Gunnar Wegener, SPD-Kommunalpolitiker, hat schon mehrfach Anfeindungen erlebt; mehrfach wurden seine Autos mit Lackfarbe beschmiert. Die Hemmschwelle wird seiner Ansicht nach immer geringer, wie auch der Auftritt vor seiner Haustür beweise. Foto: Lütt
Gunnar Wegener, SPD-Kommunalpolitiker, hat schon mehrfach Anfeindungen erlebt; mehrfach wurden seine Autos mit Lackfarbe beschmiert. Die Hemmschwelle wird seiner Ansicht nach immer geringer, wie auch der Auftritt vor seiner Haustür beweise. Foto: Lütt
Schmähgesänge vor dem Haus 

Cuxhaven: Bundesweites Echo nach Querdenker-Attacke gegen SPD-Politiker Gunnar Wegener

von Maren Reese-Winne | 14.12.2021

CUXHAVEN. Auch die Privatwohnung bietet keinen Schutz mehr. Was Gunnar Wegener bei einer Querdenker-Kundgebung erlebte, macht grad Schlagzeilen.

Auch die "Tagesthemen" haben schon angeklopft. Angesichts der fast überall in Deutschland augenfälligen Radikalisierung der Querdenker mit Aufmärschen und der dabei ausgeübten massiven Bedrohung gegen Politikerinnen und Politiker hat sich der Cuxhavener SPD-Politiker Gunnar Wegener entschlossen, die Angriffe gegen ihn öffentlich zu machen.

Fortsetzung einer denkwürdigen Demo

Es war am 28. November, dem Tag, an dem sich auf Initiative des Cuxhaveners Rüdiger von Gizycki erstmals auf dem Kaemmererplatz eine Gegendemonstration gegen die seit April sonntäglich dort auftretenden "Spaziergänger" formiert hatte und an dem die Grünen-Politikerin Elke Schröder-Roßbach mit ihrem Statement aufseiten eben jener "Spaziergänger" (wir berichteten) für Aufsehen gesorgt hatte.

Aber der Teil war vorbei, als die Gruppe sich zu ihrem allsonntäglichen Umzug mit lautsprecherverstärkter Musik anschickte - auf einer zuvor bei der Stadtverwaltung angemeldeten Route, die auch einen Stopp in der Rathausstraße vorsah - wie sich im Laufe des Marschs herausstellte, genau da, wo Gunnar Wegener wohnt.

"Herrn Wegener besuchen"

Wer alles vom Kaemmererplatz aus mitlief oder erst auf dem Weg hinzustieß, weiß Gunnar Wegener nicht; er schätzt, dass etwa 30 bis 35 Personen dabei waren. Der begleitenden Polizei soll wohl noch bekundet worden sein, "man gehe jetzt Herrn Wegener besuchen".

Schmähgesang angestimmt

Beim Stopp nahe der Bleickenschule sei dann zunächst Protest gegen eine kürzlich dort gelaufene Impfaktion geäußert worden, bevor sich die Bedrohungen und Beleidigungen gegen seine Person gerichtet hätten - mit Ankündigungen und Schmähgesängen: Hier wohne ein Lokalpolitiker, der noch erfahren werde, was er von seinem Widerstand gegen die Impfgegner habe; er sei ein Clown, der ins Gefängnis gehöre und dort auf ewig versauern könne; es werde eine Zeit kommen, in der ein neues Regime dafür sorgen werde, dass Leute wie er ins Gefängnis kämen oder am besten gleich "nach China deportiert" würden.

Kundgebung war angemeldet

Währenddessen sei die Polizei mit Verstärkung hinzugekommen. Die Polizei Cuxhaven bestätigt, dass die Veranstaltung als Kundgebung mit einem Aufzug durch die Stadt und einer Zwischenkundgebung angemeldet war. Die Auflagen der Versammlungsbehörde seien eingehalten worden; die Polizei habe Kundgebung und Aufzug durchgängig begleitet.

Ermittlungen wegen Straftat der Beleidigung

Als die Polizeibeamten festgestellt hätten, dass Inhalte der Zwischenkundgebung vor dem Haus des SPD-Ratsmitglieds Gunnar Wegener möglicherweise Straftaten erfüllen könnten, hätten sie Kontakt zum Veranstaltungsleiter aufgenommen. Daraufhin sei die Zwischenkundgebung beendet und der Aufzug fortgesetzt worden. Gegen Teilnehmer der Kundgebung werde wegen einer Straftat der Beleidigung zum Nachteil von Herrn Wegener ermittelt.

Fackelzüge gaben Ausschlag

Gunnar Wegener erlebt persönliche Angriffe nicht zum ersten Mal. Mehrfach ist sein Auto mit Lackfarbe beschmiert worden. Den Schaden in Höhe von vielen tausend Euro hat er selbst getragen. Als er die Sonntagsspaziergänge öffentlich kritisierte, bekam er anonyme Anrufe oder fand Zeitungsausschnitte in der Post.

Er habe erst noch überlegt, ob er dies und den jüngsten Übergriff öffentlich machen wolle - aber nach den Fackelzügen in Sachsen habe er sich jetzt hierzu entschlossen.

Solidarität hilft

Seit den Berichten im NDR-Fernsehen und -Hörfunk erlebe er in der Stadt eine Welle der Solidarität und Unterstützung ("das hilft auch"), wenn auch weiterhin noch brutale Anfeindungen in den sozialen Netzwerken gepostet würden. Aber er wolle sich nicht einschüchtern lassen, denn das sei das Ziel der Aktionen: "Angst machen, verunsichern, einschüchtern."

Thema "Impfen" längst nicht mehr im Fokus

Es gehe längst nicht mehr ums Impfen. Die in der Protestbewegung zu beobachtende Vermischung von zunächst sachlich geprägten Impfgegnern mit "Esoterikern, Reichsbürgern und Neonazis", die sich gerne auch noch vieler Begriffe aus der Nazi-Zeit bedienten, sei viel zu lange unter dem Radar abgelaufen.

Gewerkschaft äußert sich

In einer Presseerklärung verurteilt die Gewerkschaft ver.di die Angriffe auf Gewerkschafter und Kommunalpolitiker Gunnar Wegener: "Der Vorfall erinnert an den Fackelaufmarsch von sogenannten Querdenkern vor dem Haus der sächsischen Gesundheitsministerin Petra Köpping", sagt Kornelia Knieper, stellver-tretende Geschäftsführerin des ver.di Bezirks Bremen-Nordniedersachsen. Sie betont: "Politische Vertreterinnen oder Vertreter in ihrer Privatsphäre aufzusuchen und zu bedrohen, geht weit über normale Kritik hinaus.

Behörden sollen handeln

Wir fordern die Behörden auf, das Gewaltpotenzial in der Szene der Corona-Leugner und Impfgegner nicht zu unterschätzen und gehen davon aus, dass die Stadt Cuxhaven gemeinsam mit der Polizei kluge und angemessene Konzepte findet, die eigenen Politikerinnen und Politiker zu schützen."

Oberbürgermeister besorgt über Radikalisierung

Die Gewerkschaft wünsche ihrem Kollegen, dass dieser seinen Mut behalte und sich weiterhin engagiert für die Cuxhavener Bürgerinnen und Bürger einsetze - denn das sei gelebte Demokratie. Äußerst besorgt über die Radikalisierung der Proteste zeigt sich Oberbürgermeister Uwe Santjer: "Wir dürfen und werden diesen Grenzüberschreitungen nicht tatenlos zusehen", sagte er gestern in einem Gespräch mit unserer Redaktion.

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Maren Reese-Winne

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

mreese-winne@no-spamcuxonline.de

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