
Podiumsdiskussion kurz vor der Landtagswahl in Cuxhaven: Das sagen die Kandidaten
CUXHAVEN. Immer, wenn zwei am Tisch besonders leidenschaftlich aneinandergerieten, ging es weniger um die Probleme des Cuxlands, sondern viel mehr um Belange der benachbarten Hansestädte.
Bis die anderen daran erinnerten: "Was war noch mal mit dem Wahlkreis 58 (Cuxhaven)?" Über Unterschiede und Gemeinsamkeiten vierer eingeladener Kandidaten zur Landtagswahl konnten sich Gäste am Freitag bei der Wahldiskussion der Cuxhaven-Niederelbe-Verlagsgesellschaft im "Lokschuppen" des Bürgerbahnhofs ein Bild machen.
Wobei die Positionierung bei der Frage des Wahlrechts ab 16 Jahren und für ausländische EU-Bürgerinnen und Bürger bei Landtagswahlen noch am unkompliziertesten war: Einzig Thiemo Röhler (CDU) plädierte für ein Beibehalten der jetzigen Regelung, während sich Oliver Ebken (SPD), Johannes Sattinger (Bündnis 90/Die Grünen) und Günter Wichert (FDP; alle mit dem Hinweis auf Respekt und Wertschätzung für die Beteiligung an der Gestaltung der Gesellschaft) gut mit einer Senkung des Wahlalters und einer Beteiligung der EU-Ausländer arrangieren könnten.
Verkehr, Schlick, Bildung
Das Schwergewicht der Fragen, die die Redaktionsleiter Ulrich Rohde und Christoph Käfer mit Ergänzung durch Leserbeiträge vorbereitet hatten, widmete sich allerdings den drängenden Themen der Region, allen voran Verkehrsverbindungen, Elbe-Fähre, Schlickverklappung und Bildung.
"Ungefähr 7000 Lehrerstellen fehlen, das kann nicht unser Anspruch sein", konstatierte Johannes Sattinger und forderte eine massive Erhöhung der Finanzmittel für Neueinstellungen. Neben der Bezahlung gebe es auch noch weitere Faktoren für die Attraktivität des Berufs, so könne es nicht sein, dass es im Kreis Cuxhaven noch Schulen ohne Internetverbindung gebe.
Nicht nur Geld zählt
Thiemo Röhler forderte eine Entlastung der Lehrkräfte von Bürokratie- und Dokumentationspflichten. "Wir müssen den Job attraktiver machen", sagte auch Oliver Ebken. Die einheitliche Besoldung der Lehrkräfte aller Schulformen sei ein Schritt gegen die Abwanderung in die umliegenden Bundesländer. Ebken bezog aber auch die Sicherung der frühkindlichen Bildung unter anderem durch neue Personaluntergrenzen in den Kitas mit ein.
"Man kann Lehrkräfte nicht herbeizaubern", gab Günter Wichert zu bedenken. Schätzungen seiner Partei zufolge werde es noch bis 2037 dauern, bis in Niedersachsen wieder eine befriedigende Situation erreicht sei. Mit Blick auf die Enge in der Bleicken- und der Gorch-Fock-Schule stellte er fest, dass Lehrkräfte auch Raum brauchten: "Für mich wäre es das Erste, bei Städten, die so mit ihren Schulen umgehen, die Kommunalaufsicht einzuschalten."
Autobahnen im Fokus
Klar grenzten sich die Positionen beim Weiterbau der A26 und der A20 samt fester Elbquerung ab, denen einzig der Vertreter der Grünen nichts abgewinnen konnte. Diese Gelder seien besser in den Ausbau des Bahnverkehrs investiert, fand er, während die anderen voll auf die wirtschaftlichen Perspektiven durch diese neue Ost-West-Achse in Europa setzen. Wenn auch, wie sie witzelten, das noch so lange dauern könne, bis die Autos nicht mehr durch Verbrennermotoren angetrieben "oder gleich fliegen" würden.
Klare Positionen gab es in der Ablehnung der von Hamburg nach wie vor ins Auge gefassten Schlickverklappung bei Scharhörn und zu der Notwendigkeit eines länderübergreifenden Grundsatzkonzepts zum Schlick. "Eine SPD-geführte Landesregierung wird zur Not auch klagen", kündigte Oliver Ebken an.
Jeder will das Beste rausholen
Die von Johannes Sattinger eingeforderte Kooperation der norddeutschen Häfen hielt Thiemo Röhler für schwer zu realisieren: "Egal wer Hamburg regiert, er wird Hamburger Interessen vertreten und dafür ist er auch gewählt." "Kontaminierte Abfälle gehören nicht in die See, weder in die Elbe noch vor Scharhörn oder in die Ausschließliche Wirtschaftszone", so Günter Wichert. Er plädierte für eine Deponielösung im Wasser nach niederländischem Vorbild.
Grundsätzlich wenig hatten die Kandidaten - drei ihrer Parteien sind schließlich an der Ampel-Koalition beteiligt - gegen das aktuelle Management der Energiekrise in Berlin einzuwenden, erst recht vor dem Hintergrund der täglich neuen Herausforderungen und der jüngsten Entlastungs-Beschlüsse. Thiemo Röhler brachte einen zeitweiligen Verzicht auf Steuern auf Treibstoffe ins Gespräch und stand wie auch Günter Wichert klar zur Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke. "Der Anteil der AKW an der Stromversorgung könnte locker durch erneuerbare Energien ersetzt werden", stellte Johannes Sattinger fest; einen Knackpunkt stellten dabei die mangelhaft ausgebauten Netze Richtung Süden dar.
Gezielte Entlastungen
Oliver Ebken wies auf das von Ministerpräsident Stephan Weil avisierte Eine-Milliarde Sofortprogramm für gezielte Entlastungen in der Energiekrise hin. Mit dem Koalitionspartner CDU habe dieses vor der Wahl nicht auf den Weg gebracht werden können, weil dieser an der Schuldenbremse festhalte. Diese Position gegen neue Schulden verteidigten vehement die Vertreter von CDU und FDP.
Eine neue Elbe-Fähre Cuxhaven-Brunsbüttel steht auf der Wunschliste aller Kandidaten, auch mit öffentlicher Unterstützung (Oliver Ebken: "Das ist eine Infrastrukturmaßnahme, an der sich das Land beteiligen muss. Das tut es auch an anderer Stelle.") Grundvoraussetzung: "Ein Klima der Vernunft auf beiden Seiten der Elbe", so Thiemo Röhler, dem eine Beteiligung des Landes in Form einer Ausfallbürgschaft am liebsten wäre.