Kirsty Altendorf lernt die Gebärdensprache, um gehörlose und schwerhörige Menschen zu unterstützen - wie sie hier in Gebärdensprache zeigt. Foto: May
Kirsty Altendorf lernt die Gebärdensprache, um gehörlose und schwerhörige Menschen zu unterstützen - wie sie hier in Gebärdensprache zeigt. Foto: May
Sprache ohne Akustik

Cuxhavenerin lernt für ihren neuen Job eine ungewöhnliche Sprache

von Denice May | 07.09.2022

KREIS CUXHAVEN. Die Cuxhavenerin Kirsty Altendorf lernt die Gebärdensprache, um in ihrem Job mit gehörlosen Menschen zu kommunizieren.

Kommunizieren, ohne die Stimme zu benutzen. Darauf sind gehörlose und schwerhörige Menschen angewiesen, wenn sie sich verständigen wollen. Ihnen bleibt nur die Möglichkeit, die visuelle Form des Sprechens zu praktizieren. Sie sprechen Gebärdensprache. Für Betroffene stellt sich das im Alltag als große Herausforderung dar. Wer hilft bei Behörden-Anträgen? Wo finde ich einen Dolmetscher? Wer unterstützt mich bei Konfliktsituationen? Die Sozialarbeiterin Kirsty Altendorf ist hier zur Stelle und lernt deshalb eine ganz andere Art der Kommunikation.

Selbst auf einem Ohr taub

Die 40-jährige Kirsty Altendorf hat seit März dieses Jahres einen neuen Job als Sozialberaterin. Und obwohl sie schon vorher in diesem Bereich gearbeitet hat, ist ihr neues Aufgabenfeld doch ein ganz anderes. Sie berät, unterstützt und begleitet gehörlose und schwerhörige Menschen aus dem Kreis Cuxhaven in ihrem Büro in der oberen Etage des Cuxhavener Begegnungszentrums "Tante Emma". "Ich brauchte neuen Input und einen neuen Bereich", erklärt die gebürtige Cuxhavenerin. Da sie selbst von Geburt an auf einem Ohr gehörlos ist, hatte sie schon immer Interesse daran, die Gebärdensprache zu lernen. "Vor Jahren habe ich dann einen Volkshochschulkurs besucht. Ich war neugierig, die Sprache zu lernen und eine andere Art der Kommunikation zu führen", so die Sozialberaterin.

Andere Grammatik, anderes Leseverständnis

So kam das Stellenangebot der Sozialberatung "Neue Arbeit Lüneburg", das vom Land Niedersachsen finanziert wird, wie gerufen für Kirsty Altendorf. "Menschen, die gehörlos oder schwerhörig sind, haben eine andere Grammatik, das Leseverständnis ist schwierig. Sie verstehen also beispielsweise Behörden-Anträge nicht, können keine Telefonate führen", erklärt die 40-Jährige. Das liege unter anderem daran, dass der Satzbau in der Gebärdensprache anders aufgebaut sei als in der deutschen Grammatik, wie Kirsty Altendorf anhand eines Beispiels erklärt: "Wenn ich sagen möchte ,Heute treffe ich mich mit meinem Freund' heißt es in Gebärdensprache ,Heute ich meinen Freund treffen'. Es wird generell viel bildlicher gesprochen."

Gestik, Mimik, Mundbild

Bei der Gebärdensprache wird mit einer Verbindung von Gestik, Gesichtsmimik, dem Mundbild von lautlos gesprochenen Wörtern und Wechsel der Körperhaltung kommuniziert. "Und es gibt sogar noch Dialekte. Gebärdensprache hat von Region zu Region Unterschiede." Es gehört also einiges dazu, sich mit Gehörlosen auf Gebärdensprache zu unterhalten. Deshalb besucht Kirsty Altendorf auch schon seit längerer Zeit einen Online-Kurs. "Ich habe vorher auch Kurse in Berlin und Hamburg besucht, übe außerdem zwei bis drei Stunden pro Woche zusätzlich Vokabeln. Ich bewege mich auf Anfängerniveau, aber ich habe das Glück, dass ich von den Gehörlosen, die in die Beratungsstelle kommen, viel lernen kann. Sie üben mit mir", freut sich die Cuxhavenerin, die sich vor den Gesprächen häufig mit thematischen Vokabeln vorbereitet.

Ihr Ziel: fließend verständigen

Ihr Ziel in der Gebärdensprache: Sie möchte das Sprachniveau B2 erreichen. Das würde bedeuten, Kirsty Altendorf könnte dann die Sprache selbstständig anwenden, Hauptinhalte komplexer Texte verstehen, Fachdiskussionen führen und sich spontan und fließend verständigen, sodass ein normales Gespräch mit Gehörlosen ohne größere Anstrengung möglich ist. "Ich bin ehrgeizig und anspruchsvoll. Wenn ich das Niveau erreiche und flüssig Alltagsunterhaltungen führen kann, dann wäre ich glücklich."

Schon jetzt große Hilfe

Auch wenn die Sozialberaterin aktuell noch nicht so weit ist und es noch Zeit in Anspruch nehmen wird, bis sie das Niveau erreicht hat, fühlt sie sich wohl in ihrem Job - und ist schon jetzt eine große Hilfe mit ihrer beratenden und unterstützenden Stelle für Gehörlose und Schwerhörige. "Es ist ein großer Schritt für Betroffene, die Beratungsstelle aufzusuchen. Es ist deshalb wichtig, Vertrauen aufzubauen." Und das kann Kirsty Altendorf auch ohne akustische oder visuelle Sprache.

Kontaktdaten: Sozialberatung für gehörlose und schwerhörige Menschen, Deichstraße 29, 27472 Cuxhaven, Telefon (01 75) 84 27 589.

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Denice May

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

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