Solidarität: Cuxhaven jetzt Teil der "Seebrücke"
CUXHAVEN. Als Teil der "Seebrücke" solidarisiert sich die Stadt Cuxhaven mit Flüchtlingen und Seeleuten, die zu Rettern werden.
Über dem Tohuwabohu in der Ratssitzung am vergangenen Donnerstag, in der ein Soldat zu schreien begonnen hatte (wir berichteten), geriet der Beschluss fast in Vergessenheit: Nach abrupt beendeter Debatte sprach sich der Rat mehrheitlich dafür aus, dass sich die Stadt Cuxhaven der Initiative "Seebrücke" anschließen soll.
Das bedeutet, dass sie sich gegebenenfalls bereit erklärt, aus dem Mittelmeer gerettete Schiffbrüchige aufzunehmen und dass sie die Bundesregierung in ihren Bemühungen um eine "solidarische, humanitäre und europäische Flüchtlingspolitik" unterstützt, hieß es im gemeinsamen Antrag der SPD und Grünen.
Mit den ertrinkenden Menschen konfrontiert zu werden, sei ein großes Dilemma auch für Seeleute, konkretisierte Bernd Jothe, Fraktionsvorsitzender der Grünen, die Hintergründe. "Wir verlieren die Sensibilität. 2000 Menschen (laut Antragsvorlage 2275 im Jahr 2018; d. Red) ertrinken und wir gehen zur Tagesordnung über."
Jothe wies auf das Engagement sozialer Initiativen und vieler Kirchen für Menschen auf der Flucht und in Seenot sowie Helfer hin und zitierte den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder mit dem Satz, es sei eines christlichen Europas unwürdig, Menschen ertrinken zu lassen. Bereits rund 50 Kommunen in Deutschland hätten sich der "Seebrücke" angeschlossen und sich so zu "Sicheren Häfen" erklärt; Cuxhaven solle das auch tun.
"Nicht freiwillig"
Vor allem, so lange es noch keine europäische Lösung gebe, stellte Ulrike Hogrefe für die SPD-Fraktion fest. "Das Problem geht uns ebenso an wie die Hafenstädte am Mittelmeer." Sie erinnerte an die Not, die die Menschen in die Boote treibe: "Wer setzt sich schon freiwillig einem solchen Risiko aus?", und versetzte sich in die Lage der Seeleute: "Sie müssen schwierige Rettungen bewältigen und können das Leid nicht verkraften." Was diese auszustehen hätten, beweise das Zitat eines Seemanns: "Ich kann und will nicht mehr über Kinderrucksäcke fahren."
Thiemo Röhler, Fraktionsvorsitzender der CDU, bekundete "großes Verständnis" für die Inhalte des Antrags. Allerdings sei die Stadt Cuxhaven ebenso nachvollziehbar nicht zuständig für eine Lösung des Flüchtlingsdilemmas; es müsse endlich eine europäische Lösung her. "Wir haben schon Verantwortung in besonderem Maße übernommen." Er kündigte Enthaltungen der CDU-Fraktionsmitglieder an.
"Bund soll mehr tun"
"Auch wir tun uns schwer, dem Antrag zu folgen", bekundete Peter Altenburg (Die Cuxhavener); einen Fraktionszwang gebe es für die Abstimmung aber nicht. Unbestritten sei, dass keine Menschen in Not zurückgelassen werden dürften. Er aber hätte sich eine deutlichere Aufforderung an die Bundesregierung gewünscht, ihre Aufgabe besser zu erledigen. Mit den Worten "Ich stimme meinem Vorredner ausdrücklich zu", begann AfD-Fraktionsvorsitzender Anton Werner Grunert, was Peter Altenburg mit dem Satz "Das macht mich traurig" quittierte. Über die Inhalte des AfD-Gegenantrags haben wir am Sonnabend ausführlich berichtet. Weit ausschweifend, unter anderem mit dem Hinweis auf Sicherheitsrisiken, zählte Grunert auf, warum keine weiteren Flüchtlinge aufgenommen werden sollten.
Seine Ausführungen wollte sich nicht jedes Ratsmitglied im Saal anhören. In der weiteren Debatte kam es zum Eklat durch den aus dem Publikum schreienden Mann im Kampfanzug, der erst nach mehrfacher Aufforderung die Zuschauerreihen verließ.
Auch Oberbürgermeister Dr. Ulrich Getsch hob schließlich die Hand für den Beitritt zur "Seebrücke". Er machte kurz den Grund für seine Position deutlich. Als Vorsitzender des Fördervereins der Seemannsmission sei für ihn klar, Seeleute in den Gebieten zu unterstützen, in denen Menschen ums Überleben kämpften: "Sie helfen ihnen und müssen sich sicher sein, dass sie sie in einem Hafen an Land bringen können", bekräftigte er am Montag im Gespräch mit unserer Zeitung.