Einer der schönsten erhaltenen Grabhügel in Gudendorf: Alle, die gelegentlich zum Abfallverwertungszentrum (AVZ) fahren, kennen ihn. Foto: Reese-Winne
Einer der schönsten erhaltenen Grabhügel in Gudendorf: Alle, die gelegentlich zum Abfallverwertungszentrum (AVZ) fahren, kennen ihn. Foto: Reese-Winne
Voller archäologischer Leckerbissen

Cuxhaven: Archäologische Denkmale mit anderen Augen sehen

von Maren Reese-Winne | 28.02.2021

CUXHAVEN. Cuxhavens bedeutende archäologische Stätten sind neu erfasst und bewertet worden. Als nächstes bekommen die Grundstückbesitzer Post.  

 Als Jugendlicher ist Cuxhavens Oberbürgermeister Uwe Santjer oft auf dem Gelände des Galgenbergs herumgeklettert. Dass er sich dabei auf historischem Grund bewegte, sei ihm damals nicht klar gewesen: "Wir haben das eher als Sportstätte gesehen", sagt er. Bewusstsein schaffen - das soll nun der niedersächsische Denkmalatlas. Dafür sind die archäologischen Denkmale in der Stadt Cuxhaven über eineinhalb Jahre eingehend unter die Lupe genommen und neu bewertet worden. Dieser Tage hat das Landesamt für Denkmalpflege der Stadt Cuxhaven das daraus entstandene Verzeichnis übergeben.

Während das Amt die Erfassung der Baudenkmale im Land bereits abgeschlossen hat, gibt es bei den archäologischen Stätten noch Nachholbedarf. 2019 konnte zusätzliches Personal eingestellt werden, das sich dafür einen Blick über den Zustand der meist schon bekannten Objekte verschaffen sollte. Im Kreis Cuxhaven hat Dr. Jan Steffens diese Aufgabe übernommen. Starten sollte die Arbeit mit der Erfassung der Objekte in der Stadt Cuxhaven. Eineinhalb Jahre hat sich Jan Steffens eingehend mit diesen Fundstätten beschäftigt - 89 davon sind nun in das Verzeichnis aufgenommen worden.

Fundierte Aktenlage

"Wobei es mehr als 500 bekannte Fundstellen gibt", wie er betont. Ausgesprochen hilfreich sei die fundierte Aktenlage gewesen - vorbereitet durch den Heimatforscher Karl Waller und vor allem den ehemaligen Stadtarchäologen Andreas Wendowski-Schünemann, der diese Dokumentation systematisch und vorbildlich betrieben habe.

Nicht jeder Fundstätte ist ihre Bedeutung anzusehen - ja, oft ist nicht mal zu erkennen, dass es sich überhaupt um eine historisch bedeutsame Stätte handelt. Deshalb ging die Aufstellung des Verzeichnisses mit einer präzisen Neukartierung einher. Nächster Schritt ist nun die Information der Grundstückseigentümer, die in den nächsten Wochen in Cuxhaven erfolgen soll. "Die Information der Grundstücksbesitzer ist eine der besten Schutzmaßnahmen - auch vor unabsichtlicher Zerstörung", weiß Dr. Hildegard Nelson vom niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege aus Erfahrung.

"Man nimmt es mit andern Augen wahr"

"Sobald man weiß, wo sich etwas geschichtlich Bedeutsames befindet, nimmt man es mit anderen Augen wahr", bestätigt auch Dr. Christine Wawrzinek, die in diesem Jahr das Amt der Cuxhavener Stadtarchäologin angetreten hat. Für sie ist das Denkmalverzeichnis die neue Grundlage in der Bewertung vor neuen Baumaßnahmen oder bei weiteren wissenschaftlichen Forschungsprojekten.

In der Regel ändert sich für Eigentümer, auf deren Grundstücken Denkmale erfasst worden sind, nicht viel. Aber Eingriffe wie Tiefpflügen oder Umwandlung von Wald in Ackerland bedürfen der Genehmigung durch die Denkmalschutzbehörden. Wenn die Benachrichtigung abgeschlossen ist, werden die Denkmale für den Denkmalatlas Niedersachsen freigeschaltet. Ein wachsender Teil der etwas über 100 000 Bau- und Kunstdenkmale sowie rund 25 000 archäologische Denkmale in Niedersachsen sind dort bereits seit 2020 online recherchierbar.

Perlen von überregionaler Bedeutung

Cuxhaven hat einige Perlen von überregionaler Bedeutung vorzuweisen. Der aus wissenschaftlicher Sicht bedeutendste Ort ist auch Jan Steffens' Favorit: der Ringwall ("ein archäologisches Highlight") in Duhnen, der noch längst nicht alle seine Geheimnisse preisgegeben hat. Eine erste Ausgrabung fand hier bereits im Jahr 1905 statt, dabei wurde die Anlage als sächsische Befestigung des frühen Mittelalters interpretiert. Erst 100 Jahre später gelang der Nachweis, dass sie deutlich älter ist und aus der Bronzezeit stammt. Die in Anbetracht des hohen Alters außergewöhnlich gute Erhaltung ist für den norddeutschen Raum einzigartig. Fragen zur Funktion sind bis heute unbeantwortet.

Dann der Galgenberg zwischen Sahlenburg und Stickenbüttel - ein bronzezeitlicher Grabhügel, der im Mittelalter zu einem Turmbau erhöht wurde. Bedeutsame Funde (unter anderem Bestattungsplätze von der älteren Eisenzeit bis in das frühe Mittelalter und Siedlungsplätze) sind in seinem Umfeld schon entdeckt worden, das der Wissenschaft noch viel zu bieten haben könnte.

Wall gibt bis heute Rätsel auf

Auch andere Fundstätten geben bis heute Rätsel auf: so etwa der schnurgerade Wall, der westlich von Altenwalde quer über den dortigen Geestrücken verläuft und noch auf 1700 Metern Länge erhalten ist. Bereits auf den ältesten Karten der Region ist er unter dem Namen "Burgwall" verzeichnet, über seine tatsächliche Funktion liegen jedoch bislang keine Informationen vor. Ob ein Zusammenhang mit der nicht weit entfernten Altenwalder Burg besteht, die im Frühmittelalter erbaut wurde, ist unsicher.

Weitaus ärmer an Fundstellen sind die Marschgebiete im Osten des Stadtgebietes um Altenbruch und Lüdingworth, die erst vergleichsweise spät besiedelt wurden. Zeugnisse einer dauerhaften menschlichen Besiedlung sind hier neben alten Deichverläufen des Mittelalters und der frühen Neuzeit insbesondere mehrere Wurten. Im Bereich dieser zum Schutz vor Hochwasser künstlich aufgeschütteten Erhebungen wurden Funde geborgen, die belegen, dass erst in der Zeit um Christi Geburt in der Marsch gesiedelt wurde.

Viele Grabhügel sind niedergepflügt

Die mit Abstand meisten archäologischen Denkmale befinden sich auf der seit vorgeschichtlicher Zeit besiedelten Cuxhavener Geest, wo insbesondere in den ausgedehnten Wald- und Heideflächen gute Bedingungen für ihre Erhaltung vorliegen. Bei 70 der 89 ins Verzeichnis aufgenommenen Denkmale handelt es sich um Grabhügel oder Grabhügelgruppen, meist aus der späten Jungsteinzeit und der Bronzezeit.

"Bei der Stadtarchäologie waren noch 180 verzeichnet", so Jan Steffens, "aber viele sind zwischenzeitlich weggepflügt worden." Viele Hügel weisen auch deutliche Spuren älterer Angrabungen auf; Überreste von Raubgrabungen oder Untersuchungen von Laienforschern.

"Wir schützen hier den letzten Rest"

Das soll bei den verbleibenden Stätten verhindert werden. Viele Grabhügel sind in der Vergangenheit auch durch den Sandabbau zerstört worden - in der Fuchskuhle in Holte-Spangen wurde dabei ein ganzes Gräberfeld abgeräumt. "Wir schützen hier wirklich den letzten Rest; nicht mal ein Viertel ist mehr erhalten", unterstreicht Dr. Hildegard Nelson. Der Schutz der Stätten sei im Übrigen auch eine gesetzliche Aufgabe. Schätze seien in den Hügeln aufgrund der vielen Zerstörungen heute nicht mehr zu finden, die Archäologie könne aber noch wichtige Erkenntnisse vor allem über den Grabbau und die Bestattungsritten gewinnen.

Für Oberbürgermeister Uwe Santjer gehört es zum Bildungsauftrag, auf diese Zeugnisse der Geschichte aufmerksam zu machen und sie so zu schützen: "Es muss uns gelingen, die Menschen darauf aufmerksam zu machen, was wir hier haben."

Derweil werden schon die archäologischen Denkmale in den anderen Gemeinde und Samtgemeinden des Kreises unter die Lupe genommen. Diese Untersuchung soll bis Sommer 2022 abgeschlossen sein.

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Maren Reese-Winne

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

mreese-winne@no-spamcuxonline.de

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