
Gedenkveranstaltung in Cuxhaven: 17-Jähriger war letztes NS-Opfer
CUXHAVEN. Der Einspruch des katholischen Pfarrers konnte ihn nur vor dem Tod durch den Strang retten; statt dessen starb der erst 17-jährige Mariner Engelbert Thaurer fünf Tage vor Kriegsende durch eine Kugel.
Schon als Kind soll Engelbert Thaurer aus Zell am Ziller/Tirol davon gesprochen haben, dass er Marinesoldat werden wolle. Als er - blutjung - tatsächlich zur Kriegsmarine nach Cuxhaven kam, war das letzte Kriegsjahr schon angebrochen. Und damit auch sein letztes Lebensjahr: Mit nur 17 Jahren wurde er am 3. Mai 1945 in Cuxhaven erschossen, wahrscheinlich auf dem Schießplatz in Sahlenburg. Er gilt als letztes Opfer der NS-Marinegerichtsbarkeit. Am 8. Mai 1945 war der 2. Weltkrieg beendet.
Das Schicksal des jungen Österreichers ist eines von elfen, die am kommenden Freitag, 8. November, in der Geschwister-Scholl-Schule in Altenwalde, dargestellt werden, bevor mit jeweils einer Kerze der NS-Opfer gedacht wird. Dabei wird Engelbert Thaurers Bruder, der zum ersten Mal in Cuxhaven ist, persönlich anwesend sein.
Schüler einbezogen
"Narben bleiben - die Erinnerung lebt weiter", so heißt die Veranstaltungsreihe, die Manfred Mittelstedt, 1. Vorsitzender des "Vereins für Gedenkkultur - Narben bleiben, die Erinnerung lebt weiter" vor 14 Jahren ins Leben gerufen hat. Erstmals zieht er damit in die Geschwister-Scholl-Schule Altenwalde. Die Schülerinnen und Schüler der Abschlussklassen werden zusammen mit ihren Lehrkräften die Gedenkfeier verfolgen, Hintergründe zu ausgewählten Schicksalen vortragen und Lichter für jedes Opfer entzünden. Musikalische Akzente setzt Udo Brozio. Auch andere Interessierte sind zu der Stunde (Beginn 11 Uhr) eingeladen.
Die ganze Perfidie des Systems lässt sich am Fall des jungen Soldaten Engelbert Thaurer ablesen, der allem Anschein nach noch niemals aufgearbeitet oder gar öffentlich gemacht worden ist. In der Heimatgemeinde sei dessen Schicksal bislang unbekannt gewesen, berichtet Manfred Mittel-stedt. Auf einer Gedenktafel ist er zwar als "gefallen" aufgeführt, aber die Hintergründe lagen bislang verborgen in Archiven. Dabei handelt es sich Details, die das Blut in den Adern gefrieren lassen: Der Krieg sei ja wohl verloren, soll der Junge im April 1945 auf dem Bahnhof in Bremerhaven gesagt haben. Das war damals schon zu viel. Er wurde angezeigt und kriegsgerichtlich zum Tode verurteilt - mit dem Hinweis, dass eine Kugel zu schade sei, er solle aufgehängt werden. Der katholische Pfarrer soll mit dem Hinweis auf dessen Alter erreicht haben, dass er erschossen wurde.
Für Archive erhalten
Weitere Umstände hat Manfred Mittelstedt in einem Heft zur Gedenkstunde verzeichnet. Er dankt besonders dem Stadtarchiv Cuxhaven mit seinem Leiter Dr. Friedhelm Gleiß und der Gemeinde Zell am Ziller, die alle Unterlagen dauerhaft zur Verfügung gestellt bekommen werden. Zu den weiteren zehn Opfern, an die am Freitag erinnert werden soll, zählen auch die Widerständler Otto und Elise Hampel, deren Schicksal in diesem Jahr Thema einer großen Ausstellung in Cuxhaven war, und Kurt Pester, einer der noch kurz vor Kriegsende in Sahlenburg ermordeten Helgoländer Soldaten. Ebenso Jenny und Eugen Grimminger: Nachdem er als Unterstützer der durch Hans und Sophie Scholl bekannt gewordenen Widerstandsgruppe "Die weiße Rose" festgenommen und eingesperrt worden war, wurde sie - als Jüdin bislang noch durch ihre "Mischehe" geschützt - verhaftet und ins KZ deportiert. Sie starb am 1943 in Auschwitz.