"Aufrufe zur Meuterei": Desaströse Zustände an Bord der "Mein Schiff 3"
CUXHAVEN. Die Stimmung unter den Crew-Mitgliedern der "Mein Schiff 3" ist am Boden. Insider berichten von desaströsen Zuständen auf dem Kreuzfahrtschiff, das knapp eine Woche in Cuxhaven lag.
Bei einem Fall bleibt es nicht: Bis Montagabend sind auf dem Kreuzfahrtschiff "Mein Schiff 3" am Cuxhavener Steubenhöft acht Corona-Infektionen - einschließlich der ersten - bekannt geworden. Die weiteren Ergebnisse sollen am heutigen Dienstag vorliegen. Dann kommt auch die "Mein Schiff 6" (geplante Ankunftszeit 7 Uhr) nach Cuxhaven, um negativ auf Covid-19 getestete Personen zu übernehmen. TUI Cruises reagiert damit auch auf wachsende Unruhe - die Rede war auch von "Aufrufen zur Meuterei" - an Bord.
Es brodelt augenscheinlich auf dem Schiff. Die Polizei Cuxhaven bestätigte einen Einsatz wegen Sachbeschädigung am Sonnabend. Dabei sei ein Schaden von mehreren Tausend Euro aufgenommen worden. Informationen unserer Zeitung zufolge soll die Rezeption betroffen sein. Auf einem Video, das am Schiff entstanden sein soll, sind Rettungswagen zu erkennen und aufgeregte "Enough-is-enough"-Rufe ("genug ist genug") zu hören.
Ungewissheit und Angst
Auf dem Internetportal "schiffe-und-kreuzfahrten.de" werden in mehreren Kommentaren, die aus Sicht von Fachleuten authentisch sind und von Seeleuten an Bord stammen, die Bedingungen angeprangert: von Enge, schlechtem Essen und Ungerechtigkeiten bei der Arbeit ist die Rede - die einen müssen ihre Kollegen versorgen, die auf einmal in die Passagierrolle geschlüpft sind. Andere Reedereien hätten es zudem sehr viel schneller hinbekommen, ihre Leute nach Hause zu bringen.
Außenstehende sprechen fast von einem psychologischen Experiment im Real-Leben. An die 70 Nationalitäten, Ungewissheit, Angst um die wirtschaftliche Zukunft, Enge, Sehnsucht nach Hause, instabiles Internet ... das zerrt an den Nerven. Die schon vor Bekanntwerden der Corona-Fälle schwierige Lage habe sie letztlich ja auch bewogen, die "Mein Schiff 3" aus "humanitären Gründen" das Steubenhöft anlaufen zu lassen, so Cuxhavens Oberbürgermeister Uwe Santjer und Landrat Kai-Uwe Bielefeld.
Die Seemannsmission Cuxhaven erreichten und erreichen zahlreiche Hilferufe von Bord. Der Kontakt erfolgt jedoch nur auf digitalem Weg, dabei sind auch andere Seemannsmissionen eingebunden. Möglich war es, Telefonkarten und andere Gegenstände für Teile der Crew zu übergeben. Persönlich sei das Schiff nicht betreten worden.
TUI Cruises reagierte zunächst mit einer Pressemitteilung, nach der die Versorgung mit Lebensmitteln gesichert sei. Die Situation an Bord sei für die Crew an Bord aber ohne Zweifel sehr belastend. Man bedanke sich für die Geduld.
2828 Corona-Tests hatte ein fünfköpfiges Team der Helios-Klinik Cuxhaven allein am Sonntag auf dem Schiff durchgeführt. Das fünfköpfige Team bestand nach Angaben der Krankenhaussprecherin Katharina Recht aus Beschäftigten des Corona-Testzentrums an der Klinik, die das dort etablierte Procedere auch auf dem Schiff angewandt hätten.
Aufgrund der hohen Anzahl von Proben seien mehrere Labore beauftragt worden - in Bremen, in Hamburg und auch in Cuxhaven. Die Kosten werden laut Landrat Kai-Uwe Bielefeld bei Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland von den Kassen getragen. Für den Großteil der Crew dürfte dies nicht zutreffen, somit müsse hierfür TUI Cruises eintreten. Das eine Besatzungsmitglied, das vorsorglich auf der Isolierstation der Helios-Klinik Cuxhaven aufgenommen wurde, soll weiterhin wohlauf sein. Die anderen Betroffenen sollen mit "keinen oder milden" Symptomen auf ihren Kabinen isoliert sein.
Transport auf dem Seeweg
Die "Mein Schiff 6" wird heute, Dienstag, gegen 7 Uhr in Cuxhaven erwartet. Diese ist aktuell nur mit 254 Besatzungsmitgliedern belegt und lag vor der deutschen Küste auf Reede. Nach Angaben der TUI Cruises sollen alle bisher negativ getesteten Besatzungsmitglieder auf die "Mein Schiff 6" wechseln und sich dort in Einzelkabinen in Isolation begeben. Kontakt zu den Besatzungsmitgliedern der "Mein Schiff 6" werde es nicht geben. Laut Landrat Kai-Uwe Bielefeld wird die "Mein Schiff 6" am nicht öffentlich zugänglichen Offshore-Terminal festmachen. Die Verlegung der Besatzungsmitglieder erfolge auf dem Seeweg.
Zusätzlich treibt TUI Cruises die Rückreise der Besatzungsmitglieder in ihre Heimat an. Man habe für die kommenden Tage Flugzeuge für Flüge in die Ukraine und nach Indonesien gechartert, und zwar am 8. Mai von Hamburg nach Kiew für 160 Besatzungsmitglieder und von Frankfurt nach Jakarta für 369 Besatzungsmitglieder sowie am Montag von Frankfurt nach Denpasar. Dann sollen ebenfalls 369 Passagiere an Bord sein - alle vorher negativ auf Covid 19 getestet.
Ein Team des Robert-Koch-Instituts, das am Montag eintreffen sollte, wird zusammen mit dem Gesundheitsamt des Landkreises die Suche nach dem Übertragungsweg fortsetzen.
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