Ein Panzer vom Typ Marder A1 rollt im Winter 78/79 durch die Altenwalder Hauptstraße. Foto: Baltin/Sammlung Ortsrat Altenwalde
Ein Panzer vom Typ Marder A1 rollt im Winter 78/79 durch die Altenwalder Hauptstraße. Foto: Baltin/Sammlung Ortsrat Altenwalde
Historie

1978: Der unvergessene Winter im Kreis Cuxhaven

von Christian Mangels | 01.01.2019

KREIS CUXHAVEN. Vor 40 Jahren liegt das Cuxland unter meterhohen Schneemassen. Im  Serienstart erinnern sich die Leser der Cuxhavener Nachrichten und Niederelbe-Zeitung.

Die Katastrophe kam aus heiterem Himmel: Nach einem milden Weihnachtsfest rollte Ende Dezember 1978 eine gewaltige Kaltfront auf das Cuxland zu. Innerhalb weniger Stunden fielen die Temperaturen von milden 5 Grad auf minus 20 Grad. Straßen wurden unpassierbar, viele Dörfer waren nicht mehr erreichbar, Telefon- und Stromleitungen brachen unter der Last der Schneemassen. Zahlreiche Leser sind dem Aufruf unserer Zeitung zum Jahrhundertwinter gefolgt und haben Erlebnisse, Bilder und ganze Fotoalben geschickt. Wir stellen diese Erinnerungen in einer Serie vor.

Es ist ein Wintereinbruch, den diejenigen, die ihn erlebt haben, wohl nie vergessen werden. Am Morgen des 28. Dezember 1978 liegt die Temperatur noch bei etwa zehn Grad über Null - typisches Weihnachtstauwetter. Dann ändert sich das Wetter schlagartig: Über Norddeutschland legen sich eisige Luftmassen von bis zu 47 Grad Minus und feuchtwarme Atlantikluft übereinander. Ab dem Nachmittag stürzen die Temperaturen um bis zu 30 Grad Celsius. Es beginnt heftig zu schneien. Zum Jahreswechsel 1978/79 - vor 40 Jahren - versinkt das Cuxland komplett im weißen Winterkleid. Der Katastrophenwinter dauert mehr als zwei Monate an. B 73 und B 6 sind ebenso blockiert wie beide nach Cuxhaven führende Bahnlinien, auf denen Züge feststecken. Im Cuxhavener Rathaus tagt der Katastropheneinsatzstab unter der Leitung von Dr. Hans-Heinrich Eilers. Oberkreisdirektor Jürgen Prieß löst Katastrophenalarm für den Landkreis aus und schaltet die Bundeswehr ein. Ein 42-jähriger Seemann des Fangfabrikschiffs "Erlangen", der versucht, sein zehn Kilometer entferntes Zuhause zu Fuß zu erreichen, stirbt in einer Schneewehe an Unterkühlung.

Frank Müller aus Cuxhaven gehört zu denjenigen, die den Jahreswechsel 1978/79 wohl nie vergessen werden: "Wir feierten bei uns im Königshof 22 Silvester und als wir nachts vor die Tür gingen, stand der Schnee in der Hausecke bis zur Unterkante unseres Wohnzimmerfensters. Wir hatten vorher nichts davon mitbekommen." Müller arbeitet in dieser Zeit bei "Fernseh-Frey" - und ist der einzige Mitarbeiter, der es in die Firma schafft: "Ich bin mit Werkzeug und Röhrenkoffer auf dem Schlitten zu Reparaturen zu den Kunden gelaufen, die ich erreichen konnte und habe sogar einen kleinen Fernseher per Schlitten ausgeliefert", erinnert sich Müller mit einem Lachen.

In der Rückschau empfindet kaum ein Einsender die Schneekatastrophe tatsächlich als bedrohliche Krise. Ganz im Gegenteil: Noch heute schwärmen viele Cuxländer von der Hilfsbereitschaft und dem großen Zusammenhalt, der damals in der Bevölkerung geherrscht hat. "Das kollektive Schneeschippen mit der Nachbarschaft hat richtig Spaß gemacht", berichtet Karin Wißner, die damals in einer kleinen Sackgasse in Sahlenburg wohnt, in die kein Räumfahrzeug kommt. Als das Auto-Fahrverbot kommt, fährt Karin Wißner mit dem Bus zur Arbeit. "Abends hatte ich Glück. Mein Chef war Arzt, durfte Auto fahren und brachte mich immer nach Hause."

Viel Hilfsbereitschaft gibt es im Winter 1978/79 auch auf dem Land. Bianca Abrat berichtet unserer Zeitung von einer besonderen Rettungsaktion ihres Vaters Helmut in Hemmoor-Basbeck: "Er brachte mit den Nachbarn Schafe in Sicherheit, die auf der Wiese von den Schneemassen überrascht wurden."

Sabine Buck aus Armstorf kann zwar keine eigenen Erlebnisse zum Jahrhundertwinter beitragen - sie ist Jahrgang 1983 -, doch ihr Mann Timo hat eine schöne Geschichte zu erzählen: Er wird in der Silvesternacht 1978 geboren. Die Fahrt zum Krankenhaus gestaltet sich für die werdenden Eltern Rolf und Rosa äußerst schwierig: "Die Angst mit dem Auto stecken zu bleiben und das Kind im Wagen und der Kälte zu bekommen, war groß", sagt Sabine Buck. Nur weil sie zufällig auf einen Schneepflug treffen, der in Richtung Stade fährt, erreichen sie das Krankenhaus noch rechtzeitig. "Das ist unsere Erinnerung zum Winter 78/79 - die Geburt unseres Silvesterknallers Timo. Und so können wir in diesem Jahr an Silvester seinen 40. Geburtstag feiern", so Sabine Buck.

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Christian Mangels

Redakteur
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

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