
Cuxhavens Oberbürgermeister äußert sich zu EWE-Affäre
CUXHAVEN. Ein Abrechnungsfehler der EWE Wasser GmbH wird das Verhältnis zwischen Stadt und Entsorgungsdienstleister nachhaltig belasten. Das deutete Cuxhavens Oberbürgermeister Ulrich Getsch an, als er am Montag von "Kontrollmechanismen" sprach, die künftig die bisher gepflegte Vertrauensbasis ersetzen sollen.
Hintergrund ist die Abwasser-Affäre, die dazu geführt hat, dass Cuxhavener Verbraucher in den letzten neun Jahren 9,3 Millionen Euro zu viel berappt haben.
Im Rats-Ausschuss für technische Dienste bezog Getsch am Montagnachmittag erstmals in öffentlicher Sitzung Stellung - und ließ keinen Zweifel daran, dass es sich bei jenen 9,3 Millionen Euro um Geld handelt, das "dem Gebührenzahler gehört und ihm auch zusteht". In seinem Bericht bestätigte der Oberbürgermeister ein in den Cuxhavener Nachrichten genanntes Datum: Im November 2017 ist der Entsorger erstmals im Rathaus vorstellig geworden, um Pannen bei der Zinskalkulation und der Anmeldung von Investitionen zu melden. "Zahlen beruhten damals allerdings auf Schätzungen", sagte Getsch, weswegen sich die Frage, ob man die vor dem Jahreswechsel 2017/18 verabschiedete Abwassergebührenordnung hätte kippen müssen, aufgrund der "vollkommen unklaren Sach- und Rechtslage" nicht gestellt habe. Wie berichtet gab es ein weiteres Gespräch, bei dem die EWE Wasser eine für die Stadt untragbare Vereinbarung vorgelegt haben soll. "Diese hätte die falsche Zinslegung vertraglich begründet!", erklärte Getsch und sprach davon, dass sein Haus nicht gewillt sei, eine Schlechterstellung des Vertragspartners Stadt hinzunehmen.
Offenbar zeichnete sich eine Lösung erst am 19. Oktober ab, als sich die EWE bereit erklärte, den Zinsfehler unabhängig von bislang gegengerechneten Investitionen im Klärwerksbereich zu regeln. Getsch stellte gestern in Aussicht, dass eine sich auf das laufende Jahr beziehende Verrechnung, mit dem 4. Gebühren-Abschlag 2018 vorgenommen werden könne. In der 9,3-Millionen-Euro-Frage wird man nach Auffassung des OB im kommenden Jahr das bestehende Zahlenwerk aufbrechen und Abwasserkosten neu kalkulieren müssen.
Einen ähnlichen Lösungsweg zeigte am Montag auch Bernhard Zentgraf, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler (BdSt) Niedersachsen auf. Aus seiner Sicht ist wichtig, dass Bürger möglichst schnell in den Genuss einer Rückzahlung kommen - was übrigens keineswegs selbstverständlich ist: "Eigentlich gilt eine Verjährung nach vier Jahren", so der BdST-Chef, der auch auf potenzielle Ungerechtigkeiten eines Verrechnungsmodells hinwies: Nicht nur, dass solche Gutschriften zu einem "heillosen Aufwand" für Privatvermieter führten. Finanzieller Schaden, der inzwischen verzogenen Gebührenzahlern entstanden ist, werde nicht kompensiert. "Das wird man eventuell in Kauf nehmen müssen", sagte Zentgraf in einem Telefonat mit unserer Zeitung, in dem er unter anderem die Frage aufwarf, wie die Abwasser-Affäre wohl verlaufen wäre, wenn sich die EWE AG weniger kooperativ gezeigt hätte. Seiner Auffassung nach hat es die Stadt Cuxhaven bei der Veräußerung der Stadtwerke versäumt, ein geeignetes Vertragscontrolling sicherzustellen - ein Defizit, das auch der Oberbürgermeister erkannte, als er im Ausschuss davon sprach, dass ein 2003 als Teil des Kaufvertrages abgesegneter Abrechnungsbogen der Stadt keine Möglichkeit lasse, EWE-Kalkulationen selbstständig nachzuvollziehen. Die Zahlen betreffend sei die Angelegenheit zudem so komplex, dass sie im Rückblick nur "unter allergrößten Schwierigkeiten" aufzudröseln sei.
Entgegen der bisherigen Praxis werde die Stadt von der EWE vorgelegte Rechnungen deshalb ab sofort nicht mehr einfach so "fressen", kündigte der Getsch an. "Das Fass ist voll", erklärte auch der Ausschussvorsitzende Peter Altenburg ("Die Cuxhavener"), der sich - Stichwort: Gas-Skandal - darüber ärgert, was sich der Konzern "großkotzig rausnimmt".
Aus den aktuell publik gewordenen Vorgängen die richtigen Lehren zu ziehen, legt - sachlicher im Tonfall - auch der Bund der Steuerzahler der Stadt nahe. Konkret könnte das bedeuten, ähnlich gelagerte Verträge, die im Rathaus in den Schubladen liegen, auf den Prüfstand zu stellen. Das Thema Kapitalkosten sei - losgelöst vom vorliegenden Fall - heikel, betonte Zentgraf: "Ich möchte nicht wissen, was da manchmal für Zinsen zugrunde gelegt werden."