Im Labor des Landeskriminalamtes (LKA) werden Munschleimhautzellen eines Probanden in einnen Reaktionsbehälter gegeben. Foto: Hoppe/dpa
Im Labor des Landeskriminalamtes (LKA) werden Munschleimhautzellen eines Probanden in einnen Reaktionsbehälter gegeben. Foto: Hoppe/dpa
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"Cold-Cases"-Ermittler sind auf der Jagd nach neuen Ansatzpunkten

02.10.2019

KREIS CUXHAVEN. "Mord verjährt nie", heißt es in unserer Rechtsprechung - ein Satz, der Tätern als Warnung dienen soll, aber gleichzeitig einen Arbeitsauftrag an jeden Kriminalisten darstellt.

Kann ein Gewaltverbrechen nicht auf Anhieb aufgeklärt werden, verschwinden die zugehörigen Ermittlungsakten keineswegs in der Versenkung. Sogenannte "Cold-Cases"-Einheiten beschäftigen sich unablässig mit derartigen Altfällen. Die Tatsache, dass es den in diesem Bereich tätigen Ermittlern immer wieder gelingt, Täter dingfest zu machen, rechtfertigt den Aufwand dieser kriminalistischen Puzzlearbeit. Wie dabei grundsätzlich vorgegangen wird, erläutert das Landeskriminalamt in Hannover gegenüber unserer Zeitung.

Wie viele ungeklärte Mordfälle liegen eigentlich auf den Schreibtischen niedersächsischer Kriminalbeamten?

In Niedersachsen gibt es insgesamt 341 ungeklärte Tötungsdelikte. Die Gesamtzahl beinhaltet 33 ungeklärte Vermisstenfälle, bei deren Betrachtung der Gesamtsachlage mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Tötungsdelikt auszugehen ist.

Beschreiben Sie doch bitte einmal: Wie gehen ihre Kollegen vor, wenn ein alter, ungelöster Mordfall neu aufgerollt werden soll?

Da Morddelikte keiner Verjährung unterliegen, ist die polizeiliche Ermittlungsarbeit auch nach Auflösung einer gegebenenfalls eingerichteten Mordkommission nicht beendet. Die Ermittlungen ruhen, soweit keine Ermittlungsansätze mehr bestehen, und leben sofort nach Bekanntwerden neuer oder weiterer Ermittlungsansätze wieder auf. So können vielfach auch Verbrechen, die zum Teil bereits vor Jahrzehnten begangen wurden, sowohl durch beharrliche und akribische Ermittlungsarbeit als auch durch weiterentwickelte und verbesserte forensische Untersuchungsmethoden noch aufgeklärt werden.

In Niedersachsen wurde im Rahmen einer landesweiten Arbeitsgruppe ein "Gesamtkonzept zur einheitlichen Erfassung und strukturierten Bearbeitung von Cold Cases erarbeitet, das derzeit landesweit umgesetzt wird. Mehrheitlich wurden bei den Polizeidirektionen "Cold-Case-Einheiten" eingerichtet, die sich ausschließlich mit der Cold-Case-Bearbeitung befassen. Die Fälle werden neu betrachtet, inhaltlich erfasst und hinsichtlich der Erfolgswahrscheinlichkeit bei möglicher Wiederaufnahme der Verfahren bewertet.

Die Bearbeitung von Cold Cases soll allerdings nicht etwaige Fehler einer Mordkommission aufzeigen, die einen Fall in der Vergangenheit nicht aufklären konnte, sondern durch einen anderen Blickwinkel versuchen, neue Ermittlungsansätze, etwa durch neue forensische Untersuchungsmethoden oder sich verändernde zwischenmenschliche Beziehungen, zu gewinnen.

Sollten sich neue Ermittlungsansätze ergeben und in Absprache mit der Staatsanwaltschaft eine Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgen, unterscheidet sich die Ermittlungsarbeit im Wesentlichen nicht von dem Vorgehen bei aktuellen Mordfällen. Das LKA Niedersachsen steht den sachbearbeitenden Dienststellen mit Spezialisten, zum Beispiel mit Spezialisten der Kriminaltechnik oder der operativen Fallanalyse - sogenannte "Profiler" - zur Seite.

Welche Untersuchungsmethoden stehen dabei an erster Stelle, oder - anders gefragt - welche Rolle spielen dabei die Möglichkeiten der DNA-Untersuchung?

Insbesondere vor dem Hintergrund der verbesserten Möglichkeiten in der DNA-Analyse und des hohen Beweiswertes einer DNA-Spur ist der Fokus bei der Cold-Case-Bearbeitung auf die Untersuchungsmöglichkeiten der noch vorhandenen Asservate gerichtet.

Hat sich die Trefferquote bei der zur Klärung eines Falls herangezogenen DNA-Untersuchung in den zurückliegenden zehn Jahren verändert?

Dazu können wir nichts sagen. Im Zusammenhang mit Cold Cases werden Trefferquoten nicht erhoben.

Wie viele bis dato unaufgeklärte Mordfälle konnten die Strafverfolger denn in jüngerer Vergangenheit auf dem Weg eines DNA-Abgleiches lösen?

Wie gesagt, in Bezug auf die Aufklärung von Cold Cases mithilfe von DNA-Analysen liegt keine Statistik vor.

Welche Rolle spielen in der heutigen Zeit eigentlich noch die herkömmlichen Ermittlungsmethoden, zum Beispiel der Abgleich von Finger- und Fußabdrücken oder die Schriftenerkennung?

Was das angeht, müssen wir Sie leider auf allgemein zugängliche Quellen und Veröffentlichungen verweisen.

Täter hinterlassen nicht nur Fingerabdrücke

Kriminaltechnik: Althergebrachtes hat Bestand, daneben bedienen sich Spezialisten modernster Methoden

CUXHAVEN. Der Fingerabdruck hat längst noch nicht ausgedient, aus Sicht von Kriminalisten ist und bleibt er ein ebenso individuelles wie zuverlässiges Erkennungsmerkmal, mit dessen Hilfe es nach wie vor gelingt, Tatverdächtige "gerichtsfest" zu überführen. Der Abgleich entsprechender Spuren erfolgt längst mit EDV-Unterstützung - im Vergleich mit anderen Methoden, auf welche die Kriminaltechnik inzwischen zurückgreifen kann, wirkt die Daktyloskopie (so der Fachbegriff für die Identifizierung per Finger- beziehungsweise Handabdruck) aber möglicherweise ein wenig althergebracht. Schlagzeilen schreibt unter den sogenannten biometrischen Erkennungsverfahren vor allem die DNA-Analytik - weil sie (s. Artikel rechts) Ermittler in die Lage versetzt, Straftaten, die noch vor wenigen Jahren "unaufklärbar" erschienen, neu aufzurollen und dabei zusätzliches Beweismaterial in die Ermittlungsarbeit einzubringen. "Das am Tatort gesicherte Spurenmaterial wird molekulargenetisch analysiert und das sogenannte DNA-Typisierungsmuster bestimmt" - so beschreibt das Bundeskriminalamt das dahinterstehende technische Verfahren, bei dem die Ermittler - ähnlich wie bei der Daktyloskopie - auf Vergleichsmaterial angewiesen sind. Letzteres stammt entweder unmittelbar von einem Probanden oder aber aus dem Bestand einer DNA-Analyse-Datenbank. "Mittlerweile", so heißt es in den Erklärungen des Bundeskriminalamtes, "findet zwischen vielen europäischen Staaten ein automatisierter Abgleich der DNA-Datenbanken statt, sodass auch bei grenzüberschreitender Kriminalität wertvolle Ermittlungshinweise gewonnen werden".

Ihre Stärken kann die moderne Kriminaltechnik des Weiteren bei der Analyse sogenannter Formspuren ausspielen. Dabei geht es zum Beispiel um spezifische Abriebspuren oder Kratzer, die ein bei einer Straftat eingesetztes Werkzeug bei Gebrauch hinterließ. Entsprechende Spuren sind in optischer Vergrößerung, gegebenenfalls aber nur mithilfe eines Rasterelektronenmikroskops zu erkennen. Errungenschaften der Digitaltechnik stellen Kriminalisten andererseits vor neue Herausforderungen: Spezialisten von BKA oder den Landeskriminalämtern befassen sich mit der Wiederherstellung von gelöschten Datenträgern. Vielfach können sie selbst scheinbar zerstörte Hardware (Mobiltelefone, Navis, Festplatten) reaktivieren und dabei entscheidende Daten sichern.

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