Seit Jahrzehnten engagiert sich diese Otterndorferin für ihre Heimat
Margret Johannßen feiert heute ihren 90. Geburtstag. Die betagte Otterndorferin hat ein bewegtes, arbeitsreiches Leben hinter sich - und immer spielt die kleine Heimatstadt darin eine bedeutende Rolle wie auch ihre geliebte Familie.
Sie blickt auf ein bewegtes Leben in ihrer Heimatstadt zurück, in das sie sich auf vielfältige Weise für das Allgemeinwohl eingebracht hat. Sie ist eine Wegbegleiterin des dort aufstrebenden Tourismus. Otterndorf ist ihre Heimat, ihr Leben. Und das seit genau 90 Jahren. Hier erblickte Margret Johannßen am 15. September 1933 das Licht der Welt als eine von fünf Töchtern des Mühlenbetriebs Grefe.
Heute feiert sie mit wachen Augen im Kreise ihrer Lieben ihren runden Geburtstag. Als Geschenk empfindet sie es, dieses hohe Alter so geistig und körperlich fit erreicht zu haben: "Nur ein bisschen kleiner bin ich geworden, aber das ist wohl so mit den Jahren - und sentimentaler…" Es war nicht alles leicht, bis ins hohe Alter hinein gab es traurige Schicksalsschläge.
Ihr Vater wurde bereits 1939 in den Krieg eingezogen. Ihre Mutter verlor sie wenig später früh im Alter von 17 Jahren. Sie lernte ihren Mann kennen und lieben, nachdem er aus russischer Kriegsgefangenschaft zurückkehrte und regelmäßig mit Pferd und Wagen zur Mühle kam. Dabei war der behütet aufgewachsenen Tochter des Mühlenbesitzers dieses Bäuerinnen-Dasein keinesfalls an der Wiege gesungen worden., aber sie hatte das große Glück einer "entzückenden Schwiegermutter", die sie in allem auf dem Hof und im Haushalt unterstützte. Im Alter von 28 Jahren versorgte Margret Johannßen bereits ihre fünf Kinder. Einen Kindergarten gab es in den 50er und 60er Jahren in Otterndorf noch nicht.
Das landwirtschaftliche Leben muss wahrlich kein Zuckerschlecken gewesen sein in einer Zeit, als es weder Trecker noch Waschmaschine gab. Kochen, Backen, Reinigung des Milchgeschirrs oder die Versorgung von Kälbern und Geflügel standen auf dem vollen Stundenplan der Bäuerin. Für ein Zubrot und Betriebsamkeit auf dem Hof sorgten die Anfänge des Otterndorfer Tourismus, der damals noch Fremdenverkehr hieß. Der Markenbegriff "Urlaub auf dem Bauernhof" war noch nicht existent - und Margret Johannßen beherbergte auf dem historischen Hof von 1583 in Westerwörden Feriengäste. Und sogar ganze Schulklassen aus Hamburg übernachteten dort, wurden verköstigt und erhielten Einblick in das bäuerliche Leben.
Archäologische Ausgrabungen auf dem Bauernhof
Spannend empfand sie die Ausgrabungen eines Gräberfeldes auf dem Gelände mit zahlreichen Funden. Ihr an Archäologie interessierter Mann hatte ebenfalls diverse Artefakte aus früher Siedlungszeit wie Perlen oder Scherben zusammengetragen. Wer sich für Otterndorfs Frühgeschichte interessiert, kann sich darüber im Museum in der Burg Bederkesa ein eigenes Bild machen., dort sind die Fundstücke ausgestellt. Bernstein, ein paar Scherben römischer Keramik und die fingergroße Statuette eines römischen Hausgottes - so etwas trug sie auch bei ihren Stadtführungen in einer kleinen Tasche bei sich und beeindruckte mit Geschichte zum Anfassen, wenn der höchste Punkt auf der Kirchwurt erreicht war.
In der Otterndorfer Stadtgeschichte kennt sich Margret Johannßen wie nur wenige andere aus. Nachdem sie nach dem Tod vor über 30 Jahren ihres Mannes vom Hof mitten in die Altstadt zog, begann sie kurz darauf, sich als "Fremdenführerin" vom Landkreis Cuxhaven ausbilden zu lassen und fortan Gruppen ihre kleine, geliebte Heimatstadt ans Herz zu legen. Sogar Stadtführungen hoch zu Rad mit anschließendem Picknick bot sie ab den 80ern an. Ob im Kranichhaus-Museum als Aufsicht oder Betreuungskraft von Kindergeburtstagen oder als persönliche Gästebegrüßung im Namen des Fremdenverkehrsvereins, die sie im Wechsel mit Vera Dieckmann vornahm - ihre Aufgaben hat sie stets mit viel Freude versehen. Aber eines war besonders wichtig: "Das wurde von den Gästen sehr gut angenommen." Ihr Leben passt in keinen kleinen Karton. Sie hat sich für die Telefonseelsorge ausbilden lassen und für das Frauenhaus gearbeitet. Fit hält sie sich durch Fahrradfahren ("ich habe mir gerade ein leichteres Rad zugelegt"), Rehasport und Walking. Dazu kommen wöchentliche Doppelkopfrunden.
"Bin und bleibe ein kritischer Geist"
Nein, sie redet keinem nach dem Mund. "Ich bin und bleibe ein kritischer Geist", schmunzelt eine weltoffene, kluge Seniorin und ist dabei höchst reflektiert. Margret Johannßen bildet sich ihre eigene Meinung und ist weiterhin politisch und gesellschaftlich am Puls der Zeit. Die Wochenzeitung "Die Zeit" und "Der Spiegel" liest sie auf dem Tablet, die Niederelbe-Zeitung kommt täglich in gedruckter Form ins Haus in der Altstadt aus dem 17. Jahrhundert. Und jetzt schüttelt sie mit Sicherheit ein bisschen den Kopf über die Länge dieses Artikels und schimpft mit der Autorin: "Sie haben mir doch einen kleinen Text versprochen …"
Bei allen Aktivitäten für die Allgemeinheit, im wesentlichen Fokus stand und steht die Familie, die mittlerweile auf zehn Enkel und fünf Urenkel angewachsen ist. Ein einsames "Dinner for One" wie in dem beliebten Silvester-Sketch wird es bei ihr nicht geben, Denn alle werden sie Margret Johannßen heute an ihrem Ehrentag hochleben lassen. Die NEZ schließt sich den zahlreichen Glückwünschen an.