Ärger bei Verbrauchern in Cuxhaven: Ungereimtheiten um Gelbe Tonne
CUXHAVEN. Dass einige Haushalte längst eine Gelbe Tonne besitzen, spielte beim Systemwechsel in Cuxhaven offenbar keine Rolle.
Man habe lediglich den Vorgaben des Auftraggebers entsprochen und flächendeckend eine Alternative zum Gelben Sack eingeführt. So rechtfertigt sich die Bremerhavener Entsorgungsgesellschaft (BEG) in der Debatte um Versäumnisse bei der Zuteilung der neuen Behälter: Bürger, die sich in Vorjahren eigenständig eine Gelbe Tonne angeschafft hatten, sollen jene nun nicht mehr benutzen dürfen.
Im Rats-Ausschusses für Technische Dienste machte BEG-Geschäftsführer Addissou Lothar Makonnen am vergangenen Montag klar, dass sein Haus nur das ausgeführt habe, was der Auftraggeber von seinem Unternehmen verlangt habe. Cuxhavener Haushalte mit Gelben Tonnen auszurüsten, soll eine Order gewesen sein, die eines der Dualen Systeme erteilte - und nicht etwa die hiesige Stadtverwaltung.
Pauschalaussage bei Vergabe
Gleichwohl will die Kommune auf einen Bestand an privat beschafften Sammelbehältern hingewiesen haben, und nachdem die BEG vor Ort seit rund drei Jahren das Abfuhrgeschäft betreibt, hätten ihr die örtlichen Verhältnisse durchaus bekannt sein können. Trotzdem berief sich der via Webcam zugeschaltete Entsorger am Montag strikt auf den Ausschreibungstext. Darin soll eine Mischsituation nicht thematisiert worden sein. Ganz im Gegenteil, so die BEG sinngemäß: Bei der Vergabe habe es geheißen, dass Verpackungsabfälle im Stadtgebiet bis dato in Gelben Säcken gesammelt worden seien. "Die Ausschreibung sah vor, Tonnen aufzustellen, wir müssen deshalb vertragsgemäß verfahren", betonte der BEG-Geschäftsführer und wies - die Frage nach etwaigen Ausnahmen beantwortend - lediglich auf vertraglich vereinbarte Sonderregelungen bezüglich der Behältergrößen hin. Unter anderem sei festgelegt worden, dass Mehrfamilienhäuser mit mehr als 20 Parteien statt der üblichen 240 Liter-Tonne optional einen 1,1 Kubikmeter-Behälter erhalten könnten.
Frank Püchel, BEG-Niederlassungsleiter, sprach davon, dass in Wohnanlagen - "ähnlich wie bei der Biotonne" - die Möglichkeit bestanden habe, sich eine Gelbe Tonne mit den Nachbarn zu teilen. "Wir brauchen dafür aber", betonte Püchel, "die Rückmeldungen der Eigentümer": Resonanz, die der Vertragsnehmer BEG bislang vermisst haben will. Im Namen seines Unternehmens zeigte sich Püchel allerdings dazu bereit, "zu viel aufgestellte Tonnen zurückzunehmen". Mit dem Ziel, die Gesamtzahl der Müllbehälter, die sich durch die parallel erfolgende Auslieferung der Biotonnen erhöht, zu verringern.
Mieter hätten ihren individuellen Tonnen-Bedarf womöglich deswegen nicht kommuniziert, weil sie das Abfallgeschehen bisher als Sache ihres Vermieters begriffen: Das vermutete jedenfalls Anton Werner Grunert (AfD); die Stadtverwaltung entgegnete (auf das Thema Biotonne bezogen) dass es eben jene Eigentümer und Hausverwaltungen gewesen seine, die zwecks Bedarfsermittlung angeschrieben worden seien.
Unruhe unter Bürgern
"Ich weiß unter anderem von der Siedlung, dass es dort gut geklappt hat mit der Biotonne", meldete sich Michael Stobbe zu Wort: Für den SPD-Ratsherren ist es nach wie vor nicht nachvollziehbar, dass in Haushalten vorhandene Gelbe Tonnen angeblich nicht mehr benutzt werden können. "Warum geht das nicht?", hakte Stobbe mehrfach nach. Er sprach von Ressourcenverschwendung und von einer "Riesen-Unruhe in der Bevölkerung". Grünen-Ratsherr Robert Babacé nannte den Vorgang ein "Ärgernis"- gerade weil die Ratspolitik schon im Vorfeld auf sie Sache mit den teils schon vorhandenen Wertstoffbehältern hingewiesen hatte. "Lieber zu viel als zu wenig", argumentiert hingegen die BEG, deren Geschäftsführer am Montag auf die Möglichkeit hinwies, dass ein Entsorgungsfahrzeug bei der Leerung die gesamte Tonne "verschluckt". Sollte dieser Fall eintreten, sei es "gut, wenn es klare Verhältnisse gibt", sagte Makonnen auf Eigentums- und Haftungsfragen bezogen.
Kommentar von Kai Koppe: Entsorger blieb eine Antwort schuldig
Nachzuvollziehen ist das beim besten Willen nicht mehr: Ein System, das sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben hat und eigentlich eingeführt wurde, um Ressourcen zu schonen, zwingt nun nicht wenigen Bürgern in dieser Stadt eine weitere, eine zusätzliche Tonne auf. Und das, obwohl der im Haushalt vorhandene Wertstoffsammelbehälter intakt und damit keineswegs ein Fall für den Schrottplatz sein mag. "Die Ausschreibung!", argumentiert der Vertragspartner allen Ernstes und zieht sich - möglicherweise wider besseres Wissen - auf Formalismen zurück. Scheuklappendenken wurde selten eindrucksvoller zur Schau gestellt als in der Live-Schalte mit der BEG in Bremerhaven (s. nebenstehenden Artikel), die einigen Ausschussmitgliedern noch nach Sitzungsende ein Kopfschütteln abnötigte. "Wir machen das, was von uns verlangt wird" - sinngemäß war das in der vorausgegangenen Stunde mehrfach zu hören gewesen; abgesehen von diesem gebetsmühlenartig vorgetragenen Mantra gab sich der Entsorger relativ wortkarg - gerade als es um die Frage ging warum die neuen Tonnen a) gechippt worden sind und warum b) um Himmels willen denn die vorhandenen Gelben Tonnen plötzlich nicht mehr geleert werden können.
Das eine könnte mit dem anderen zusammenhängen, weitere Erklärungsmodelle sind denkbar: Will man den Leerungsvorgang in Zukunft unter Umständen teilautomatisieren und setzt deswegen auf einheitliche, auf genormte Behälter? Wo die Verantwortlichen Antworten schuldig bleiben, schießen Spekulationen ins Kraut, mögen sie unter Aspekten der Praktikabilität auch mehr oder weniger abwegig erscheinen. Vor allem erzeugt mangelnde Transparenz Frust: Unverständnis und Verdruss, ausgerechnet unter denjenigen, die sich in der Vergangenheit beispielhaft verhalten haben. Denn diejenigen, die jetzt in die Röhre gucken - Bürger, die erwägen, ihre vorhandene Gelbe Tonne mit der Flex klein zu hacken (oder bestenfalls im eigenen Garten als Zisterne zweckzuentfremden - das sind doch diejenigen, die sich in der Vergangenheit um das Thema Wertstoffsammlung Gedanken gemacht haben. Und schon bald zu dem Schluss kamen, dass die von Möwen aufgepickten und von Windböen durchs Stadtgebiet getriebenen Gelben Säcke in einer Stadt wie Cuxhaven eben keine saubere Lösung darstellen. Auf eigne Rechnung haben sie einen festen Behälter gekauft, der im einen Fall ein Schnäppchen gewesen sein mag, in einem anderen mit ein paar hundert Euro zu Buche schlug.
Anschaffungspreis oder Restwert dieser privat vorhandenen Gelben Tonnen bilden nach meiner Auffassung übrigens gar nicht den springenden Punkt. Im vorliegenden Fall geht es ums Prinzip - darum, dass es Systembetreiber und Auftragnehmer gelungen ist, Leute vor den Kopf zu stoßen. Deshalb muss man sich den selbigen nun über ein Thema heiß reden, das man anderenfalls kurz und bündig als Erfolg verbuchen könnte.
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