Cuxhaven: Wohnraum muss für Einheimische bezahlbar bleiben
CUXHAVEN. Die Stadtplaner sind überzeugt: Nur mit guter Lebensqualität kann Cuxhaven dem demografischen Wandel etwas entgegen setzen.
Nach dem Schulabschluss bloß weg - das war über Jahrzehnte die Devise vieler gebürtiger Cuxhavenerinnen und Cuxhavener. Perspektiven für Arbeit und Studium fehlten; die Großstadt lockte. Wie es gelingt, dieser Tendenz nachhaltig etwas entgegenzusetzen, davon hängt zu einem guten Teil die Zukunft der Stadt Cuxhaven ab. Die positive Entwicklung mit der Ansiedlung der Offshoreindustrie, die erhöhte Nachfrage nach Dienstleistungen und vor allem nach Pflegekräften bietet schon mal berufliche Aussichten - entscheidende Bedeutung aber schreibt der aktuelle Demografie-Bericht der Stadt den so genannten weichen Standortfaktoren zu.
Angebote zahlen sich aus
Es ist eben nicht egal, ob Kinder gut untergebracht werden können, jeder seinen Sport ausüben kann und Bibliothek oder Haus der Jugend mit der Zeit gehen. Kinder und Jugendliche, die heute hier unter guten Bedingungen aufwüchsen, seien in besonderer Weise mit dem Standort, der Lebensqualität, der Natur und dem Flair verbunden, heißt es im Bericht: Eine solch tiefe Verbindung könne auch mit dem besten Marketing nicht erreicht werden.
"Die so genannten weichen Standortfaktoren werden langfristig zu den harten", schreiben die Stadtplaner. Zunächst teuer erscheinende Investitionen in Kultur, Kinderbetreuung, Bildung, Sport, Einzelhandel und Freizeit hätten - auch wenn auch deren Finanzierung immer weiter optimiert werden müsse - das Zeug, die Stadt als "Lebensort langfristig zu qualifizieren".
Seit einigen Jahren erscheint immer zu den Doppelhaushaltsplan-Beschlüssen (zuletzt im Dezember 2020) ein umfangreicher, tiefgreifender Demografiebericht, der nicht nur den Ratsfraktionen als Grundlage für deren Entscheidungen dienen soll. Er geht weit über die bloße Aufzählung von Zahlen hinaus.
Im Schnitt 48,7 Jahre alt
Wenn sich die Lage im Vergleich zu früheren Prognosen auch leicht entspannt hat: zumindest derzeit sinkt die Bevölkerungszahl in Cuxhaven weiter und gleichzeitig werden die Bewohnerinnen und Bewohner älter. Mit einem Altersdurchschnitt von derzeit 48,7 Jahren (36,5 waren es noch im Jahr 1970) belegt Cuxhaven einen Spitzenplatz im Land. Mit dem Stichtag 30. Juni 2020 zählte die Stadt 48 227 Einwohnerinnen und Einwohner, die Zahl kann sich natürlich täglich ändern.
Einnahmelage verbessert
Immer wieder stellt der Bericht den Bezug zu den Stadt-Finanzen her. Durch strategische Entscheidungen und eine erfreuliche Entwicklung bei den Einnahmen (Gewerbesteuer, Gemeindeanteil an der Einkommensteuer, Grundsteuer B und andere) sei es zwar gelungen, das Missverhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben deutlich zu reduzieren. Andererseits bedeute eine zurückgehende Bevölkerungszahl nicht etwa, dass hierdurch Bedarfe und Kosten automatisch sinken würden.
Viele Leistungen müssten unabhängig von der Bevölkerungszahl vorgehalten werden, zudem stiegen die Aufwendungen durch die Bedürfnisse der Seniorinnen und Senioren, die zum Beispiel eine barrierearme Infrastruktur, einen guten Nahverkehr und Nahversorger bräuchten. Kleinere Schulklassen seien nicht viel günstiger zu unterhalten als große und müssten zudem inklusionsgerecht ausgestattet werden.
Rechtsansprüche - zum Beispiel die auf einen Krippenplatz - müssten erfüllt werden, auch wenn langfristig die Kinderzahl sinke. Umso wichtiger sei es, neue Projekte flexibel zu planen, also so, dass etwa einzelne Bereiche einer Kita später einmal leicht abgetrennt und für andere Zwecke genutzt werden können.
Drei neue Kitas eröffnen
Nach bisheriger Zeitplanung sollen im Frühjahr 2021 sowohl der erweiterte Ersatzbau für die evangelische Kita Emmaus sowie die DRK-Kita am Kornblumenweg in Altenwalde und die Awo-Kita "Südlich Westerwischstrom" an den Start gehen. Angesichts der Tatsache, dass die Zahl der Geburten zuletzt wieder gestiegen ist, rechnet die Stadt damit, dass die Nachfrage dort über lange Zeit stabil bleiben wird.
Nicht zuletzt müsse bei Entscheidungen zur Stadtplanung auch berücksichtigt werden, dass Cuxhavens Bevölkerung über weite Strecken im Jahr eben doch weit größer ist. Entsprechend groß müssten auch Park- und Spazierflächen, Straßen, ÖPNV, Ver- und Entsorgung oder öffentliche Einrichtungen berechnet werden.
Kommt doch her und wohnt hier - das ist die Botschaft an die täglich zur Arbeit nach Cuxhaven pendelnden Arbeitskräfte. Diese ist seit 2013 um 26 Prozent (1519 Personen) auf 7324 gestiegen.
Lieber zentral wohnen
Der Bericht befasst sich auch eingehend mit der Bau- und Wohnsituation in der Stadt. Die aktuelle Herausforderung bestehe darin, für die heimische Bevölkerung Wohnraum zu schaffen (am liebsten zentral in der Stadt), den sie trotz ansprechender Qualität auch bezahlen kann und zum anderen mehrgenerationengerechte Wohnformen zu schaffen.
Bei 82 Prozent der Haushalte in Cuxhaven handle es sich um Haushalte mit nur ein oder zwei Personen, entsprechend hoch sei die Nachfrage nach kleinen Wohneinheiten einzuschätzen, während wohl ältere Einfamilienhäuser und nicht modernisierte Wohnungen kaum noch interessant für den Markt sein dürften.
Enorm ausgedehnt
Obwohl die Bevölkerungszahl seit rund 50 Jahren sinke (Höchststand am 31. 12. 1967: 61 584 Einwohner), sei die Siedlungsfläche der Stadt rapide angewachsen. Dass dabei große Wohngebiete in den Außenbezirken entstanden sind, mag in den Augen der Stadtplaner nicht so recht zu den künftigen Anforderungen passen: Denn je älter die Bevölkerung werde, desto weniger mobil sei sie auch. Sicherlich sei diese Entwicklung auch zulasten der Innenstadt gegangen.
Sehr stark sei die Zahl der Zweitwohnsitze und Ferienwohnungen gestiegen: Mitte 2020 war jede vierte Wohnung in der Stadt nur zeitweilig genutzt. Das deckt sich mit dem Gefühl vieler Passanten in der dunklen Jahreszeit: Es bleiben schon sehr viele Fenster düster.