
Cuxhaven: Duhner Spitze war über Jahrhunderte ein Sammelplatz
CUXHAVEN-DUHNEN. Lage, Lage, Lage - das muss schon in früheren Zeitaltern ein Grund gewesen sein, weshalb große Menschengruppen Duhnen ansteuerten.
Die bisherigen archäologischen Funde deuten darauf hin, dass gefühlt halb Duhnen auf Gar- und Kochgruben aus verschiedenen Epochen errichtet worden ist. Zahlreiche davon sind jedenfalls seit Mitte November auf dem Grundstück der "Duhner Spitze" freigelegt worden. Archäologin Dr. Daniela Nordholz geht davon aus, dass das auch zumindest auf die benachbarten Appartement-Häuser in Richtung Norden und vielleicht auch weiter am Meer entlang zutrifft.
Gemeinsam gekocht oder Imbissstände aufgesucht?
"Anekdotisch habe ich erfahren, dass hinter dem Wäldchen beim Hausbau in Duhnen ebenfalls Kochgruben gefunden worden sind", ergänzt sie. "Warum diese dort sind, wissen wir nicht." Sie gehe aber von "sozialer Interaktion" aus. "Hier muss sich über Jahrhunderte hinweg ein Treffplatz befunden haben, ein Ort, wo gemeinsam gekocht und dabei vielleicht ge- und verhandelt, gefeiert oder Ritualen nachgegangen worden ist." Vielleicht ging es auch zu wie auf einem Jahrmarkt mit verschiedenen Imbissständen.
Immer wieder benutzt
Seit Mitte November haben die Chefin der Firma ArchaeNord und ihre Teammitglieder zahlreiche tiefe und flache Gruben freigelegt, untersucht und dokumentiert. Die Gruben seien immer wieder benutzt oder deren Steine zum Bau neuer Kochstellen wiederverwendet worden - über mehrere Jahrhunderte, vielleicht auch tausend Jahre hinweg.
Genauere Erkenntnisse erhofft sich die Archäologin durch die Analyse der vereinzelt gefundenen Keramik sowie die C-14-Datierung der deutlich erkennbaren Holzkohlereste. Diese sind oft auch noch da, wenn alle Steine entfernt worden sind.
Was gab es zu essen?
Für die Analyse zieht Dr. Daniela Nordholz den Archäologen und Archäobotaniker Dr. Jonathan Baines aus Großbritannien hinzu, der aber bereits nicht nur auf pflanzliche, sondern auch auf tierische Überreste gestoßen ist: Muschelschalen und zumindest einen Knochen.
Die Muscheln haben sehr wahrscheinlich das Menü bei was auch immer für einem Anlass bereichert. Was mögen unsere Vorfahren wohl sonst in den Erdöfen gegart haben? "Fisch wahrscheinlich, vielleicht auch Robben", überlegt die Archäologin. Vielleicht auch Schwarz- oder Rotwild oder Schafe, Ziegen oder Rinder aus der eigenen Tierhaltung. In dem zur Debatte stehenden Zeitraum haben sich natürlich auch die Lebensgewohnheiten der Menschen verändert.
Keine Siedlung gefunden
Hinweise auf eine feste Siedlung fehlen bislang völlig, es gibt keine Mengen an Gebrauchsgegenständen oder Müllgruben, wie sie an Wohnhäusern bestanden und die stets ein Fest für Archäologen bedeuten, weil die Funde darin viel über den Alltag der Menschen erzählen.
Strategisch gut gelegen
Daniela Nordholz schätzt, dass die Reisenden wegen der guten Erreichbarkeit von beiden Flüssen - Elbe und Weser - aus immer wieder die dazwischen liegende Landzunge ansteuerten. In solchen Lagen bildeten sich typischerweise Handelswege.
Nicht zuletzt werde auch der Blick aufs Meer zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten einen großen Reiz ausgeübt haben: "Wir erleben es ja selbst hier", lächelt sie und zeigt aufs Wattenmeer: "Die mal romantischen, mal dramatischen Stimmungen und die schönen Farben - das war damals genauso."
2022 geht es weiter
Sie und ihr Team legen jetzt eine kurze Weihnachtspause ein, aber fertig sind sie noch nicht: Weil sich am Rand des Untersuchungsgebiets Befunde gezeigt haben, wird die Grabung erweitert - gemäß den Vorgaben des Landesamts für Archäologie. "Wir beobachten den Wetterbericht und sobald sich eine ein- bis zweiwöchige stabile Phase ankündigt, machen wir weiter", kündigt sie an.
Schweres Gerät trägt Boden ab
Im Moment werden mit schwerem Gerät auf Teilen des Grundstücks der Oberboden, die Grassoden und die Überbleibsel der früheren Bebauung (Druiden-Kinderheim/Kinderkurheim "Am Meer") abgetragen, was die archäologischen Arbeiten nicht berührt, solange nicht in die entscheidenden Schichten eingegriffen wird. Das übernehmen die Fachleute selbst; natürlich von Hand: "Sand macht Spaß, Kies ist die Hölle", grient Daniela Nordholz.
Am Ende wird alles zerstört
Am Ende, so stellt die Fachfrau klar, werden sie es sein, die selbst kontrolliert die archäologischen Funde zerstören. Aber erst, wenn alles haarklein in Fotos, Zeichnungen und Beschreibungen festgehalten worden ist und zahlreiche Proben entnommen worden sind.
"Zeichnen bringt einen richtigen Erkenntnisgewinn", so Daniela Nordholz. Denn dabei beginne schon gleichzeitig die Befundbeschreibung und Interpretation, um Antworten zu finden: Was haben die Vorfahren gemacht? Und wann und wie haben sie das getan?
Nach dem Archäologen-Einsatz soll das Grundstück dann plan daliegen. Zuvor wird es auch keinen Baubeginn auf dem Sahnegrundstück an Duhnens südwestlichem Ende geben, wo 82 exklusive (Ferien- und Dauer-) Wohnungen und ein Pflegeheim entstehen sollen.