Personalnot und Corona-Welle zwingen derzeit viele Kindertagesstätten in Cuxhaven dazu, ihr Betreuungsangebot einzuschränken. Foto: dpa/Skolimowska
Personalnot und Corona-Welle zwingen derzeit viele Kindertagesstätten in Cuxhaven dazu, ihr Betreuungsangebot einzuschränken. Foto: dpa/Skolimowska
Zerreißprobe fürs Personal

Cuxhaven: Corona-Welle und kein Ende - Kitas müssen Angebot einschränken

von Maren Reese-Winne | 03.03.2022

CUXHAVEN. Während manche schon der Meinung sind, Corona sei vorbei, ist die Infektionslage - und die Stimmung - in vielen Cuxhavener Kindertagesstätten enorm angespannt.

Sämtliche Länder von der Risikoliste gestrichen, Öffnungen allenthalben, alle Omikron-Fälle angeblich harmlos - also alles paletti in Sachen Corona? Von wegen, sagt die Trägerarbeitsgemeinschaft der Cuxhavener Kindertagesstätten. Die Personallage sei angespannter denn je, und das bekämen die Eltern auch zu spüren.

Vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern graue es schon vor den stundenlangen Telefonrunden, in denen sie immer und immer wieder begründen müssten, warum die Kinder leider zu Hause bleiben müssten oder Betreuungszeiten verkürzt würden, berichten Helle Vanini (Paritätischer Cuxhaven), Petra Nette (AWO Soziale Dienste Hannover) und Joachim Büchsenschütz (Abteilungsleiter Kindertagesstätten beim DRK Cuxhaven-Hadeln). Zur Trägerarbeitsgemeinschaft gehören außerdem der evangelisch-lutherische Kindertagesstättenverband Cuxhaven sowie die Kirchengemeinde St. Marien.

Hat viel mit dem Kita-Gesetz zu tun

Die angespannte Lage habe nicht nur mit den Inzidenzen zu tun, sondern auch mit dem neuen Kindertagesstättengesetz, berichten die Träger übereinstimmend: Als das Land Mitte September 2021 überraschend und auch noch rückwirkend zum 1. August neue Betreuungsschlüssel verkündet habe, seien mit einem Schlag alle Vertretungsreserven aufgesogen worden, erklärt Joachim Büchsenschütz. "Da hatte niemand mehr die Chance, neues Personal zu gewinnen. Alle Stellenpläne waren hinfällig."

Dies paart sich nun mit einer bislang nie gekannten Corona-Lage. Auch, wenn der Landkreis bereits einen Rückgang der Fallzahlen in Kitas beobachtet: Nach wie vor seien die Ausfälle enorm.

Freitesten ist nicht die Regel

Und viele Infektionen seien mitnichten in einer Woche ausgestanden: "Viele können sich nicht vorzeitig freitesten." Manche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien über Wochen außer Gefecht, berichtet Petra Nette. "Und diejenigen, die noch gesund sind, bekommen den Druck der Eltern ab", ergänzt Helle Vanini.

Von "weinenden Müttern und schreienden Vätern" wird berichtet. Viele von diesen seien selber verzweifelt, bekämen manche doch von ihren Arbeitgebern zu hören, dass Corona doch vorbei sei - warum sie denn nun trotzdem schon wieder ihre Kinder betreuen müssten. "Doch wir sind der falsche Adressat für diesen Unmut." Erzieherinnen und Erzieher - in den allermeisten Fällen selbst mit einer Familie im Hintergrund - seien doppelt und dreifach gebeutelt: Viele fühlten sich schutzlos der Ansteckungsgefahr ausgesetzt: "Vor Kita-Kindern können Sie nicht ununterbrochen Maske tragen", so Joachim Büchsenschütz. "Wenn wir das von Anfang an getan hätten, hätten die Kinder seit zwei Jahren keine Mimik erlebt." Sprachförderung funktioniere so auch nicht.

Welle an Schwangerschaften in Belegschaft

"Corona ist noch nicht zu Ende und die Zeit der normalen Erkältungswellen auch nicht", sagt Joachim Büchsenschütz, der noch von einem anderen Corona-Trends berichtet, nämlich einer steigenden Zahl schwangerer Kolleginnen. "Diese Ausfälle können wir auch nicht mehr kompensieren."

Statt Kinder zu betreuen, gingen Stunden fürs Telefonieren, Erklären und Dokumentieren drauf, so Petra Nette: Zum Beispiel für die Ausgabe und Kontrolle der Pflicht-Tests, aber auch für all die Abstimmungsrunden abends und am Wochenende, wer demnächst an die Arbeit zurückkehren kann und welchen Eltern abgesagt werden muss. Es gebe keinerlei Planungssicherheit.

Vielfach legten die Eltern großes Engagement dabei an den Tag, gerechte Regelungen untereinander zu finden, räumt Helle Vanini ein. Doch auch das müsse organisiert werden. Die Geschäftsführerin des Paritätischen befürchtet, dass sich die Folgen spätestens nach der Corona-Pandemie niederschlagen, zum Beispiel durch Krankheiten oder frühzeitige Pensionierungen. "Viele Berufsanfänger, die die jetzigen Zustände erleben, wechseln nach der Ausbildung direkt in die Jugendhilfe oder gehen studieren", ergänzt Petra Nette. "Wir sehen nicht, dass wir alle Stellen besetzt bekommen", ergänzt Joachim Büchsenschütz. Licht am Ende des Tunnels sehe niemand in der Trägerarbeitsgemeinschaft.

Hannover ist am Zug

Lange Zeit galt die Cuxhavener Szene mit ihrem Mut zur Inklusion, mit neuen Konzepten und Flexibilität als Pionier. Inzwischen sehen sich die alten Kämpen zurückrudern: "Wir werden Betreuungszeiten einschränken müssen." "Das, was wir gewohnt waren, können wir nicht mehr überall anbieten." Schon lange sei statt Bildungsarbeit nur noch Betreuung zu leisten.

Sie sehen Hannover am Zug: Das Kultusministerium lasse es an Wertschätzung für Erzieherinnen und Erzieher mangeln und überziehe die Einrichtungen statt dessen mit bürokratischen Forderungen. Kritikpunkte der Träger seien nicht ins Kita-Gesetz eingeflossen, Mängel seien nicht behoben und jahrzehntelange Forderungen nicht berücksichtigt worden. Nicht umsonst veranstalte das landesweite "Aktionsbündnis Kita-Gesetz" immer noch jeden Dienstag eine Mahnwache vor der Staatskanzlei: "Nur gute Arbeitsbedingungen erhöhen die Attraktivität des Berufs der Erzieherin und des Erziehers." Ausbildungskapazitäten müssten dringend erhöht und endlich eine Ausbildungsvergütung gezahlt werden. Dass das etwas zählt, bekommt Joachim Büchsenschütz seit einigen Jahren zu spüren: Seit der Landkreis Stade den dortigen Auszubildenden in den letzten beiden Jahren eine Vergütung zahle, erreichten das DRK aus Richtung Stade keinerlei Bewerbungen mehr.

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Maren Reese-Winne

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

mreese-winne@no-spamcuxonline.de

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