Hausarzt oder -ärztin verzweifelt gesucht: Gerade wer an chronischen Krankheiten leidet, kann es sich nicht leisten, monatelang ohne eine feste Anlaufstelle zu sein. Doch viele berichten von einer mühseligen Suche. Foto: Ulmer/dpa
Hausarzt oder -ärztin verzweifelt gesucht: Gerade wer an chronischen Krankheiten leidet, kann es sich nicht leisten, monatelang ohne eine feste Anlaufstelle zu sein. Doch viele berichten von einer mühseligen Suche. Foto: Ulmer/dpa
Am Annahmestopp gescheitert

Notlage in Cuxhaven: Hausärzte verzweifelt gesucht

von Maren Reese-Winne | 18.01.2022

CUXHAVEN. Auf dem Papier sieht es gar nicht so schlecht aus mit der Versorgung an Hausärzten in Cuxhaven. Patientinnen und Patienten, die monatelang eine neue Praxis suchen, fragen sich allerdings, wo denn all diese Ärztinnen und Ärzte sind.

So lange hätten sie noch an keinem Ort nach einem Hausarzt oder einer Hausärztin gesucht - mit dieser Bilanz meldeten sich in jüngster Zeit gleich mehrere Neubürgerinnen und Neubürger resigniert in unserer Redaktion. Aber auch alteingesessene Cuxhavenerinnen und Cuxhavener berichten, dass sie nach dem Satz "Guten Tag, ich bin Neupatient" oft schon gar nicht mehr weiterzusprechen brauchen. Wir haben nachgehakt - und Überraschendes erfahren.

Mehrere Ärztinnen und Ärzte sind in den Ruhestand gewechselt

Die Hausarztsitze in den Medizinischen Versorgungszentren von Helios (Altenwalder Chaussee) und des Krankenhauses Land Hadeln (Rohdestraße) sind vakant, mehrere Ärztinnen und Ärzte haben sich gerade in den Ruhestand verabschiedet und nicht immer direkte Nachfolger gefunden. Das bekommen die dort einst versorgten Patienten zu spüren. Doch auf dem Papier bildet sich der von vielen nicht nur gefühlte, sondern ja auch praktisch erlebte Notstand nicht ab.

Versorgungsgrad 105,1 Prozent

Die brandaktuellen Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen nämlich weisen für den hausärztlichen Planungsbereich Cuxhaven einen Versorgungsgrad von 105,1 Prozent im Jahr 2021 aus. Dem hausärztlichen Planungsbereich Cuxhaven gehören außer der Stadt Cuxhaven die Stadt Otterndorf sowie die Gemeinden Ihlienworth, Neuenkirchen, Nordleda, Odisheim, Osterbruch, Steinau und Wanna an. Trotz einer Verschlechterung um 1,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr steht Cuxhaven aber immer noch stabiler da als die benachbarten hausärztlichen Planungsbereiche Bremerhaven mit Beverstedt (76,8 Prozent) und Bremerhaven-Nord mit der Stadt Geestland und der Wurster Nordseeküste (81,4 Prozent).

Hemmoor präsentiert sich mustergültig

Geradezu mustergültig präsentiert sich den Planerinnen und Planern des Sozialministeriums und der Kassenärztlichen Vereinigung hingegen der Bereich Hemmoor mit einem 2021 um fast sechs Prozent auf 116,2 gekletterten Wert.

Annahmestopp verkündet

Aber ist auch alles bestens in Cuxhaven und umzu? Das nehmen viele Bürgerinnen und Bürger der Stadt anders wahr. Teils würden sie gleich abgewiesen, teils erhielten sie Termine erst Monate später, wird berichtet.

"Viele verweisen darauf, dass sie nicht alle Patienten aus den vielen geschlossenen Arztpraxen übernehmen könnten und deshalb Annahmestopp hätten," so die Erfahrung von Christine Wagner, der Vorsitzenden des Beirats für Menschen mit Behinderungen in der Stadt Cuxhaven. Natürlich könnten Ärztinnen und Ärzte und ihre Praxisteams nur ein gewisses Pensum bewältigen, "aber wenn wir keinen Hausarztmangel haben, wo sind die dann alle? Versteckt in den Ortsteilen?", fragt sie sich.

Viele Neubürger sind älter und damit auch häufiger chronisch krank

"Es fängt schon damit an, dass viele Praxen telefonisch schwer erreichbar sind", so die Erfahrung einer Neubürgerin Cuxhavens. Mit einer solchen Situation habe sie vor dem Umzug an ihren Traum-Wohnort nie gerechnet. "Dies ist doch auch eine touristische Gegend. Und dann die vielen Zugezogenen in den neuen Wohnanlagen", gibt sie zu bedenken, "darunter sind viele Ältere oder chronisch Kranke."

Sie sei angesichts einiger Fehlversuche (selbst als Privatversicherte) schon dabei gewesen, ihre Entscheidung pro Cuxhaven zu überdenken, bis sie nach über drei Monaten - "glücklicherweise bin ich gesund" - dann doch überraschend in einer Praxis angenommen worden sei.

Zahl der Patienten pro Arzt in Cuxhaven reduziert

Tatsächlich wird bei der Zuteilung der Kassenarztsitze schon auf die demografische Wirklichkeit Cuxhavens (die Menschen sind älter und damit oft auch häufiger und schwerer krank) Rücksicht genommen.

Wie viele Patientinnen und Patienten ein Hausarzt versorgen soll, ist niedersachsenweit in einer Soll-Rate festgelegt. Diese liegt neuerdings landesweit bei 1607 (vorher 1609). Für den Planungsbereich Cuxhaven lag diese Zahl schon lange vorher deutlich niedriger. Jüngst ist sie auf 1521 (zuvor: 1543) Einwohner je Hausarzt reduziert worden.

Nicht jeder ist mobil

Aber es kommt nicht nur auf Zahlen, sondern auch auf Erreichbarkeit an: Gerade der Rückzug des Arztehepaars Rundt (Hausärztin/Orthopäde im MVZ des Krankenhauses Land Hadeln in der Rohdestraße) versetze die weniger mobilen Patientinnen und Patienten aus der Innenstadt in ein Dilemma, gibt eine weitere Leserin zu bedenken. "Keine Arztversorgung mehr auf kurzem Wege. Wenn man mobil ist, kein Problem, aber wenn nicht?"

Ein Thema, von dem Christine Wagner ein Lied singen kann. Täglich werde sie darauf angesprochen: Mangelnder ÖPNV-Anschluss, fehlende Behindertenparkplätze, Stufen am Eingang, fehlende Behindertentoilette, für manche seien das unüberwindbare Hindernisse. Wer könne, mache alles möglich nach dem Motto: "Hauptsache, eine Versorgung." Gerade die Personen, die sich an den Beirat wendeten, seien alle vorerkrankt, bräuchten Verordnungen, Rezepte und Überweisungen zu Fachärzten.

2,5 Hausarztsitze in Cuxhaven frei

2,5 Hausarztsitze sind derzeit im hausärztlichen Versorgungsbereich Cuxhaven noch zu besetzen. Das Krankenhaus Land Hadeln versichert, für die Rohdestraße in Cuxhaven laufe die Suche. Helios ist schon einen Schritt weiter: Die Bewerbungsphase für den vakanten Kassensitz laufe und nach dem Eingang diverser Bewerbungen seien bereits zwei Vorstellungsgespräche für die nächsten zwei Wochen vereinbart, vermeldete Sprecherin Katharina Recht am Montag auf unsere Anfrage hin.

Fördermittel abrufbar

Der Landkreis und die Agentur für Wirtschaftsförderung hätten ein großes Interesse daran, niederlassungswillige Ärztinnen und Ärzte zu unterstützen, betont Kai Sawischlewski von der Agentur für Wirtschaftsförderung. Beim Amt für Strategische Sozialplanung sei weiterhin das Förderprogramm zur Niederlassung von Hausärzten im Landkreis Cuxhaven angesiedelt. Landkreis und die jeweilige Gemeinde können hierbei Praxisgründungen mit bis 10 000 Euro unterstützen.

"Uns ist vollkommen bewusst, dass die ärztliche Versorgung einer der Faktoren ist, die eine Stadt auch als Wirtschaftsstandort attraktiv und lebenswert halten, weshalb wir hier auch bei der Suche nach Räumlichkeiten oder Kooperationen gerne weiterhelfen und Kontakte herstellen", versichert Kai Sawischlewski.

Die Planungsbereiche im Landkreis Cuxhaven

Im Landkreis Cuxhaven gibt es vier Hausärztliche Planungsbereiche (HPB):

Cuxhaven: Cuxhaven, Otterndorf, Ihlienworth, Neuenkirchen, Nordleda, Odisheim, Osterbruch, Steinau, Wanna (zusammen 63 702 Einwohner, ein Plus von 332 im Vergleich zur letzten Erhebung)

Bremerhaven mit Beverstedt (55 780 Einwohner, plus 638)

Bremerhaven-Nord, Stadt Geestland, Wurster Nordseeküste (47 942 Einwohner, plus 308).

Hemmoor: Armstorf, Belum, Bülkau, Cadenberge, Hechthausen, der Stadt Hemmoor, Hollnseth, Lamstedt, Mittelstenahe, Neuhaus/Oste, Oberndorf, Osten, Stinstedt, Wingst (31 676 Einwohner, plus 92).

Die Bedarfsplanung orientiert sich unter anderem an Gemeindegrößen, Bewohnerschaft, Entfernung und Alter der Ärztinnen und Ärzte.

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Maren Reese-Winne

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

mreese-winne@no-spamcuxonline.de

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