
Cuxhaven: Helios-Seehospital Sahlenburg schließt für immer
SAHLENBURG. Die Patienten sind gegangen, das große Ausräumen beginnt, "die Nordheim" ist Geschichte: Vom emotionalen Ende eines Krankenhauses.
Das Helios-Seehospital Sahlenburg hat am Freitag seine letzten stationären Patienten entlassen und auch die Ambulanzen sind geschlossen. Zum 31. Dezember wird das Krankenhaus offiziell aufgegeben. Die medizinischen Bereiche (Wirbelsäulenchirurgie und Kinderorthopädie, internistische Rheumatologie) werden in die Helios-Klinik Cuxhaven verlagert oder sind dort bereits angekommen.
"Nach der Entlassung der letzten beiden Patienten wurden die Laken auch zum Tränentrocknen gebraucht", sagt Dr. Matthias Braun. Seine rheumainternistische Abteilung war die letzte, die im Helios-Seehospital Sahlenburg geöffnet war. Das ist nun vorbei und das große Ausräumen hat begonnen. Die Frühstücksrunde zum Abschied fiel naturgemäß emotional aus. Schließlich haben viele Teammitglieder das Schicksal dieses Krankenhauses seit 30 und mehr Jahren mitbegleitet.
"Es war ein Stück Heimat"
Dort, wo Schwester Carmen Hustedt-Nitt gestern auf der Station "Ebbe" lieber ordentlich räumte, als zu traurig zu werden. Erinnerungen aus über 30 Jahren sprudeln in ihr hoch: "Es war wie ein Stück Heimat. Wir sind hier zusammen groß geworden."
Intensiv hat sie sich mit der Geschichte des jüdischen Geschäftsmanns Marcus Nordheim (1811-1899) aus Hamburg befasst, der in historischen Quellen als "stets fröhlich, bescheiden und zutiefst human gesinnt" beschrieben wird. Aus seinem Vermächtnis wurde die Nordheim-Stiftung gegründet, die 1906 in Sahlenburg das erste Seehospital Deutschlands errichtete. Anfangs wurden dort nur - zumeist tuberkulosekranke - Kinder behandelt, die oft für Monate, nicht selten auch für Jahre in der Klinik blieben.
Es blieb immer "die Nordheim"
Der Name "Nordheim-Stiftung" hat sich über alle Besitzerwechsel und Strukturwandel hinweg bei den Einheimischen eingebrannt. Oder schlicht: "die Nordheim".
Carmen Hustedt-Nitt: "Zum 100-Jährigen haben wir uns schick gemacht mit Frack und Zylinder in Erinnerung an die Gründungszeit." Auf der Kinderstation im 1914 errichteten Mathilde-Emden-Haus habe es nur zwei Personen gegeben, die die Uhr im Giebel aufziehen durften. Anfangs ging das Glockenspiel noch zweimal in der Stunde los, später nur noch einmal - "auch nachts".
"Die Kinder haben das geliebt"
"Wir konnten mit den Kindern wahnsinnig viel machen. Zu unserem Minigolfplatz fuhren wir sie im Rollstuhl, dazu gab es Apfelsaft, Quarkspeise und Butterkekse. Am Strand zogen wir ihnen die Korsetts aus, damit sie im Meer schwimmen konnten. Bei den Laternenfesten schoben wir sie in den Betten nach draußen, selbst bei Regen. Wir haben Rundgänge durchs Gelände gemacht, zum Bunker und bis an die Grenze zur Heide; die Kinder haben das geliebt."
Hinter dem Haus, neben dem großen Wintergarten, konnte an fest installierten Tischen Mühle gespielt werden. "Und an Heiligabend kam Chefarzt Dr. Edelmann mit der ganzen Familie zum Musikmachen. Das war - und jetzt kommt etwas Neues", sagt sie und blinzelt eine Träne unter der Maske weg. "Wir haben uns eben mit dem Haus identifiziert", erklärt sie.
Über Jahrzehnte zusammengewachsen
Auch bei Dr. Matthias Braun war die Schließung ein Dauerthema. "In der Ambulanz haben mich zehn von 15 Patienten täglich darauf angesprochen." Schließlich sei auch er mit vielen seiner Patienten in den 27 Jahren seiner Klinikzeit zusammengewachsen und älter geworden. Verabschiedet habe er sich auch von den Kräften der Krankengymnastik und der Röntgenabteilung, die nicht übernommen würden: "Nicht alle haben schon etwas Neues gefunden", weiß er.
So familiär wie hier werde es wohl nie mehr werden, aber immerhin sei es gelungen, in der Helios-Klinik Cuxhaven, wo die anderen Disziplinen aus Sahlenburg bereits angekommen sind, die rheumainternistische Station (3b) umzubauen und mit den nötigen Therapieräumen auszustatten. Seine ambulanten Patientinnen und Patienten empfängt er künftig in der Praxis im Altbau des Krankenhauses (Backsteingebäude) an der Altenwalder Chaussee.
Erinnerungsstücke gesichert
"Wir haben auch jede Menge Bilder, Fotos, Pläne und Gegenstände gesichert", ergänzt Hempel. Viele Beschäftigte hätten nach Erinnerungsstücken gefragt, zum anderen solle an der Altenwalder Chaussee daraus eine Sahlenburg-Ecke entstehen.
Eine Abschiedsfeier sei wegen der Corona-Lage erstmal auf den Januar verschoben worden. Zeitnah solle es sein, das habe sich die Belegschaft gewünscht. Eine offizielle Begrüßung sei leider coronabedingt nicht möglich gewesen.
Erinnerungen willkommen
Auch Sie haben Erinnerungen oder Fotos aus dem Seehospital? Diese sind willkommen unter mreese-winne@cuxonline.de.