
Archäologen entsetzt über U-Boot-Bergung vor Neuwerk: "Deutsches Kulturerbe zerstört"
Die Überreste des deutschen U-Boots U16, die vor Scharhörn geborgen und nach Cuxhaven gebracht wurden, sollen auf dem Schrottplatz landen. Die Bergung stößt auf scharfe Kritik von Experten, die den Vorgang als "illegal" bezeichnen.
Die Überreste des deutschen U-Boots U-16, die vor Scharhörn geborgen wurden, sollen laut dem Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Elbe-Nordsee (WSA), das die Bergung beauftragt hat, auf dem Schrottplatz landen. Sowohl die Bergung als auch der Umgang mit dem Wrack stoßen auf scharfe Kritik von Experten, die den Vorgang als 'illegal‘ bezeichnen. Das WSA äußerte sich zu den Vorwürfen.
Florian Huber, promovierter Unterwasserarchäologe und Forschungstaucher, bezeichnet die Bergung als illegal: "Bei der jüngst durchgeführten Bergung des U-Boots handelt es sich um eine illegale Aktion. Weder die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) als Eigentümerin noch die zuständigen archäologischen Fachbehörden wurden einbezogen. Damit wurden geltende rechtliche und denkmalpflegerische Vorgaben missachtet."

Die BImA bestätigte auf Nachfrage unseres Medienhauses: "Eine Bergungsgenehmigung wurde durch die BImA nicht erteilt. Eine Information über die beabsichtigte Bergung im Vorfeld erfolgte nicht. Uns ist die Angelegenheit erst nach Bergung der ersten Wrackteile bekannt geworden." Mittlerweile habe man mit der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes Kontakt aufgenommen und steht im Austausch über die weitere Vorgehensweise. Die Wrackteile sollen zunächst in geeigneter Weise zur Vermeidung von Verfall und dem Zugriff Unbefugter gesichert werden.
Es hätte andere Optionen gegeben
"Rechtlich betrachtet gehört das Boot der Bundesrepublik. Über den Umgang mit Funden entscheide das Bundesamt für Immobilienaufgaben", sagt Jens Auer, Sprecher von der Kommission für Unterwasser- und Feuchtbodenarchäologie im Verband der Landesarchäologien und ergänzt: "Das ist ja schließlich deutsches Kulturerbe. Wir können das ja nicht einfach kaputt machen. Selbst wenn es sich um ein Schifffahrtshindernis gehandelt hätte, hätte man andere Optionen gehabt."

Ein Sprecher der Bundesanstalt BImA erklärt: "Bei der U16 handelt es sich um ein U-Boot der deutschen Kaiserlichen Marine. Die Wrackteile stehen somit im Eigentum des Bundes und die BImA vertritt die Eigentümerinteressen des Bundes." Es gilt der Grundsatz, dass der Bund an einer Bergung nicht interessiert ist und als Eigentümer auch eine Bergung durch Dritte untersagt hat. Bergungsgenehmigungen werden nach Prüfung des jeweiligen Einzelfalls nur in begründeten Ausnahmefällen erteilt - das war hier nicht der Fall.
Florian Huber betont: "In Zusammenarbeit mit Archäologen und Behörden hätte man das Schiff auch versetzen können. Das ist gängige Methode: Man kann das U-Boot leicht anheben und hundert Meter weiter wieder absetzen. Das wurde nicht in Betracht gezogen."

Jens Auer äußert scharfe Kritik. Ihm fehlen beinahe die Worte: "Normalerweise versuchen wir, Denkmale immer dort zu belassen, wo sie sind. In dem Moment, in dem sie an die Oberfläche geholt werden, zerstöre ich sie. Man hätte vorher auch ganz sicher feststellen müssen, dass es sich nicht um ein Seemannsgrab handelt. Man hat die etablierten Prinzipien gebrochen."
Ein WSA-Sprecher erklärte dagegen gegenüber unserem Medienhaus: "Dem Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) war nicht bekannt, dass ein vor über 100 Jahren gesunkenes U-Boot möglicherweise im Eigentum der BImA stehen könnte. Das Wrack der U16 ist bereits seit 1960 verzeichnet und wurde seitdem weder als Denkmal eingestuft noch wurde ein Anspruch darauf erhoben. Daher ging das zuständige Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt von einem herrenlosen Gut aus."
Aus Sicht des WSA gab es nur eine Möglichkeit: "Um die Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs zu gewährleisten, blieb nach sorgfältiger Abwägung nur die Bergung als verantwortbare Maßnahme. Die hierfür entstehenden Kosten trägt das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Elbe-Nordsee."

"Die Vorgehensweise ist ein fatales Signal"
Huber und Auer bezeichnen die Vorgehensweise als fatales Signal: "Wir als Archäologen schützen die Wracks, und dann wird vom WSA die U-16 einfach gehoben und zerstört - ohne wissenschaftliche Begleitung."
Huber selbst war an der Dokumentation der UC-71 vor Helgoland beteiligt: "Da haben wir ein 3D-Modell erstellt, eine Ausstellung vorbereitet, ein Buch veröffentlicht - und das Wrack steht jetzt unter Denkmalschutz."
Auch Museen hätten Interesse gezeigt, das Wrack aufzunehmen, doch laut Huber scheitern solche Vorhaben an fehlender Planung und hohen Kosten.
Der Experte sagte: "Es ist viel zu teuer, da die Hülle jetzt rostet. So etwas plant man normalerweise Jahre im Voraus, nicht im Nachhinein. Um ein Wrack dieser Größe zu konservieren, braucht man erhebliche finanzielle Mittel. Es ist einfach alles komplett falsch gelaufen. Es gab keine Dokumentation, keine archäologische Begleitung, keine fachliche Begleitung, keine Recherche vorher, nichts. Es wurde deutsches Kulturerbe zerstört."