
Cuxhaven: Archäologische Denkmale mit anderen Augen sehen
CUXHAVEN. Cuxhavens bedeutende archäologische Stätten sind neu erfasst und bewertet worden. Als nächstes bekommen die Grundstückbesitzer Post.
Fundierte Aktenlage
"Wobei es mehr als 500 bekannte Fundstellen gibt", wie er betont. Ausgesprochen hilfreich sei die fundierte Aktenlage gewesen - vorbereitet durch den Heimatforscher Karl Waller und vor allem den ehemaligen Stadtarchäologen Andreas Wendowski-Schünemann, der diese Dokumentation systematisch und vorbildlich betrieben habe.
Nicht jeder Fundstätte ist ihre Bedeutung anzusehen - ja, oft ist nicht mal zu erkennen, dass es sich überhaupt um eine historisch bedeutsame Stätte handelt. Deshalb ging die Aufstellung des Verzeichnisses mit einer präzisen Neukartierung einher. Nächster Schritt ist nun die Information der Grundstückseigentümer, die in den nächsten Wochen in Cuxhaven erfolgen soll. "Die Information der Grundstücksbesitzer ist eine der besten Schutzmaßnahmen - auch vor unabsichtlicher Zerstörung", weiß Dr. Hildegard Nelson vom niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege aus Erfahrung.
"Man nimmt es mit andern Augen wahr"
"Sobald man weiß, wo sich etwas geschichtlich Bedeutsames befindet, nimmt man es mit anderen Augen wahr", bestätigt auch Dr. Christine Wawrzinek, die in diesem Jahr das Amt der Cuxhavener Stadtarchäologin angetreten hat. Für sie ist das Denkmalverzeichnis die neue Grundlage in der Bewertung vor neuen Baumaßnahmen oder bei weiteren wissenschaftlichen Forschungsprojekten.
In der Regel ändert sich für Eigentümer, auf deren Grundstücken Denkmale erfasst worden sind, nicht viel. Aber Eingriffe wie Tiefpflügen oder Umwandlung von Wald in Ackerland bedürfen der Genehmigung durch die Denkmalschutzbehörden. Wenn die Benachrichtigung abgeschlossen ist, werden die Denkmale für den Denkmalatlas Niedersachsen freigeschaltet. Ein wachsender Teil der etwas über 100 000 Bau- und Kunstdenkmale sowie rund 25 000 archäologische Denkmale in Niedersachsen sind dort bereits seit 2020 online recherchierbar.
Dann der Galgenberg zwischen Sahlenburg und Stickenbüttel - ein bronzezeitlicher Grabhügel, der im Mittelalter zu einem Turmbau erhöht wurde. Bedeutsame Funde (unter anderem Bestattungsplätze von der älteren Eisenzeit bis in das frühe Mittelalter und Siedlungsplätze) sind in seinem Umfeld schon entdeckt worden, das der Wissenschaft noch viel zu bieten haben könnte.
Wall gibt bis heute Rätsel auf
Auch andere Fundstätten geben bis heute Rätsel auf: so etwa der schnurgerade Wall, der westlich von Altenwalde quer über den dortigen Geestrücken verläuft und noch auf 1700 Metern Länge erhalten ist. Bereits auf den ältesten Karten der Region ist er unter dem Namen "Burgwall" verzeichnet, über seine tatsächliche Funktion liegen jedoch bislang keine Informationen vor. Ob ein Zusammenhang mit der nicht weit entfernten Altenwalder Burg besteht, die im Frühmittelalter erbaut wurde, ist unsicher.
Weitaus ärmer an Fundstellen sind die Marschgebiete im Osten des Stadtgebietes um Altenbruch und Lüdingworth, die erst vergleichsweise spät besiedelt wurden. Zeugnisse einer dauerhaften menschlichen Besiedlung sind hier neben alten Deichverläufen des Mittelalters und der frühen Neuzeit insbesondere mehrere Wurten. Im Bereich dieser zum Schutz vor Hochwasser künstlich aufgeschütteten Erhebungen wurden Funde geborgen, die belegen, dass erst in der Zeit um Christi Geburt in der Marsch gesiedelt wurde.
Viele Grabhügel sind niedergepflügt
Die mit Abstand meisten archäologischen Denkmale befinden sich auf der seit vorgeschichtlicher Zeit besiedelten Cuxhavener Geest, wo insbesondere in den ausgedehnten Wald- und Heideflächen gute Bedingungen für ihre Erhaltung vorliegen. Bei 70 der 89 ins Verzeichnis aufgenommenen Denkmale handelt es sich um Grabhügel oder Grabhügelgruppen, meist aus der späten Jungsteinzeit und der Bronzezeit.
"Bei der Stadtarchäologie waren noch 180 verzeichnet", so Jan Steffens, "aber viele sind zwischenzeitlich weggepflügt worden." Viele Hügel weisen auch deutliche Spuren älterer Angrabungen auf; Überreste von Raubgrabungen oder Untersuchungen von Laienforschern.
Für Oberbürgermeister Uwe Santjer gehört es zum Bildungsauftrag, auf diese Zeugnisse der Geschichte aufmerksam zu machen und sie so zu schützen: "Es muss uns gelingen, die Menschen darauf aufmerksam zu machen, was wir hier haben."
Derweil werden schon die archäologischen Denkmale in den anderen Gemeinde und Samtgemeinden des Kreises unter die Lupe genommen. Diese Untersuchung soll bis Sommer 2022 abgeschlossen sein.