Cuxhaven: Corona-Ausbruch im Haus Alte Liebe
CUXHAVEN. Diese Situation fordert den Beteiligten alles ab: Nach einem Corona-Ausbruch sind zwei Bewohnerinnen des Hauses Alte Liebe an Covid-19 verstorben.
Wahrscheinlich musste er irgendwann kommen, der "Tag X", nachdem Alten- und Pflegeeinrichtungen als besonders verwundbar in der Corona-Pandemie gelten - trotz aller Vorsichtsmaßnahmen.
Reagieren in der Ausnahmesituation
Am Donnerstag wurde bekannt, dass das Alten- und Pflegeheim "Haus Alte Liebe" in Cuxhaven bereits seit dem 20. Oktober mit dieser Situation konfrontiert ist - und mit ihm die Bewohnerinnen und Bewohner und deren Familien. Eine für alle Beteiligten äußerst belastende Situation. Was ist geschehen? Wie haben Sie reagiert? Wo gibt es Unterstützung, wie werden Kontakte gehalten und wie kann ein Alltag unter Corona-Ernstfall-Bedingungen gelingen? Hierzu haben wir einen Fragenkatalog erarbeitet und hierzu hat die Arbeiterwohlfahrt Bremerhaven ausführlich Stellung genommen.
Seit wann ist die erste Infektion bekannt und was ist seither eingeleitet worden?
Die erste Infektion am 20. Oktober war ein Krankenhausbefund. Eine Bewohnerin befand sich zur Behandlung in der Helios-Klinik in Cuxhaven und wurde dort positiv auf Covid-19 getestet. Nach Information über den Befund griff umgehend der von der Einrichtung erarbeitete Pandemieplan. Das Gesundheitsamt wurde informiert und ein interner Krisenstab eingerichtet.
Die vom Gesundheitsamt angeordnete Reihentestung aller Bewohnerinnen und Bewohner und Mitarbeitenden ergab weitere positive Testergebnisse bei vier Bewohnerinnen und Bewohnern und einer Mitarbeiterin.
Noch am selben Tag ist die Tagespflege geschlossen worden, die schon so vorbereitet worden war, dass sie als Isolierstation genutzt werden kann. Die Isolierstation war zunächst mit zwei Pflegefachkräften besetzt, später mit drei. Diese haben jeweils in Zwölf-Stunden-Schichten in voller persönlicher Schutzausrüstung (PSA) die Betroffenen versorgt.
Insgesamt sind seit dem 20. Oktober neun Bewohnerinnen positiv getestet worden, davon sind zwei Bewohnerinnen verstorben. Von Besuchern darf das Haus "Alte Liebe" seit dem 20. Oktober auf behördliche Anordnung nicht betreten werden. Wir halten aber engmaschigen Telefonkontakt zu den Angehörigen. Die Angehörigen der positiv getesteten Bewohnerinnen werden täglich informiert, die der anderen Bewohner einmal wöchentlich.
Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befinden sich in Quarantäne?
Seit Beginn des Ausbruchs sind neun Mitarbeitende positiv getestet worden und befinden oder befanden sich in Quarantäne. Die ersten kehren inzwischen gesund und symptomfrei an ihren Arbeitsplatz zurück.
Gibt es personelle Unterstützung aus anderen AWO-Einrichtungen?
Personal aus den AWO-Tagespflegen Birkenhof (Loxstedt) sowie Süderdeel (Bremerhaven) unterstützt die Kolleginnen und Kollegen im Haus "Alte Liebe". Überdies hat die AWO externe Personaldienstleister beauftragt, um zur Kompensation der Quarantäne-bedingten Ausfälle zusätzliches Personal ins Haus zu holen.
In welchen Abständen werden Bewohnerschaft und Belegschaft in der aktuellen Situation getestet?
Nach den ersten Reihentestungen werden in der aktuellen Situation Bewohnerinnen und Bewohner und Mitarbeitende wöchentlich getestet (PCR-Test). Auf eigenen Wunsch konnten sich Mitarbeitende einem Antigen-Schnelltest unterziehen; gegenwärtig ist aber eine vorherige Abstimmung mit dem Gesundheitsamt erforderlich.
Wie geht es den Betroffenen?
Leider hatten wir zwei Todesfälle zu beklagen. Den anderen Betroffenen geht es - Stand heute - gut oder wieder gut.
Ist eine Pflege der Erkrankten/Infizierten in ihren eigenen Zimmern möglich? Wie werden die Bewohnerinnen und Bewohner derzeit voneinander isoliert?
In der Isolierstation sind Kontakte zwischen den Betroffenen möglich. In allen anderen Bereichen im "Haus Alte Liebe" halten sich die Bewohnerinnen und Bewohner in ihren Zimmern auf, die Mahlzeiten werden dort gereicht und auch die Sozialbetreuung (Spielen, Vorlesen, Erzählen …) findet in den Zimmern statt, um eine weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern. Durch die zusätzlichen Mitarbeitenden aus der Tagespflege ist eine intensivere Betreuung möglich. Problematisch ist die Umsetzung dieses Zimmergebots natürlich bei dementiell erkrankten Menschen, die einen starken Bewegungsdrang haben und krankheitsbedingt die Situation nur schwer oder gar nicht verarbeiten können.
In welcher Form können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in dieser schwierigen Lage gestärkt werden?
Es finden zweimal täglich Skype-Konferenzen zwischen dem internen Krisenstab und den Pflegekräften statt. Mitarbeitende, die Angst haben, selbst infiziert zu sein, können einen Antigen-Schnelltest machen. Es gibt eine sehr offene interne Kommunikation und täglichen Telefonkontakt zu den Mitarbeitenden in Quarantäne.
Die Küche im Haus "Alte Liebe" bekocht derzeit nicht nur die Bewohnerinnen und Bewohner, sondern auch alle Mitarbeitenden. Dazu werden die Teams täglich mit Obstkörben und auch mit Schokolade versorgt.
Fachbereichsleitung Heike Bülken war 14 Tage lang zur Unterstützung im Haus präsent. Alle Führungskräfte - Wohnbereichsleitung, Pflegedienstleitung Anne Zimmer-Reckardt, Einrichtungsleitungsleiter Jürgen Bülter, Fachbereichsleitung Heike Bülken und auch AWO-Geschäftsführer Siegmar Weegen - waren und sind rund um die Uhr auch an Wochenenden ansprechbar. Außerdem können alle Mitarbeitenden bei Bedarf auf das Angebot von Team- oder Einzelsupervision zugreifen.
"Nicht ob, sondern wann"
Heike Bülken, Leitung des Fachbereichs Stationäre Altenhilfe der AWO Bremerhaven, schildert die Lage und die bisherigen Erfahrungen so: "Unsere überaus sorgfältige Vorbereitung für den Tag X hat ganz viel Sicherheit gegeben. Seit Beginn der Corona-Pandemie war ja im Grunde nicht die Frage, ob, sondern eher wann ein Haus vom Corona-Virus getroffen wird. Deshalb haben wir seit März in allen unseren Einrichtungen intensiv daran gearbeitet, gut aufgestellt zu sein.
Die Isolierstation war vorbereitet, es stand ausreichend persönliche Schutzausrüstung (PSA) zur Verfügung und jede(r) wusste ganz genau, was er/sie zu tun hat." Das ganze Team arbeite fantastisch zusammen - und dies trotz der unglaublich hohen körperlichen und auch psychischen Belastung und der natürlich vorhandenen Sorge vor eigener Ansteckung: "Was unsere Mitarbeitenden und Führungskräfte leisten, ist gar nicht hoch genug zu bewerten. Wir sind natürlich sehr traurig darüber, dass zwei Bewohnerinnen verstorben sind. Besonders den Pflegekräften, die täglich mit den Menschen arbeiten und sie betreuen, geht das überaus nahe."
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