
EWE-Affäre: Cuxhavener Politik will Antworten
CUXHAVEN/STADE/OLDENBURG. In der Affäre um gravierende Abrechnungspannen der EWE Waser GmbH in Cuxhaven, verlangen SPD und CDU jetzt Aufklärung.
Die Überraschung war offenbar nicht sehr groß. "Wir bedauern die Entscheidung von Thomas Windgassen und haben Achtung vor seinem entschlossenen Handeln": So kommentierte am Mittwoch die Hauptgeschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Stade, Maike Bielfeldt, den Rücktritt des IHK-Präsidenten. Bielfeldt ergänzte, dass die Kammer Windgassen "als aufrichtige Persönlichkeit" kenne.
Der Druck auf Windgassen, der als Geschäftsführer der EWE Wasser GmbH jahrelang fehlerhafte Abrechnungen für die Abwassereinigung in Cuxhaven mit zu verantworten hat, war in den vergangenen Tagen stark gestiegen. Nachdem er bereits als EWE-Wasser-Geschäftsführer freigestellt worden war, wollte er nicht zu einer Belastung für die IHK werden. Die Präsidentschaft nur vorübergehend ruhen zu lassen, könne er sich "angesichts der Wichtigkeit des Amts" nicht vorstellen, erklärte er in einer Mitteilung. Und er ergänzte, er werde mithelfen, die Fehler bei der EWE Wasser GmbH aufzuarbeiten.
Thiemo Röhler, CDU/FDP-Gruppenvorsitzender im Stadtrat, erklärte in einem Telefonat mit unserer Zeitung, er selbst halte es für überzogen, dass Windgassen im Zuge der Abwasser-Affäre seinen Hut nehmen müsse. Selbstredend seien Fehler passiert, allerdings habe der Entsorger, der seit Bekanntwerden eines 9,3 Millionen Euro teuren Fehlers Schlagzeilen schreibt "niemanden wissentlich hinter die Fichte geführt".
Die Politik hinterfragt inzwischen auch, welche Rolle der Stadt Cuxhaven im Rahmen der Abrechnungspanne zukommt. Das Ausmaß einer etwaigen Mitschuld der Stadtverwaltung (sie könnte sich aus dem Vorwurf ergeben, die Abrechnungen des Vertragspartners nicht hinreichend geprüft zu haben) hält der CDU/FDP-Gruppenvorsitzende nach derzeitigem Stand für "überschaubar". In der heutigen Verwaltungsausschusssitzung soll dennoch die Frage gestellt werden, was die Fachleute im Rathaus getan oder gelassen haben. Dabei wird nach Auffassung des SPD-Ratsfraktionsvorsitzenden Gunnar Wegener zu klären sein, ob eine Kontrolle der Entsorger-Rechnungen aus Fahrlässigkeit unterblieb oder weil es der Verwaltung inzwischen ganz einfach an geschultem Personal fehlt, das in der Lage wäre, die als ausgesprochen komplex beschriebene Materie zu durchblicken. "Ich weiß nicht, woran es gelegen hat und ob bei der Stadt überhaupt Fehler passiert sind", betonte Wegener. Wenn doch, dann erwarte er "eventuell ähnliche Konsequenzen seitens des Oberbürgermeisters, wie sie der Vorstand bei EWE gezogen hat". Entscheidend für die SPD-Fraktion sei es jedoch, so schnell wie möglich eine Lösung für den Gebührenzahler auf den Weg zu bringen.
"Ich erwarte, dass der Oberbürgermeister zeitnah einen Vorschlag macht, wie den Leuten die 9,3 Millionen Euro gutgeschrieben werden können", sagte Wegener. An der EWE-Konzernzentrale in Oldenburg wird die Erstattung nach Informationen des SPD-Rastfraktionschefs offenbar nicht scheitern: "Angeblich brauchen die nur noch eine Kontonummer, um das Geld zu überweisen."
Nach Auffassung seines Ratskollegen Röhler wird eine Gutschrift in Tranchen erfolgen - was nicht bedeuten soll, dass die Angelegenheit auf die lange Bank geschoben wird. "Als CDU/FDP sind wir der Meinung, dass man sofort reagieren muss, indem man bei der Gebührenkalkulation für die kommenden beiden Jahre jeweils etwa 900 000 Euro herausrechnet", betonte Röhler und nannte damit eine Größenordnung, die im Mittel ungefähr dem zu viel berechneten Jahreswert entsprechen dürfte.
An der Tatsache, dass der Gebührenzahler einen Erstattungsanspruch hat, besteht aus Sicht des Bundes der Steuerzahler Niedersachsen und Bremen e. V. kein Zweifel: "Da muss die Stadt dringend drauf pochen", betonte Jan Vermöhlen (BdSt) gegenüber unserer Zeitung.
Vor dem Hintergrund sinkender Zinsen hätte sich die Kommune auch schon früher die Frage stellen müssen, "was für einen Kapitaldienst man sich da eigentlich aufgebürdet hat", ergänzte Vermöhlen, der - ohne die Situation vor Ort genau zu kennen - präventiv den Rat erteilte, ähnlich gelagerte Verträge genau unter die Lupe zu nehmen.
Worum geht es?
Für die Wasser-Aufbereitung in seiner Kläranlage schreibt der Dienstleister EWE Wasser der Stadt eine Rechnung, die unter anderem eine Kapitalkostenpauschale enthält. Diese Pauschale kompensiert Zinserträge, die der Anlagenbetreiber erzielt hätte, wenn er die Deckungssumme für seine Betriebskosten angelegt hätte.
Analog zu sinkenden Zinsen hätte auch die Pauschale angepasst werden müssen. Zwischen 2008 und Ende 2017 soll dies nur für den Bereich Neuinvestitionen erfolgt sein, nicht aber für die Bestandsanlagen der Kläranlage, die bis 2003 im Besitz der Stadt war. Auf diese Weise wurden 9,3 Millionen Euro zu viel berechnet.