten. In diesem Fall erstatten die Netzbetreiber dem Produzenten eine Vergütung ("Redispatch"). "Das kann ja aber nicht Sinn und Zweck und schon gar nicht ein Instrument der Energiewende sein", so der CDU-Politiker.
Daher führe kein Weg am Ausbau von Höchstspannungsleitungen vorbei. "SuedLink" sorgt in diesem Zusammenhang schon seit Jahren auch im Cuxland für Diskussionen, da sie höchstwahrscheinlich durch Teile des Kreisgebietes (unter anderem im Bereich der Samtgemeinde Hemmoor) auf zwei Trassen nach Bayern und Baden-Württemberg führen soll, um dort Unternehmen mit Energie zu versorgen. Hinzu kommen aktuell zwei weitere Höchstspannungsleitungen, die konkret in der Planung sind.
In der Pipeline befinden sich außerdem mittel- und langfristig noch vier weitere Verbindungen, die im sogenannten und bundesweiten "Netzentwicklungsplan Strom 2037/2045" aufgeführt, aber bislang nur Wunschdenken der Netzbetreiber sind. Werden auch diese Projekte realisiert, ist nach Angaben der Kreisverwaltung der Landkreis Cuxhaven betroffen - entweder in der Kategorie "sicher", "möglich" oder "wahrscheinlich".
"Begrenzender Faktor"
Dass die Verteilernetze bei der Planung Vorrang vor Windkraft- und Freiflächen-Photovoltaikanlagen haben, findet Ferlemann in Ordnung: "Das Netz ist schließlich der begrenzende Faktor bei der Übertragung und Verteilung." Dass eventuell auch im Bereich der Börde Lamstedt oder im wenige Kilometer entfernten Alfstedt ein zentraler Knotenpunkt zur Verteilung der Strommengen entstehen soll, bewertet der CDU-Politiker positiv. Bei Alfstedt hat der Netzbetreiber Tennet in Richtung Langeln - an der Grenze zum Landkreis Cuxhaven - das Umspannwerk Alfstedt für einen Millionenbetrag bereits erweitert. Dabei geht es auch darum, den Strom aus Windenergie vom Norden in den Süden der Republik zu bringen. Gibt es einen weiteren Ausbau?
Gespräche hinter
den Kulissen
Aus Sicht des Ausschussvorsitzenden kann prinzipiell diese räumliche Nähe auch besondere Vorteile für hiesige Stromproduzenten bringen, die eventuell energieintensive Unternehmen wie die DOW in Stade oder das Bremer Stahlwerk beliefern könnten. Hinter den Kulissen - so bestätigte es Ferlemann - liefen bereits Gespräche, in die auch die IHK Stade einbezogen sei.
Dass der Netzausbau aktuell anscheinend oberste Priorität genieße, dürfe allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass seitens der Kreisverwaltung die Anträge für von Wind- und Solarpark-Investoren bearbeiten werden würden.
Handelt es sich um einen Standort, der auch aus Sicht des Kreises keine großen Probleme aufweist, könnte er bereits vor der Verabschiedung des neuen "Regionalen Raumordnungsprogrammes" (RROP) genehmigt werden. Die Verwaltung will einen ersten RROP-Entwurf im Frühjahr 2025 vorlegen; noch vor der Kommunalwahl 2026 soll er dann möglichst vom Kreistag verabschiedet werden.
