Turbulente Zeiten für die schwebende "Grande Dame" im Kreis Cuxhaven
Die Schwebefähre, die Menschen und Fahrzeuge seit 1909 zwischen Osten und dem Hemmoorer Stadtteil Basbeck befördert, muss saniert werden. Aber welche Bedeutung hat sie eigentlich für den Tourismus im Cuxland? Und warum?
Von Egbert Schröder
Osten/Hemmoor. Die "Eiserne Lady" hat seit ihrer Geburtsstunde im Jahre 1909 schon so einiges mitgemacht. Erst wurde sie gefeiert, dann aussortiert, Doch seit vielen Jahrzehnten ist sie einer der Stars in der Tourismus-Szene im Kreis Cuxhaven. Aber eine weitere Frischzellenkur bleibt ihr vorerst verwehrt. Den Betreuern der "Grand Dame" der Oste-Region und des Cuxlandes fehlt das Geld. Mindestens 8,5 Millionen Euro würde eine weitere Auffrischung kosten. Doch darauf muss die Schwebfähre Osten-Hemmoor als einzigartige Schönheit erst einmal warten.
8,5 Millionen Euro für die Sanierung eines "Technischen Baudenkmals"? Zwei Millionen Euro sollten - wie berichtet- durch Zuschüsse für eine Teilfinanzierung sorgen. Doch noch ist das Geld nicht bewilligt worden, was die Planungen erneut verzögert. So wird wahrscheinlich auch noch 2026 zumindest in einem befristeten Rahmen ein - aus Sicherheitsgründen - nur eingeschränkter Fährbetrieb möglich sein. Das war eigentlich nicht vorgesehen. Im nächsten Jahr sollte schließlich bereits mit den Instandsetzungsmaßnahmen begonnen worden sein. Doch daraus wird nichts; das ist spätestens seit dieser Woche durch Erläuterungen im zuständigen Fachausschuss des Kreistages klar.
Aber warum misst der Landkreis, der Eigentümer der Schwebefähre ist, dieser Konstruktion eigentlich eine derart herausragende Bedeutung bei und zückt bereitwillig das Portemonnaie?
Acht Schwebefähren weltweit
Das liegt nicht zuletzt daran, dass es weltweit nur noch acht funktionstüchtige Schwebefähren gibt. Und zwar im französischen Rochefort, in Großbritannien mit Newport, Middlesbrough sowie Warrington, in Deutschland mit Osten und Rendsburg/Osterrönfeld, in Argentinien (Buenos Aires) und dann auch noch in Spanien (Bilbao). Dieses Bauwerk war 1893 errichtet worden und hat seit 2006 Weltkulturerbe-Status.
Hoffnung auf Weltkulturerbe-Titel
Unesco-Weltkulturerbe? Das regt natürlich die Fantasie an und weckt Begehrlichkeiten. So wabert seit etlichen Jahren die Chance, möglicherweise über die Ostener Schwebefähre gleichbedeutend mit den Pyramiden und dem Kölner Dom diesen prestigeträchtigen Unesco-Titel zu erringen, durch den politischen Raum. An beiden Seiten der Oste wurden die Fährplätze mit hohen sechsstelligen Investitionen auf Vordermann gebracht, der Landkreis sanierte die vier durchlöcherten Fundamente, auf denen die Schwebefähre stand, mit einem Millionenbetrag. Hinter den Kulissen liefen Gespräche, ob möglicherweise ein gemeinsamer Weltkulturerbe-Antrag für alle Schwebefähren Aussicht auf Erfolg hat. Doch das hat sich vorerst zerschlagen. Auf irgendeinem Aktenstapel ist dieser "serielle Antrag" für alle Schwebefähren der Welt sicherlich noch zu finden. Doch ob er jemals noch bearbeitet wird? Da darf man getrost skeptisch sein.
Investitionen in Millionenhöhe
Der Pendelbetrieb zwischen den beiden Oste-Ufern wird zwar von den Ehrenamtlichen der Schwebefährengesellschaft in Osten gewährleistet und damit auch ein besonderes touristisches Angebot bewahrt, doch als Eigentümer des imposanten Bauwerks steht der Landkreis Cuxhaven in der Pflicht. Und der musste in den vergangenen Jahrzehnten nach der Stilllegung der Schwebefähre für den Straßenverkehr - nach dem Bau der Ostebrücke im Zuge der B495 in wenigen hundert Metern Entfernung - nicht nur die übliche "Pflege" garantieren, sondern auch teure Instandsetzungsmaßnahmen. Zuletzt wurden die vier porösen Fundamente der Hängebrücke durch sogenannte "Injektionen" stabilisiert. Doch bereits zu diesem Zeitpunkt stand fest, dass dies nur ein Vorgeschmack auf die finanziellen Dimensionen für die notwendige Sanierung des eigentlichen Traggerüstes wäre, das Schäden aufweist. Vor rund 20 Jahren war die gesamte Konstruktion bereits einmal komplett verhüllt worden, um das Gerüst sanieren zu können. Es dürfte, wenn die zwei Millionen Euro als Fördermittel fließen, jetzt erneut zu einer derartigen "Einhausung" kommen.
Vom Tourismus war 1909 noch keine Rede
Von solchen Summen war man übrigens 1909, als die Fähre nach einer nur halbjährigen Bauzeit in Betrieb genommen worden war, weit entfernt. An die Bedeutung für den Tourismus dachte damals niemand. Vielmehr brach nach der offiziellen Inbetriebnahme im Oktober 1909 eine Phase an, in der Fahrzeuge und Menschen ohne Probleme wegen der Wasserstände der Oste zwischen den Ufern trockenen Fußes hin- und herpendeln konnten.
Vor über 50 Jahren (1974) war es damit vorbei: Die Schwebefähre war quasi durch den Bau der Ostebrücke für den "Öffentlichen Personennahverkehr" wertlos. Um sie vor dem Schneidbrenner zu bewahren, übernahm der damalige Landkreis Land Hadeln dieses Bauwerk, das inzwischen als technisches Baudenkmal eingestuft worden war. Bereits ein Jahr später musste die Konstruktion gesandstrahlt und neu lackiert werden, um eine Korrosion zu verhindern. Kostenpunkt damals: stattliche 235.000 Mark. Es folgten in den nächsten Jahrzehnten weitere Maßnahmen, sicherheitsbedingte Stilllegungen und Investitionen in Millionenhöhe, um den inzwischen voll auf den Tourismus zugeschnittenen Fährbetrieb zu erhalten.
Jetzt stehen 8,5 Millionen Euro als Investition an. Der Wille, diese Summe zu stemmen, ist vorhanden. Bleiben die Fragen: Fließen die Zuschüsse und reicht die vor zwei Jahren genannte Summe überhaupt noch aus?
Spätestens 2026 wird das Geheimnis um die "Eiserne Lady" gelüftet - und die hat bekanntlich seit 2009 schon so einige turbulente und stürmische Zeiten erlebt.



