
Abwasser bei EWE: Wusste Stadt Cuxhaven von Panne?
CUXHAVEN. Die EWE-Abwassserpanne in Cuxhaven "Anscheinend hat es Gespräche gegeben, aber offenbar hat das nie zu Konsequenzen geführt", zog ein Insider Bilanz.
Nach Recherchen unserer Zeitung ist die EWE Wasser GmbH bereits vor einem Jahr an die Stadt Cuxhaven herangetreten. Dabei soll es um die in der letzten Woche bekannt gewordenen Abrechnungsfehler gegangen sein, aber auch um nicht berücksichtigte Investitionen im Bereich der Cuxhavener Kläranlage.
Was hat man an welcher Stelle und zu welchem Zeitpunkt gewusst? Diese Fragen standen am Donnerstag im Mittelpunkt des Interesses, als der nicht-öffentlich tagende Verwaltungsausschusses zu einer Sitzung zusammentrat.
Nach dem Termin wurde von unterschiedlichen Seiten bestätigt, dass Cuxhavens Oberbürgermeister Ulrich Getsch die Ratsfraktionsspitzen über die inzwischen auch über den lokalen Tellerrand hinaus Schlagzeilen schreibende Abrechnungsaffäre informiert hat. Die Verantwortung für die seitens der Konzernmutter EWE AG eingestandenen Fehler haben (wie berichtet) inzwischen die beiden Geschäftsführer des Entsorgers übernommen: Thomas Windgassen und Gerhard Mauer lassen seit Wochenbeginn ihre Jobs ruhen.
Im Hinblick auf mögliche Versäumnisse könnte allerdings auch die Stadt zunehmend unter Druck geraten: Nach Informationen unserer Zeitung musste sich die Verwaltungsspitze am Donnerstag die Frage gefallen lassen, warum sie die politischen Gremien erst mit mehrmonatiger Verspätung und im Nachgang auf einen EWE-Vorstoß der vergangenen Woche über die sich abzeichnenden Ungereimtheiten ins Bild setzt.
Brisant ist ein Kommunikationsdefizit zwischen Politik und Verwaltung möglicherweise vor allem deshalb, weil sich die Gremien vor exakt einem Jahr mit den Entwässerungsabgaben für den Rechnungszeitraum 2018 - 2020 befasst hatten: Der Fachausschuss für Technische Dienste beriet am 22. November 2017 über die seitens der Stadtverwaltung vorgelegte Gebührenkalkulation. 14 Tage später beschloss der Stadtrat eine sich auf Basis der EWE-Kostenbescheide ergebende Erhöhung der Entwässerungsabgaben, die den Gebührenzahler um zusätzliche 11 Cent pro Kubikmeter belastet. Glaubt man Insider-Berichten, hätte das von Stadtdirektorin Petra Wüst geleitete Fachdezernat bereits zu diesem Zeitpunkt damit rechnen können, dass die mit einstimmigem Votum verabschiedeten Entwässerungsabgaben in der vorliegenden Form nicht haltbar sein würden. Über die dahinter stehende Problematik sollen Vertreter der EWE Wasser im Februar mit der Stadt diskutiert haben. "Danach herrschte Funkstille bis Oktober 2018", vertraute ein Informant unserer Redaktion an.
Hat man im Rathaus die Angelegenheit schleifen gelassen? Diese Erklärung scheint nahezuliegen, ist aber doch wohl ein wenig zu simpel - sofern man Berichte einer weiteren Quelle berücksichtigt: Ein Ratsmitglied, das namentlich nicht genannt werden möchte, sprach im Zusammenhang mit der Abrechnungspanne von einem "Schattenspiel", das über den heutigen Tag hinaus andauere - und an dem der Entsorger möglicherweise maßgeblichen Anteil habe: Zwar habe die EWE Wasser einen Hinweis gegeben, sich der Stadt gegenüber aber eher in Andeutungen ergangen, weswegen der Fehler "nicht in der ganzen Tiefe" erfassbar geworden sei. Das Ausmaß der Panne final zu ermessen, soll übrigens auch jetzt noch nicht möglich sein - mangels belastbaren Zahlenmaterials, mit dem die EWE AG noch nicht "rübergekommen" sei.
Eintrudeln könnte in Kürze immerhin eine Rückzahlung über 9,3 Millionen Euro: EWE-Konzernsprecher Christian Bartsch machte am Freitag deutlich, dass sein Haus "den auf Seiten der Stadt entstandenen Schaden" zunächst komplett beheben wolle, um dann in einem zweiten Schritt über Forderungen zu sprechen, die die EWE AG gegenüber der Stadt geltend macht. Dabei geht es um die nachträgliche Erstattung von Baukosten, die dem Klärwerksbetreiber in den letzten Jahren entstanden sind. In Kreisen der örtlichen Politik sind diese EWE-Forderungen höchst umstritten. Grund: Bei Investitionen auf dem Gelände der im Stadtteil Groden befindlichen Anlage muss der Rat zunächst seine Zustimmung geben - was die EWE Wasser GmbH nicht berücksichtigt haben soll. Schon vor Jahresfrist bemühte sich der Entsorger wohl darum, dieses Versäumnis zu heilen - ein Umstand, der die Aufarbeitung der Abrechnungspanne in die Länge gezogen haben könnte.